Schon seit Wochen hatte die Bundespolizei im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge mit immer aggressiver agierenden Menschenhändlern zu tun. Nun ist der neuerliche Fluchtversuch eines Schleusers auf der Autobahn A17 in der Katastrophe geendet. Sein Wagen überschlug sich, ein Mensch kam ums Leben. Sieben weitere wurden verletzt.
Wie ein Sprecher der Bundespolizeidirektion Pirna sächsische.de mitteilte, wollten Beamte der Inspektion Berggießhübel am Donnerstagmorgen kurz nach 6 Uhr einen Kleintransporter Renault Trafic mit Berliner Nummer kontrollieren, der aus Tschechien einreiste. Auf das Zeichen, zum Parkplatz Am Heidenholz einzubiegen, reagierte der Mann am Steuer jedoch nicht, sondern gab stattdessen Gas.
In der Folge fuhr das Auto weiter Richtung Dresden, "in verkehrsgefährdender Weise", wie der Sprecher erklärte. Kurz nach der Anschlussstelle Bahretal kam der Transporter nach rechts von der Fahrbahn ab, durchbrach einen Wildschutzzaun, raste über ein abgeerntetes Getreidefeld und über die Böschung einer dahinter verlaufenden Nebenstraße, worauf sich das Fahrzeug überschlug. Dabei kam einer der Insassen, eine zwanzig Jahre alte Frau, zu Tode.
Keine Sitze im Fahrzeug
Weitere sieben Menschen, die sich im Laderaum befanden, wurden bei dem Unfall teils schwer verletzt und mussten in umliegende Krankenhäuser gebracht werden, zwei von ihnen mit dem Rettungshubschrauber. Wie das Klinikum in Pirna bestätigt, wurde eine Person im Haus notoperiert und befindet sich nun in der stationären Versorgung. Wie es um die anderen steht, wurde zunächst nicht bekannt. Im Fahrzeug waren weder Sitze noch sonstige Sicherungseinrichtungen vorhanden.
Der Fahrer des Renault flüchtete vom Unfallort. Laut Zeugenaufruf der Polizei, der umgehend veröffentlicht wurde, handelte es sich um einen zwanzig bis dreißig Jahre alten Mann südländischer Erscheinung. Zahlreiche Einsatzkräfte und ein Hubschrauber nahmen die Verfolgung auf. Der Flüchtige konnte schließlich kurz nach 9 Uhr mithilfe eines Fährtenhundes der Landespolizei im Bereich der nahen Agrargenossenschaft Niederseidewitz gestellt werden. Die Öffentlichkeitsfahndung wurde daraufhin abgebrochen.
Auch der mutmaßliche Schleuser erlitt bei dem Unfall Verletzungen. Er sei in ein Krankenhaus gebracht worden und werde dort von Polizeibeamten bewacht, hieß es. Gleiches treffe auf die Geschleusten zu. Sie seien unter Umständen wichtige Zeugen gegen den Fahrer des Wagens und eventuelle Mittäter.
Über die Identität und die Herkunft der Menschen im Laderaum war bis zum späten Nachmittag nichts Näheres bekannt. Aufgrund der Umstände hätten noch keine Befragungen stattfinden können, teilte die Pirnaer Bundespolizeidirektion mit. Auch die Vernehmung des Schleusers stehe wegen der medizinischen Behandlung noch aus.
Aufwendige Spurensicherung im Trümmerfeld
Die Ermittlungen in dem Fall hat die Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung mit Sitz in Halle übernommen. Das Landeskriminalamt Sachsen leistet Unterstützung. Am Unfallort waren den ganzen Tag über Arbeiten am Fahrzeugwrack und im Umfeld im Gange. Aufgrund des großen "Spurenbildes" mit weit verstreuten Trümmerteilen und privaten Gegenständen erfordere die Sicherung sehr viel Zeit, hieß es.
Michael Wallat, Chef der Bundespolizeiinspektion Berggießhübel, deren Streife die Schleusung entdeckt hatte, zeigte sich tief betroffen vom Geschehen. Es gehe um maximale Gewinne an der Ware Mensch, sagte er, gepaart mit wachsender Rücksichtslosigkeit der Täter. "Die schlimmstmögliche Steigerung haben wir heute erlebt."
Wallat stellte gegenüber sächsische.de klar, dass seine Beamten Fahrzeugverfolgungen wie diese mit Augenmaß durchführten. Es gehe nicht darum, Täter bei Schleusungshandlungen unter Einsatz aller Mittel zu stellen. Stattdessen werde Fühlung gehalten, würden weitere Kräfte herangeführt. So sei es auch diesmal gewesen. Eine zweite Streife sei im Begriff gewesen, ins Geschehen einzugreifen, als der flüchtige Renault urplötzlich die Straße verließ. Warum das passierte, sei unklar.
Beinahe-Katastrophe erst zwei Wochen her
Die Tragödie von Bahretal wirkt wie die Blaupause eines Vorfalls, der sich, fast auf die Stunde genau, vor zwei Wochen zugetragen hatte. Am Morgen des 29. Juni hatte sich ein baugleicher Renault-Transporter, gleiche Farbe, ebenfalls mit Berliner Kennzeichen, beim Abfahren von der A17 nahe Heidenau der Kontrolle durch Berggießhübeler Bundespolizisten entzogen und war davon geprescht.
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Bei der anschließenden Verfolgungsjagd durchbrach der Renault mehrere Straßensperren, wobei er zuletzt bei Dohma mit einem Streifenwagen kollidierte. Daraufhin flüchtete der Fahrer aus der Kabine und überließ die 17 Migranten im Laderaum ihrem Schicksal. Der Wagen rollte führerlos einen Abhang hinunter und blieb im Wald stecken. Die Geschleusten erlitten Prellungen und Knochenbrüche.
Der Schleuser konnte damals trotz Hubschrauber- und Hundeeinsatzes nicht gefunden werden. Auch in diesem Fall ermittelt die Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung. Von dort hieß es diese Woche, dass es "vielversprechende Ansätze" gebe.
Unterdessen rechnet die Inspektion Berggießhübel mit anhaltend hohem Migrationsdruck auf ihren Zuständigkeitsbereich. Jedenfalls lassen die jüngsten Zahlen für Michael Wallat, den Inspektionschef, kaum einen anderen Schluss zu. Binnen zwei Wochen hat seine Einheit im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge dreißig Schleusungen registriert. Dabei wurden insgesamt 270 Personen aufgegriffen.