Sachsen
Merken

Morgenlage in Sachsen: Osten drängt auf Wirtschaftsförderung, "Tag X", Wagenknecht-Vertraute

Ermittlungen gegen Polizisten nach "Tag X" + Solar-Konzern vor Abwanderung + Sachsens Linke fordert Wagenknecht-Vertraute zum Austritt auf

Von Maximilian Helm
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Nach den gewaltvollen Protesten in Leipzig um den "Tag X" wird nun gegen Polizisten ermittelt.
Nach den gewaltvollen Protesten in Leipzig um den "Tag X" wird nun gegen Polizisten ermittelt. © dpa

"Politik in Sachsen - Die Morgenlage" als E-Mail-Newsletter - hier kostenlos anmelden

Guten Morgen,

da ist es wieder, dieses Wort, das ich nicht mag, das mich aber seit mehr als 25 Jahren begleitet. Die Rede ist vom „Aufholprozess“. Den „der Osten“, den es so eigentlich auch nicht gibt, jetzt aber endlich mal kräftig hinlegen soll, wenn es nach den „Handlungsempfehlungen“ des Instituts für Wirtschaft geht. Wie sollen Wachstumshemmnisse für Unternehmen in Ostdeutschland beseitigt werden – interessante, gut gemeinte, fachlich fundierte Ratschläge haben die Wissenschaftler jetzt vorgelegt. Da kommt das Wort „Aufholprozess“ gleich mehrmals vor. Und es klingt in meinen Ohren immer noch so, als würde den Menschen wie einem Pferd eine Möhre vor die Nase gehalten, damit sie begierig danach beginnen loszulaufen.

Dabei sind doch so viele längst außer Atem, irgendwo am Wegesrand dieses Dauerlaufs ermüdet liegengeblieben. Manche haben sich immer wieder neu erfinden müssen, wie man das heute so nett und blumig umschreibt, wenn – wie so oft und so vielen widerfahren – Menschen nach 1989 zwei- bis dreimal nochmal durchstarten und sich beruflich „neu orientieren“ mussten. Wie kann Sprache doch harte Lebenserfahrungen nachträglich in Watte packen und fast vergessen lassen, wie anstrengend er war, der „Aufholprozess“. Der schier nie enden will.

Ich mag dieses Wort vom „Aufholprozess“ einfach nicht, auch weil es suggeriert, man müsste immer blind den anderen folgen, die angeblich vorne sind. Doch wo ist eigentlich vorne? Und was heißt „ankommen“, wenn am Ende dann – wie noch immer so oft, auch im Jahr 2023 noch – doch weniger Geld bei deutlich mehr Arbeitsstunden rauskommt. Es geht um Gerechtigkeit. Mehr als 30 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung. Wann wird dieser „Aufholprozess“ wohl enden?

Herzlichst,

Ihre Annette Binninger
Leiterin Politikredaktion Sächsische.de

Die wichtigsten News am Morgen

Ost-Länder drängen auf mehr Wirtschaftsförderung

Die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Bundesländer planen einen gemeinsamen Vorstoß, um den wirtschaftlichen Aufholprozess in ihren Ländern zu fördern. Grundlage für den Vorstoß der Länder ist ein Gutachten des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft, welches der Freistaat Sachsen in Auftrag gegeben hat. Wichtigstes Wachstumshemmnis für die Betriebe im Osten sei die Kleinteiligkeit der Unternehmenslandschaft. Die Autoren des umfangreichen Gutachtens empfehlen deshalb eine noch stärker auf den Mittelstand ausgerichtete Wirtschaftspolitik.

Nach "Tag X" - Ermittlungen gegen Polizisten

Im Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz rund um die Demonstrationen gegen die Verurteilung der Linksextremistin Lina E. in Leipzig wird nun auch gegen zwei Polizeibeamte ermittelt. Es bestehe der Anfangsverdacht einer Straftat durch Polizisten, teilte das Innenministerium mit. Dazu kommen zwei sogenannte Prüfvorgänge. Die Situation war am 3. Juni eskaliert, als Polizisten während einer Demonstration mit Steinen, Flaschen, Böllern und einem Molotowcocktail attackiert worden waren. Die Einsatzkräfte hatten mehr als 1.000 Menschen eingekesselt, darunter auch Minderjährige. Kritiker werfen der Polizei vor, dass das stundenlange Festhalten der Demonstranten rechtswidrig gewesen sei. Wie die Freie Presse berichtet, soll zudem ein WC-Wagen vorzeitig abgezogen worden sein. Mit den Krawallen und dem Vorgehen der Einsatzkräfte beschäftigte sich am Mittwoch auch der Leipziger Stadtrat. Ratsmitglieder der Grünen und der Linken sprachen von einem "völlig überzogenen Polizeieinsatz", der eines Rechtsstaates "unwürdig" gewesen sei.

Kritik gibt es auch an der JVA Leipzig: Externe Kontrolleure prüfen die medizinische Versorgung eines im Rahmen der "Tag X"-Demos inhaftierten Mannes mit Epilepsie. Der Vorwurf: Die während der Proteste am „Tag X“ nach der Verurteilung von Lina E. inhaftierten Personen würden unter „katastrophalen“ Bedingungen leiden. Die JVA weist nach einem LVZ-Bericht die Vorwürfe zurück.

Rückzug von Solarkonzern aus Deutschland?

Das Fotovoltaikunternehmen Meyer Burger produziert in Sachsen und Sachsen-Anhalt und hat dort knapp 1.500 Beschäftigte. Das ZDF hatte über einen Brief von Firmenchef Gunter Erfurt an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) berichtet, in dem er angeblich vor einer Abwanderung der Solarindustrie warnt. Während in den USA der rote Teppich ausgerollt werde, gebe es in Europa sehr schlechte Marktbedingungen, legte Erfurt dann am Mittwoch bei einer Podiumsdiskussion auf der Messe Intersolar in München nach. Meyer Burger erwägt den Berichten zufolge, die "Projekte für die weitere Solarfertigung in Deutschland zunächst abzubrechen und stattdessen in die USA zu verlagern". Passende Gebäude seien schon gefunden.

Sachsens Linke fordert Austritt von Wagenknecht-Vertrauter

Im Streit um die Gründung einer neuen Partei von Sahra Wagenknecht auch in Sachsen ist die ehemalige Zwickauer Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Linken-Fraktionsvorsitzende Sabine Zimmermann von Sachsens Linken-Spitze zum Parteiaustritt aufgefordert worden. Zimmermann kündigte an, den Brief von Susanne Schaper und Stefan Hartmann nicht zu beantworten, berichtet die Freie Presse. Ohne Wagenknecht würde eine Neugründung kaum Sinn machen, so Zimmermann. Die Linke verkenne, wie viele Mitglieder mitgehen würden. Sachsens Linke wollte sich zu dem Brief nicht äußern. Ein Interview mit Sabine Zimmermann über die Linke und Sahra Wagenknecht lesen Sie in der Freien Presse.

Der Newsletter "Politik in Sachsen"

© sächsische.de

>> Noch mehr News, die Titelseiten-Übersicht aller sächsischen Zeitungen und die Terminvorschau gibt es in der Komplettversion der "Morgenlage" jeden Morgen 5 Uhr bequem als E-Mail-Newsletter. Interesse? Dann hier kostenlos den Newsletter bestellen. <<