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Dresdner Bischof geht gegen Pallottiner-Mönche vor

Das Dresdner Bistum hatte Erkenntnisse zur Vertuschung von sexuellem Missbrauch beim Pallottiner-Orden. Doch es hielt sie zunächst zurück.

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Seit 2010 wird die Katholische Kirche immer wieder von schweren Missbrauchsfällen erschüttert.
Seit 2010 wird die Katholische Kirche immer wieder von schweren Missbrauchsfällen erschüttert. © Friso Gentsch/dpa

Von Jens Schmitz*, Tobias Wolf und Ulrich Wolf

Dresden/Freiburg. In einem Kirchenrechtsstreit katholischer Diözesen um den Umgang mit Missbrauchsvorwürfen hat das Bistum Dresden-Meißen eine zunächst zurückgehaltene, politisch heikle Vertuschungsuntersuchung doch noch nach Rom verschickt.

Durch Recherchen von Badischer Zeitung und saechsische.de war Anfang Mai ein Fall von Missbrauch an einer jungen Frau aus Sachsen bekannt geworden, der sich 1990 beim Pallottiner-Orden in Bayern ereignet haben soll.

Der Dresdner Bischof Heinrich Timmerevers empfiehlt dem Vatikan demnach nun, die deutsch-österreichische Provinz des Pallottiner-Ordens zu kontrollieren. Der römischen Glaubenskongregation sei die Überprüfung des Umgangs mit Hinweisen auf Anhaltspunkte für sexuellen Missbrauch und dessen Vertuschung in der deutschen Provinz der Pallottiner empfohlen worden, teilt ein Pressesprecher des Dresdner Bistums mit.

Die Glaubenskongregation bedankt sich in einem Schreiben für „umfangreiches Aktenmaterial“ und bestätigt, dass gegenüber einem Pallottinerpater eine kirchenrechtliche Anzeige „wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen“ vorliege, gegen einen Mitbruder sowie gegen den Leiter der Pallottiner-Provinz außerdem je eine Anzeige „wegen Beeinflussung oder Umgehung der Untersuchungen“ der Straftat.

Bistümer müssen sich korrigieren

Der Versand an den Vatikan erfolgte, kurz nachdem SZ und BZ sowohl die Existenz der Untersuchung als auch ihre Zurückhaltung öffentlich gemacht hatten. Das Bistum Dresden-Meißen hatte lange den Eindruck erweckt, eine im März 2020 eingeleitete Voruntersuchung gegen den Pallottiner-Chef ergebnislos eingestellt zu haben.

Das Bistum hatte dazu erklärt, das Verfahren sei „nicht zu Ende geführt“ worden. Es habe in der Sache weder Zwischen- noch Abschlussergebnisse gegeben; über einen Antrag auf Visitation (Überprüfung) sei nur „anfangs“ nachgedacht worden.

Im Juli hatten SZ und BZ nachgewiesen, dass der Abschlussbericht mit der Überprüfungsempfehlung Bischof Timmerevers seit mehr als sieben Monaten vorlag. Kurz darauf entschloss er sich offenbar doch zum Versand an den Vatikan.

Dresden ist nicht die einzige Diözese, die in dem Missbrauchsfall unklar agiert hat. Das Erzbistum Freiburg, das mit dem Pallottiner-Orden Arbeitsverträge unterhält, hatte zunächst behauptet, von der Existenz des Verfahrens gegen den Provinzial nichts zu wissen.

Erst auf Nachfrage räumte es ein, darin sogar Zeugen befragt zu haben. Das Bistum Augsburg musste sich zum Erhalt von Unterlagen korrigieren. Im Hintergrund schwelt ein Streit um die Missbrauchs-Ordnung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Sie soll ein bundesweit einheitliches Vorgehen sicherstellen. Im vorliegenden Fall hat das jedoch nicht funktioniert.

Den beiden Patres wird vorgeworfen, 1990 eine damals 22-jährige DDR-Bürgerin im Notaufnahmeverfahren sexuell missbraucht beziehungsweise ihren Missbrauch gedeckt zu haben. Sie bestreiten die Vorwürfe. Nachdem die Betroffene bei den Pallottinern und der Erzdiözese Freiburg vergeblich vorstellig geworden war, hatte der Dresdner Bischof im März 2020 unter Berufung auf die Missbrauchs-Ordnung der Deutschen Bischofs-Konferenz kanonische Voruntersuchungen eingeleitet.

Erzbistum Freiburg unternahm nichts

Im November desselben Jahres hatte er wegen „tatsächlicher Anhaltspunkte“ für Missbrauch an einer Schutzbedürftigen Seelsorgeverbote gegen die beiden Patres verhängt, solange sie nicht ihre Unbedenklichkeit nachwiesen.

Die deutsche Missbrauchs-Ordnung gibt dazu Wege vor. Andere Bistümer, darunter auch Augsburg, verlangten vom Pallottiner-Orden zumindest, die Geistlichen für die Dauer des Verfahrens nicht seelsorgerlich einzusetzen. Im Gegensatz dazu unternahm das Erzbistum Freiburg nichts, um den Einsatz auf seinem Gebiet einzuschränken: Die Vorwürfe seien „nicht bewiesen oder plausibilisiert“.

In ihrem jüngsten Schreiben erläutert die Glaubenskongregation, dass sie nach kanonischem Recht für den Fall nicht zuständig sei. Theoretisch liegt die Entscheidung über Seelsorgeeinsätze außerhalb des Ordens damit wieder bei den deutschen Bischöfen, deren Missbrauchs-Ordnung strenger ist als die römischen Regeln.

Allerdings hat sich auch der hauptbeschuldigte Pallottinerpater an den Vatikan gewandt, wo zudem kirchenrechtliche Fragen der Klärung harren. Die Glaubenskongregation verweist entsprechend auf weitere Vatikanbehörden. „Der entsprechende Abstimmungsprozess ist derzeit im Gange“, heißt es dazu aus Dresden. „Das Bistum Dresden-Meißen hat um entsprechende Rückinformation aus Rom gebeten.“

*Jens Schmitz ist Südwest-Korrespondent der Badischen Zeitung.