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Morgenlage in Sachsen: Chrupalla; Demo-Sonntag; Wagenknecht-Partei

Chrupallas Aussagen im Faktencheck + So lief der Demo-Sonntag in Dresden + Viele Parteieintritte bei Wagenknecht-Partei + Wie zwei Gastronomen der Krise trotzen

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Am Sonntag gab es einen Großeinsatz der Polizei in Dresden.
Am Sonntag gab es einen Großeinsatz der Polizei in Dresden. © Foto: dpa

Guten Morgen,

es gibt diese Auftritte von Politikern, die noch etwas länger in der öffentlichen Wahrnehmung nachhallen. Der Auftritt von AfD-Chef Tino Chrupalla, der sich gern als einfacher Handwerker aus der Lausitz präsentiert, vor fast einer Woche in der Talkshow von Markus Lanz ist so ein Beispiel dafür. Bei dem "Nachhall" geht es weniger um das, was Chrupalla gesagt hat, sondern mehr darum, was Lanz und die anderen Gäste der Sendung nicht gefragt, oder besser: hinterfragt haben.

Mein Kollege Sebastian Beutler, Leiter unserer Görlitzer Redaktion und Beobachter des Chrupalla-Aufstiegs von Beginn an, hat das nun nachgeholt. Seinen Faktencheck möchte ich Ihnen zum Wochenbeginn wärmstens ans Herz legen.

Zwei Beispiele aus seinem Text: Chrupalla behauptete bei Lanz wörtlich: "Wir haben es bei den Demonstrationen aktuell gesehen, wie hier agiert wird. Herr Kretschmer tritt in Görlitz mit Extremisten der Antifa auf. Mit Personen, die mir mein Haus anzünden wollten, die mein Auto anzündeten, die mich angreifen, mit solchen Personen steht Herr Kretschmer in Görlitz und demonstriert gegen wen eigentlich, gegen sich selbst?"
Tatsache ist, dass die Demonstration auf dem Marienplatz von einer Privatperson angemeldet und von der Initiative "Görlitz bleibt bunt" maßgeblich vorbereitet wurde, Menschen ganz unterschiedlicher politischer Ansichten folgten der Einladung. Kretschmer war einer von vielen Rednern an dem Tag. Unter den 2.000 Menschen auf dem Görlitzer Marienplatz war eine Antifa-Fahne zu sehen. Und bis heute ist nicht geklärt, wer das Auto von Chrupalla in Gablenz angezündet beziehungsweise die Anschläge auf sein Haus verübt hat.

Chrupalla sagte außerdem bei Lanz: "Wir sind die Grundgesetz-Partei." Offenbar vergisst er dabei aber, dass zum Grundgesetz auch die Pressefreiheit gehört. Chrupalla selbst hatte nach kritischen Berichten von Sächsische.de über eine Parteiveranstaltung in Niesky 2019 angekündigt, er wolle schwarze Listen über Journalisten führen und erbat Hintergrundinformationen "über als Journalisten getarnte Zersetzungsagenten". Wem das zu lange zurückliegt: Der Görlitzer AfD-Stadtrat Wolfgang Duschek schrieb jetzt unter einen Sächsische.de-Artikel im sozialen Netzwerk Facebook: "Es ist typisch SZ. Ein Verbot für dieses Blatt wäre ein Weg."

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die neue Woche.

Ihr Tobias Winzer, Politikredakteur Sächsische.de

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Das Wichtigste am Morgen:

Starker Protest gegen Neonazi-Demo

Mehrere Tausend Menschen haben am Sonntag gegen einen Aufmarsch Rechtsextremer anlässlich des Jahrestages der Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg protestiert. Nach Angaben der Polizei beteiligten sich in strömendem Regen knapp 5.000 Menschen am Gegenprotest. Bei der rechtsextremistischen Demonstration zählte die Polizei knapp 1.000 Teilnehmer. Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz. Sie trennte die Lager strikt. Versuche, die Polizeiketten zu durchbrechen und die Route der Rechtsextremisten zu besetzen, scheiterten allesamt. Der große Protest führte aber dazu, dass die Neonazis nicht die geplante Strecke laufen konnten. Der Tag in Bildern.

Dittrich: "Engagiert euch mehr gesellschaftlich"

Jörg Dittrich, Präsident der Dresdner Handwerkskammer und des Zentralverbandes des deutschen Handwerks, betrachtet die Zersplitterung von Einzelinteressen in der Gesellschaft, aber auch in den Parteien mit Sorge. "Und natürlich stelle ich mir die Frage, ob wir es mit der Individualisierung ein Stück übertrieben haben", sagt er im Podcast-Interview von Sächsische.de. Wo solle denn die Gemeinschaft der Gesellschaft entstehen, wenn immer mehr Menschen aus der Kirche austreten, aus Parteien, Vereinen oder der Freiwilligen Feuerwehr. "Da kann man nur bitten: Tretet in eine Partei ein, engagiert euch mehr gesellschaftlich, damit diese Diskussionen stattfinden, damit nicht eine kleine Gruppe von Menschen dann allein entscheidet." Im Gespräch räumt Dittrich auch mit einem Gerücht auf. Auf die Frage, ob er Ambitionen hege, einmal Wirtschaftsminister in Sachsen werden zu wollen, sagt er: "Ich glaube nicht, dass ich dort gut aufgehoben wäre." Aber Dittrich hat Ideen, womit sich ein Wirtschaftsminister am besten sofort beschäftigen sollte: Mit Bürokratieabbau und der Frage, wieso immer weniger Menschen ins unternehmerische Risiko gehen wollen.

Doch sind die fetten Jahre in der Wirtschaft wirklich vorbei? Unsere Analyse zeigt: Im Wohnungsbau herrscht Flaute, weil große und kleine Investoren zögern. Massive Existenzängste sind jedoch unbegründet – noch. Und es gibt auch Hoffnung auf Besserung. Derweil hat der Bauernverband "Land schafft Verbindung" in Sachsen eine Resolution verfasst, die nach eigenen Angaben von zahlreichen Landwirten, aber auch schon von mehr als 100 Chefs von Handwerksbetrieben und etlichen Bürgermeistern unterschrieben wurde. Dort gibt es auch ganz konkrete Forderungen.

Parteieintritte: Die meisten Anträge beim BSW

Alle Parteien melden bundesweit im Januar Mitgliederzuwachs. Auch im Landkreis Görlitz ist das der Fall. Rein zahlenmäßig gab es dort die meisten Anträge im Januar bei einer Partei, die gerade erst gegründet wurde: beim "Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)". Dieses hat im Kreis Görlitz zwar derzeit erst drei Mitglieder. Es seien aber seit Gründung am 8. Januar "mindestens weitere 64 Interessenten im Landkreis Görlitz" für eine mögliche Parteiaufnahme registriert, sagt Sprecher Jens Hentschel-Thöricht, ehemals Mitglied der Linken. Diese Anträge liegen nun in Berlin und werden dort vom Vorstand geprüft. Unter den länger bestehenden Parteien im Kreisverband Görlitz hat nach eigenen Angaben die AfD die Nase vorn, was Neueintritte im Januar betrifft.

Wie zwei sächsische Lokale den Dauerkrisen trotzen

Die Herausforderungen in der Gastronomie sind zusammen mit der Mehrwertsteuer gestiegen. Sächsische.de berichtet in einem großen Report, wie das Dresdner Bio-Café Glocke und der Stolpener Traditionsgasthof Zum Erbgericht in Stolpen damit umgehen. Die Macher des Bio-Cafés hätten sich statt der Mehrwertsteuer-Erhöhung eine Steuer-Reform gewünscht. Ein Beispiel: Befindet sich in einem Cappuccino Kuh- statt Hafermilch, gilt der reduzierte Steuersatz von sieben Prozent. Denn mit 75 Prozent Kuhanteil ist es ein Milchgetränk, das als Grundnahrungsmittel gilt, Hafer ist aber kein Grundnahrungsmittel, daher 19 Prozent. Im Gasthof in Stolpen spürt man seit Jahresanfang eine gewisse Kaufzurückhaltung bei den Gästen. Durch Medienberichte entstehe bei manchen das Bild, dass man sich einen Gaststättenbesuch gar nicht mehr leisten könne, heißt es. Für beide Gastronomen kommt Aufgeben trotzdem nicht infrage.

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