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Opfer von Chemnitzer Neonazi-Demo empören sich über Justiz

Fünf Jahre nach einer Rechtsextremen-Demo in Chemnitz wird das Verfahren gegen drei Angeklagte eingestellt: gegen Zahlung von je 1.000 Euro. Die Opfer sind entsetzt.

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Das Vorgehen des Landgerichts Chemnitz zu den Exzessen von Rechtsextremen auf einem "Schweigemarsch" im September 2018 stößt auf Unverständnis.
Das Vorgehen des Landgerichts Chemnitz zu den Exzessen von Rechtsextremen auf einem "Schweigemarsch" im September 2018 stößt auf Unverständnis. © Jan Woitas/dpa

Chemnitz. Das Landgericht Chemnitz hat das Verfahren gegen drei Angeklagte, die bei einer von Rechtsextremen durchsetzten Demonstration am 1. September 2018 in Chemnitz, Landfriedensbruch und Körperverletzung begangen haben sollen, eingestellt. Das teilte eine Gerichtssprecherin am Freitag mit. Die Angeklagten müssten jeweils 1.000 Euro zahlen, danach sei das Verfahren beendet.

Opferverbände sprachen von einem Skandal. "Die Einstellungen zeigen dramatisch, wie der Rechtsstaat Betroffene rechter Gewalt in Sachsen im Stich lässt", sagte Heike Kleffner vom Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Bei dem Protest vor mehr als fünf Jahre war es auch zu Angriffen auf Gegendemonstranten der Bewegung "Herz statt Hetze" gekommen.

Anna Schramm von der Demokratie-Beratungsstelle RAA Sachsen sagte, die Betroffenen hätten vor Gericht die bedrohlichen Szenen erneut durchleben müssen. Demgegenüber seien die Täter "nach ein paar emotionslosen Zeilen" ohne Verurteilung geblieben. "Dies ist ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen."

Nebenklage-Anwältin Kati Lang sagte, die bisherigen Einstellungen seien "ein Freifahrtschein für den rechten Mob". Das Versprechen von konsequentem Vorgehen und effektiver Strafverfolgung bei rechten Gewalttaten sei wieder einmal ins Leere gelaufen. Ihre Kollegin Onur Özata sprach von "schlampigen Ermittlungen und teilnahmslosen Richtern". Gerade in diesen Tagen sei es ein "fatales Signal an die Betroffenen rechter Gewalt, dass die Vollstrecker rassistischer Vertreibungsfantasien völlig straffrei ausgehen".

"Adolf Hitler unser Führer"

Die Gerichtssprecherin betonte, die Verfahrenseinstellung sei von der Generalstaatsanwaltschaft angeregt worden, nachdem die angeklagten Männer aus Niedersachsen und Sachsen eine Erklärung abgegeben hätten. Einer ihrer Rechtsanwälte sagte dazu, man habe dem Vorgehen "aus Opportunitätsgründen zugestimmt". Dies sei aber nicht als Geständnis anzusehen.

Zum Prozessauftakt im vorigen Dezember hatte die Generalstaatsanwaltschaft den Männern vorgeworfen, im Anschluss in einer Gruppe von zeitweise mehr als 30 Beteiligten durch die Stadt gezogen zu sein, um Gegendemonstranten einzuschüchtern. Dabei hätten sie Gegner eingekreist und mit Fäusten ins Gesicht geschlagen. Die Angreifer sollen "Adolf Hitler unser Führer", "Deutschlandverräter" und "Scheiß Zecken" gerufen haben. Ein Mann, den sie als Migrant identifizierten, sei durch einen Park verfolgt worden. Auch eine aus Hessen angereiste Gruppe von Sozialdemokraten und SPD-Sympathisanten war attackiert worden. Die Anklage lautete auf Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung in elf Fällen.

Von neun Angeklagten blieben drei übrig

Von ursprünglich neun Angeklagten waren noch sechs verblieben, zwei erschienen nicht zur Verhandlung, darunter ein bekannter Neonazi-Blogger aus Dortmund. Ihre Verfahren wurden abgetrennt. Gegen einen weiteren Mann war das Verfahren später vorläufig eingestellt worden, sodass zuletzt nur noch gegen drei Männer verhandelt wurde. Eigentlich waren Verhandlungstermine bis Ende Januar geplant.

Der Fall reicht zurück in den Spätsommer 2018. Nach dem gewaltsamen Tod eines Deutschen im Streit mit Asylbewerbern war es damals in Chemnitz zu Demonstrationen und Ausschreitungen gekommen, zu denen Rechtsextreme aus dem ganzen Bundesgebiet anreisten. So auch bei einem sogenannten Trauermarsch von AfD, Pegida und Pro Chemnitz. (dpa)