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Während Haft im Straflager: Kreml-Kritiker Alexej Nawalny gestorben

Kreml-Kritiker Alexej Nawalny war mehr als drei Jahre in Haft - zuletzt war er in ein Straflager hinter dem Polarkreis verlegt worden. Er hatte 2020 nur knapp einen Giftanschlag überlebt. Nun ist er im Alter von nur 47 Jahren gestorben.

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Kreml-Kritiker Alexej Nawalny ist im Alter von 47 Jahren in einem russischen Gefängnis gestorben.
Kreml-Kritiker Alexej Nawalny ist im Alter von 47 Jahren in einem russischen Gefängnis gestorben. © Golovkin/dpa

Der führende russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ist nach Angaben der Justiz in Haft gestorben. Das teilte die Gefängnisverwaltung mit, wie die staatliche Agentur Tass meldete. Der 47-Jährige sei am Freitag nach einem Spaziergang in seiner sibirischen Strafkolonie zusammengebrochen und habe sofort das Bewusstsein verloren. Wiederbelebungsversuche von Sanitätern hätten keinen Erfolg gehabt.

Nawalnys Team hat nach eigenen Angaben dagegen noch keine direkte Bestätigung seines Todes erhalten. Das schrieb seine Sprecherin Kira Jarmysch am Freitag auf X. Bislang gebe es nur die allgemeine Mitteilung des Justizvollzugssystems im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen über seinen Tod im Straflager, sagte sie. Nawalnys Anwalt sei unterwegs in das Lager IK-3 in dem Ort Charp nördlich des Polarkreises. "Sowie wir Informationen haben, werden wir berichten", schrieb Jarmysch. Der kremlkritischen Zeitung "Nowaja Gaseta" sagte er außerdem: "Auf Entscheidung von Alexej Nawalnys Familie kommentiere ich überhaupt nichts."

Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte unterdessen, Präsident Wladimir Putin sei in Kenntnis gesetzt worden. Weitere Details nannte er zunächst nicht.

Nawalny ist unter anderem wegen angeblichem "Extremismus" zu insgesamt 19 Jahren Lagerhaft verurteilt worden. International jedoch wird der Politiker, der 2020 nur knapp einen Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok überlebte, als politischer Gefangener eingestuft. Menschenrechtsorganisationen fordern seit langem Nawalnys Freilassung.

Nach dem Giftanschlag in Russland war Nawalny im August 2020 zur Behandlung nach Deutschland ausgereist. Während der Genesung verbrachte er auch einen Tag in Dresden. In Sachsens Landeshauptstadt besuchte er unter anderem die ehemalige Wohnung Putins und sammelte brisantes Material gegen den Kreml-Chef. Die Informationen veröffentliche er schließlich in einem Video mit dem Titel „Ein Palast für Putin“.

Im Januar 2021 kehrte er schließlich nach Russland zurück und wurde noch am Flughafen verhaftet.

Schon im vergangenen Dezember war der als politischer Gefangener eingestufte Politiker über mehrere Wochen verschwunden. Im Nachhinein erwies sich, dass die Justiz ihn aus dem europäischen Teil Russlands in ein Straflager im hohen Norden Sibiriens verlegt hat. Nawalny vermutete, dass er dort vor der anstehenden Präsidentenwahl im März möglichst isoliert werden sollte.

Russische Medien veröffentlichen am Freitag Video von kürzlichem Nawalny-Auftritt

Kurz nach der Nachricht über den Tod Nawalnys haben unabhängige russische Medien ein Video veröffentlicht, das den Oppositionellen während eines Gerichtstermins am Donnerstag zeigen soll. Nur einen Tag vor seinem Tod habe Nawalny den Umständen entsprechend noch "fröhlich, gesund und munter" gewirkt, schrieben etwa die Journalisten des Kanals "Sota" am Freitag auf Telegram.

Dazu zeigten sie einen rund 30 Sekunden langen und tonlosen Clip, auf dem zu sehen ist, wie Nawalny spricht und lächelt. Er war demnach per Videoschalte in den Gerichtssaal zugeschaltet.

Nawalny führte immer wieder Klagen gegen den Strafvollzug wegen Verletzung seiner Rechte. Er nutzte die Gerichtsauftritte nicht zuletzt zur beißenden Kritik an Putins autoritärem System und Moskaus Krieg gegen die Ukraine. Zuletzt wurde Nawalny mit Beginn des Wahlkampfes zu den Verhandlungen nicht mehr zugeschaltet.

Nawalny wurde international als politischer Gefangener anerkannt. Die USA, die EU sowie die Bundesregierung hatten sich in den vergangenen Wochen immer wieder besorgt gezeigt und die russische Führung aufgefordert, über Nawalnys Verbleib zu informieren. Russland wies dies aber als Einmischung in seine inneren Angelegenheiten zurück. Der Kreml teilte auch mit, dass er sich nicht um das Schicksal von Gefangenen in Russland kümmern könne.

Alexej Nawalny wurde nur 47 Jahre alt. Er hinterlässt seine Frau und eine Tochter.

Kanzler Scholz: "Wir wissen nun auch ganz genau, spätestens, was das für ein Regime ist"

Bundeskanzler Olaf Scholz hat entsetzt auf Berichte über den Tod des führenden russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny in einem russischen Gefängnis reagiert. "Wir wissen aber nun auch ganz genau, spätestens, was das für ein Regime ist", sagte der SPD-Politiker am Freitag in Berlin.

Er erinnerte bei einer Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj daran, wie er Nawalny in Berlin getroffen habe, als dieser sich in Deutschland von einem Giftanschlag zu erholen versucht habe. Dabei habe er mit Nawalny auch über den großen Mut geredet, den es erfordere, wieder zurückzugehen in das Land. Scholz: "Und wahrscheinlich hat er diesen Mut jetzt bezahlt mit seinem Leben."

Scholz sagte, wer in Russland Kritik äußere und sich für die Demokratie einsetze, müsse um Sicherheit und Leben fürchten. "Wir sind bei der Familie, der Frau und dem Kind und all den Angehörigen und Freunden", sagte Scholz. "Und es ist etwas ganz Furchtbares, auch als ein Zeichen, wie sich Russland verändert hat. Nach den nun schon leider lange zurückliegenden hoffnungsvollen Entwicklungen, die in Richtung Demokratie gegangen waren, ist das längst keine Demokratie mehr."

Vizekanzler Robert Habeck hat ebenfalls bestürzt auf den Tod des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny reagiert. "Alexander Nawalnys Tod erschüttert mich bis ins Mark", sagte der Wirtschafts- und Klimaschutzminister am Freitag. "Das Regime Putin hat ihn auf dem Gewissen."

Habeck sagte, Nawalny habe sein Leben verloren in seinem Einsatz für ein besseres Russland. "Er war ein Patriot, der sich für Demokratie und den Rechtsstaat einsetzte und sein Land und die Menschen dort liebte. Mehr als sein eigenes Leben."

Trotz Lebensgefahr sei er nach Russland zurückgekehrt, so Habeck. "Meine Gedanken sind jetzt bei seiner Frau Julija Nawalnaja und allen, die wie Alexander Nawlny für ein freies Russland kämpfen."

Die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel lastet den Tod Nawalnys ebenso dem russischen Staat an. "Er wurde Opfer der repressiven Staatsgewalt Russlands. Es ist furchtbar, dass mit ihm eine mutige, unerschrockene und sich für sein Land einsetzende Stimme mit fürchterlichen Methoden zum Verstummen gebracht wurde", erklärte die CDU-Politikerin am Freitag in Berlin. "Meine Gedanken sind bei seiner Frau, seinen Kindern, seinen Freunden und seinen Mitarbeitern."

Bestürzung nach Tod Nawalnys - Putin "wie ein Mafia-Pate"

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Michael Roth (SPD), schrieb am Freitag auf X, Russlands Präsident Wladimir Putin handele "wie ein Mafia-Pate, ganz in der Tradition Stalins: Hin und wieder ein Auftragsmord, um kritische Geister, die seine Allmacht infrage stellen, einzuschüchtern". Russland sei eine Diktatur aus dem Lehrbuch.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach nannte Nawalny auf X einen Helden. "Durch seinen Widerstand hat er früh der Welt klargemacht, dass Putin ein rücksichtsloser Verbrecher im Amt ist."

Die Vizepräsidentin des Bundestags, Katrin Göring-Eckardt, schrieb auf X: "Was für ein mörderisches System. Nawalny war Putins Angstgegner." Er habe für ein Russland gestanden, in dem Meinungen frei und Wahlen fair seien. Grünen-Chef Omid Nouripour schrieb auf X: "Sein Mut lebt weiter in den Menschen, die sich gegen die russische Diktatur stellen."

Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen bezeichnete Nawalnys Tod auf X als "schrecklich und traurig". Nawalny sei "ein großer Mann mehr, den Putin auf dem Gewissen hat." (SZ/mit dpa)