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SPD-Fraktionschef Dirk Panter: "Der Finanzminister verbreitet Unsinn"

SPD-Fraktionschef Dirk Panter spricht im Interview über Sachsens Milliardendefizite, einen Rettungsplan und seine rote Linie.

Von Gunnar Saft
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Dirk Panter (48) ist Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, die Teil der aktuellen Regierungskoalition aus CDU, Grünen und SPD ist.
Dirk Panter (48) ist Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, die Teil der aktuellen Regierungskoalition aus CDU, Grünen und SPD ist. © kairospress

Herr Panter, die SPD hat einen Plan zur Deckung des milliardenschweren Defizits im Landeshaushalt für 2023/2024. Warum hagelt es vom CDU-Finanzminister dazu nur Absagen?

Was ich mir wünsche und was man wohl verlangen kann, ist, dass sich auch ein Finanzminister Hartmut Vorjohann inhaltlich mit unseren Positionen auseinandersetzt. Er muss unsere Meinung nicht teilen, aber zumindest sollte eine sachliche Auseinandersetzung möglich sein. Stattdessen verbreitet er Unsinn.

Er ist fest davon überzeugt, dass mit dem von der SPD alternativ vorgeschlagenen Stopp der Einzahlungen in Sachsens Beamtenpensionsfonds der Haushalt nur "konsumtiv geplündert" wird.

Hier geht es nicht um Konsum, es geht auch nicht um irgendwelche Lieblingsprojekte, sondern um wichtige Investitionen in die Zukunft des Freistaates. Wir stehen vor dem größten Modernisierungsprozess seit 1990. Wenn wir auch in Zukunft hier gut leben wollen, wenn wir gute Arbeitsplätze und unsere Energiezukunft klimaneutral sichern wollen, dann müssen wir jetzt handeln. Ganz zu schweigen von den Corona-Folgen und den Folgen des Ukraine-Krieges. Die Zeit für große Investitionen ist jetzt. Da führt kein Weg vorbei.

Und bezahlen wollen Sie das alles mit dem eingesparten Geld beim Pensionsfonds. Wie soll das funktionieren?

Wir reden hier über notwendige Milliarden-Investitionen. Bisher hat die SPD immer vorgeschlagen, die Hälfte der jährlichen Einzahlungen in den Beamten-Pensionsfonds eben nicht auf die hohe Kante zu legen, sondern jetzt für Investitionen zu nutzen. Allein dadurch würden bereits in den kommenden fünf Jahren 2,5 Milliarden Euro zusammenkommen.

Bei dem Punkt gehe ich aufgrund der aktuellen Entwicklung – Stichwort Inflation – jetzt aber noch weiter und schlage unseren Koalitionspartnern CDU und Grünen vor, sogar die kompletten Zuzahlungen auszusetzen, sodass dem Freistaat bis 2028 unterm Strich fünf Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stehen.

Dieses Geld fehlt dann aber im Pensionsfonds, der ja irgendwann auch mal gebraucht wird. Wo liegt da der Vorteil für Sachsen?

In der Anerkennung der Realität. Was bislang kaum beachtet wird: Der Fonds bringt überhaupt kein Geld mehr ein, sondern er vernichtet es. So hat er in den vergangenen Jahren nominal gerade einmal einen Ertrag von 0,2 Prozent eingefahren.

Wenn ich davon – ganz zurückhaltend gerechnet – nur vier bis fünf Prozent Inflationsrate abziehe, die zurzeit deutlich höher liegt, ist von dem Geld, was wir jetzt zurücklegen, in 15 Jahren die Hälfte weg. Und damit genau dann, wenn wir es erstmals brauchen. Mit weiteren Einzahlungen zum heutigen Zeitpunkt betreiben wir also keine Vorsorge, sondern pure Fahrlässigkeit. Vorsorge ergibt nur Sinn, wenn sich eingezahltes Geld rentiert. Momentan vernichten wir damit aber Geld in Größenordnungen.

Finanzminister Hartmut Vorjohann muss ein Milliardendefizit im Landeshaushalt decken.
Finanzminister Hartmut Vorjohann muss ein Milliardendefizit im Landeshaushalt decken. © dpa/Robert Michael

Bei der Ablehnung durch den Finanzminister schwingt der Vorwurf mit, dass das derart eingesparte Geld am Ende überhaupt nicht für sinnvolle Projekte eingesetzt wird, sondern für mehr Personal und eben für mehr Konsum?

Wir wollen mit den eingesparten Pensionsgeldern ein neues Sondervermögen "SachsenFonds 2050" auflegen, bei dem dann gesetzlich ganz klar geregelt wird, wofür es ausgegeben werden darf und wofür nicht.

Was würde die SPD damit bezahlen?

Den Breitbandausbau für ein schnelleres Internet und mehr Digitalisierung, bessere Verkehrsverbindungen, die für mehr Mobilität für alle sorgen, Projekte für eine zügige Klima- und Energiewende, Forschung und Anwendung von Zukunftstechnologien und nicht zuletzt Investitionen in moderne Bildungsstrukturen.

Man sollte zudem eine stärkere Krankenhausförderung prüfen. Und wir müssen damit in Sachsen Stadt und Land versöhnen. Dresden und Leipzig sind in meinen Augen groß genug und brauchen nicht noch mehr Zuzug. Wir sollten vielmehr darauf achten, dass man auch auf dem Land gut leben kann – zum Beispiel eben durch bessere Verkehrswege zwischen Zentren und Umland.

Und der Pensionsfonds, der macht unterdessen Miese und leert sich weiter?

Genau das muss durch geänderte Anlagerichtlinien verhindert werden. Auch darüber müssen wir innerhalb der Koalition reden, dann aber nicht nur allein am Beispiel des Pensionsfonds. Wir brauchen Projekte mit einer sicheren Rendite. Das soll natürlich alles seriös bleiben und Sinn machen.

Wenn heute Banken in Immobilien investieren, um ihr Geld gegen die Inflation abzusichern, warum macht das der Freistaat nicht? Warum gründen wir nicht wie andere Bundesländer eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft? Oder der Freistaat betreibt ein eigenes Flächenmanagement, um Grundstücke gezielt Großinvestoren anbieten zu können. Wenn noch einmal ein großer Konzern wie Intel kommt, müssen wir das alles ganz schnell da haben und anbieten können.

Was, wenn das den Finanzminister am Ende alles nicht überzeugt?

Wenn der Finanzminister weiter ideologisch irrt und bei seinen Vorwürfen bleibt, statt sich auf echte Alternativen einzulassen, dann liegt er falsch. Es muss in puncto Landeshaushalt sowieso alles auf den Tisch. Einen pauschalen Rasenmäher in den einzelnen Bereichen lehnen wir ab, das ist keine vernünftige Politik.

Dann muss es vielmehr ganz konkret werden: Welche Investitionen in angebliche Lieblingsprojekte werden gestrichen? Welche Förderprogramme fallen weg? Was künftig auf keinen Fall geht, ist, dass wir 2023 und 2024 insgesamt zwei Milliarden Euro in den Pensionsfonds stecken, Geld, das dort "weggefressen" wird, und gleichzeitig in Größenordnungen im Haushalt kürzen.

Gibt es beim Haushaltsstreit für die SPD eine rote Linie, bei der sie ihren Koalitionspartnern schon jetzt sagt: mit uns bis hierher und sonst nicht weiter?

Wenn es einen besseren Weg gibt als den, den wir vorschlagen, sind wir für alles offen. Wir brauchen dann aber konkrete Argumente und Fakten. Da kann ich von niemand anderen bisher etwas erkennen. Was ich ausschließen kann, ist, dass die SPD in Sachsen einem Kürzungshaushalt zustimmt. Das wird nicht passieren. Und ich finde es gut, wenn man das frühzeitig ansagt, damit am Ende keiner überrascht ist.