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Plädoyers im "Schelm"-Prozess: Verbreitung rechtsextremer Ideologie als Ziel

Hetze als Geschäftsmodell: Die Bundesanwaltschaft fordert beim Prozess in Dresden für drei Mitarbeiter des Verlags "Der Schelm" Freiheitsstrafen.

Von Alexander Schneider
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Drei Angeklagten - zwei Männer aus Sachsen und eine Frau aus Brandenburg - wird die Gründung von und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Am Donnerstag begannen die Plädoyers.
Drei Angeklagten - zwei Männer aus Sachsen und eine Frau aus Brandenburg - wird die Gründung von und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Am Donnerstag begannen die Plädoyers. © Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Dresden. Der Prozess gegen Mitarbeiter eines rechtsextremen Verlags am Oberlandesgericht Dresden steht vor dem Ende. Am Donnerstag plädierte die Generalbundesanwaltschaft auf Freiheitsstrafen für das Trio – wegen Gründung einer beziehungsweise Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Volksverhetzung.

Wer Schriften verbreitet, die zu Hass und Gewalt aufrufen, kündige den gesellschaftlichen Grundkonsens eines friedlichen Zusammenlebens, argumentierten die Bundesanwälte. Menschenverachtende Worte können zu tödlicher Gewalt führen. Ziel der Vereinigung sei neben finanziellen Interessen die Verbreitung der NS-Ideologie gewesen.

Die Verhandlung gegen zwei Männer und eine Frau (38) begann Mitte März. Sie sollen zwischen 2018 und 2020 Tausende antisemitische, nationalsozialistische und volksverhetzende Bücher des Leipziger Verlags „Der Schelm“ verlegt und verkauft – und 800.000 Euro umgesetzt haben. Alle Angeklagten haben in dem Prozess Geständnisse abgelegt.

Bei ihrer Durchsuchung im Dezember 2020 stellte die Polizei weitere Schriften mit einem Verkaufswert von 900.000 Euro sicher. Der Verlag "Der Schelm" war 2014 in Leipzig gegründet worden. 2019 verlegten die Macher den Sitz nach Tschechien, noch später nach Thailand. Der gesondert verfolgte Verlags-Chef, Adrian P., tauchte vor Jahren ab. Er wird in Russland vermutet.

"Rassistisch geprägte Weltsicht"

Die Bundesanwaltschaft hielt den Angeklagten vor, sie hätten eine antisemitische Gesinnung und eine rassistisch geprägte Weltsicht. Der Verlag sei ein führender Akteur bei der Verbreitung von Hass und Hetze in Deutschland gewesen. Die drei hätten zwar darauf verwiesen, dass P. die Schlüsselfigur des Verlages gewesen sei. Aber auch sie seien "keine Nebendarsteller", sondern "elementarer Teil des Verlages" gewesen.

Die Bundesanwälte forderten nun für den vielfach vorbestraften, früheren Leipziger NPD-Stadtrat Enrico B. (41) eine Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten und seine frühere ehemalige Lebensgefährtin (38), auch vielfach vorbestraft, eineinhalb Jahre auf Bewährung. Enrico B. kennt den Sicherheitssaal des OLG in Dresden. Er wurde dort vor demselben Senat als Geschädigter vernommen - im Prozess gegen Lina E.

Für Mediengestalter Matthias B. (41), der sein Handwerk im NPD-Verlag „Deutsche Stimme“ in Riesa erlernt hat, wurden 20 Monate auf Bewährung gefordert. Er hatte umfassend ausgesagt und eine erhebliche Aufklärungshilfe geleistet, wie sein Verteidiger sagte.

Insgesamt hätten die Beschuldigten rund 34 800 Bücher mit volksverhetzendem Inhalt versandt und im Schnitt 40 Bestellungen pro Tag bearbeitet. Als strafmildernd wertete die Bundesanwaltschaft die Geständnisse der Angeklagten. Sie müssen auch mit erheblichen finanziellen Folgen ihres Handelns rechnen. Die Bundesanwaltschaft beantragte die Einziehung ihrer damaligen Entlohnung als Wertersatz. Im Fall des ehemaligen NPD-Politikers wurde eine Summe von mehr als 122.000 Euro genannt. Bei dem zweiten sind es knapp 41.000 Euro und bei der Frau knapp 18 000 Euro.

Der Verteidiger des "Aussteigers" schloss sich in einem kurzen Statement dem Plädoyer der Ankläger an. Kommenden Mittwoch werden die Plädoyers fortgesetzt, das Urteil soll am 29. April fallen. (mit dpa)