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Sachsens Innenminister lobt Polizeieinsatz am "Tag X" - "Das wäre eine Schlacht geworden"

In Leipzig ist am 3. Juni die Versammlungsfreiheit ausgehebelt worden, sagen Kritiker. Der Innenminister hält das Vorgehen der Polizei dagegen für alternativlos.

Von Karin Schlottmann
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Bei Protesten gegen das Urteil gegen Lina E. in Leipzig hat die Polizei am 3. Juni nach Räumung eines Platzes hunderte Demonstranten eingekesselt.
Bei Protesten gegen das Urteil gegen Lina E. in Leipzig hat die Polizei am 3. Juni nach Räumung eines Platzes hunderte Demonstranten eingekesselt. © Robert Michael/dpa

Etwa sechs Stunden dauerte die Sitzung des Landtags-Innenausschusses zum Demonstrationsgeschehen und dem Einsatz der Polizei am 3. Juni. Die Abgeordneten diskutierten am Montag vor allem über die Rechtmäßigkeit des sogenannten Polizeikessels – wie immer hinter verschlossenen Türen.

Abgeordnete von Grünen, SPD und Linkspartei blieben auch nach der Sitzung bei ihrer Kritik: Die Einkesselung von rund 1.000 Personen, darunter Unbeteiligte und Minderjährige, sei nicht verhältnismäßig gewesen. Die Polizei hatte die Menge bis zum frühen Morgen festgesetzt, um die Identitäten festzustellen. Grund hierfür war der Verdacht des Landfriedensbruchs.

Vorausgegangen war der bundesweite Aufruf zu einer gewalttätigen Demonstration nach dem Urteil gegen die Linksextremistin Lina E. und drei weitere Angeklagte zu Haftstrafen. Die Demonstration war untersagt worden, weil die linksextreme Szene Sachschäden in Millionenhöhe angedroht hatte. Nach dem Verbot sollte am gleichen Wochenende ursprünglich eine weitere Versammlung stattfinden.

Innenminister Armin Schuster (CDU) lobte den Einsatz der Polizei als sehr erfolgreich. Der „sehr professionelle Einsatz“ habe sich über drei Tage hingezogen. In „hervorragender Zusammenarbeit“ mit der Stadt sei es möglich geworden, an dem Wochenende trotz der angekündigten Krawalle ein Stadtfest, ein großes Konzert, ein Pokalspiel und weitere Veranstaltungen stattfinden zu lassen.

Mangelnde Kooperation der Demonstranten

Die Umschließung, wie Schuster den Polizeikessel nannte, sei die Folge von Straftaten gewesen, darunter auch ein Angriff auf einen Beamten, den die Staatsanwaltschaft als versuchten Mord einstuft. Die Festsetzung der rund 1.000 Personen sei mit Lautsprecheransagen angekündigt worden. Es habe die Möglichkeit bestanden, zu gehen oder sich zu distanzieren.

Auch später wäre es jederzeit möglich gewesen, den Platz nach Angabe der Personalien sofort zu verlassen. Von dieser Möglichkeit habe jedoch niemand Gebrauch gemacht. Wegen der mangelnden Kooperation habe sich das Prozedere etwa elf Stunden hingezogen, sagte Schuster. Laut Strafprozessordnung darf eine Freiheitsentziehung zum Zwecke der Identitätsfeststellung die Dauer von zwölf Stunden nicht überschreiten.

Schuster zufolge wäre es keine Alternative gewesen, die Demonstration laufen zu lassen und die circa 300 Gewalttäter gezielt herauszugreifen. „Das wäre eine Schlacht geworden.“ Straftäter aus einer Menge zu holen, sei eine maximale Provokation, die zu massiven Ausschreitungen und einer „Scherbendemo“ geführt hätte.

Elf Stunden bei sieben Grad

Der Grünen-Innenpolitiker Valentin Lippmann kritisierte die Missachtung der Demonstrationsfreiheit, wie er sagte. Die Stadt Leipzig habe durch ihr Vorgehen zum Ausdruck gebracht, dass man an dem Wochenende lieber seine Ruhe haben wollte. Die Polizeiführung habe im Innenausschuss zugegeben, dass der Einsatzleitung die hohe Zahl der umschlossenen Menschen zunächst nicht bekannt sei. Die Einsatzleitung habe über die Zustände auf dem Platz nichts gewusst, kritisierte auch die Linke-Abgeordnete Kerstin Köditz. Lippmann: „Ich erwarte von der Polizei auch in schwierigen Lagen besonnenes Handeln“.

Albrecht Pallas (SPD) sagte, Kollateralschäden dürften nicht billigend in Kauf genommen werden. Auch eine fehlende Mitwirkung von Beschuldigten könne nicht dazu führen, dass Menschen ohne ausreichende sanitäre Versorgung bei Temperaturen um die sieben Grad elf Stunden festgehalten würden. Das sei offensichtlich unverhältnismäßig. Der Innenausschuss will die Beratungen in der nächsten Woche fortsetzen.