Sachsen
Merken

Politik in Sachsen – Die Morgenlage

Kretschmer verteidigt Witschas + AfD-Abgeordneter geht + Konjunkturprognose: Krise ist nur eine "Delle" + Landesregierung klärt wichtige Personalie

 6 Min.
Teilen
Folgen
Bautzens Landrat Udo Witschas steht nach einer Videoansprache in der Kritik. Er kann das nicht nachvollziehen.
Bautzens Landrat Udo Witschas steht nach einer Videoansprache in der Kritik. Er kann das nicht nachvollziehen. © Steffen Unger

"Politik in Sachsen - Die Morgenlage" als E-Mail-Newsletter - hier kostenlos anmelden

Guten Morgen,

verstörend und empörend ist nicht nur das, was der Bautzener Landrat Udo Witschas in seiner kleinen Video-Botschaft kurz vor Weihnachten gesagt hat. Verstörend und irritierend ist noch viel mehr, dass solche grenzüberschreitenden Äußerungen eines CDU-Politikers in Sachsen mal wieder von CDU-Landeschef und Ministerpräsident Michael Kretschmer unwidersprochen bleiben.

Es ist der gleiche Ministerpräsident, der erst vor ein paar Tagen den wegen so mancher rechtspopulistischer Äußerung umstrittenen Schriftsteller Uwe Tellkamp mit einer Einladung zur Diskussion in die Landesvertretung, quasi die "Botschaft Sachsens" in Berlin, auf merkwürdige Weise hofiert hat. Derselbe Ministerpräsident, der stets die Meinung vertritt, dass man mit jedem reden können und keine Diskussion scheuen dürfe, schafft es aber nicht, einen eigenen "Parteifreund", der sich ausgerechnet in der Flüchtlingsfrage, ausgerechnet wenige Tage vor Weihnachten so eindeutig in Wortwahl, Duktus und Tonfall mit rechtspopulistischen Blasen als bürgernah geriert, einfach mal die Meinung zu sagen und klare Kante zu ziehen, was geht und was nicht.

Ja, es ist Konsens, dass Kreise und Kommunen in Sachsen versuchen, die Belegung von Turnhallen zu vermeiden. Doch Witschas sagt dazu, der Sport solle nicht "für diese Asylpolitik bluten". Klingt deutlich anders. Ja, man versucht immer mehr riesige Gemeinschaftsunterkünfte in Sachsen zu vermeiden, weil sie vor allem Familien die Integration und das Ankommen erschweren. Doch bei Witschas klingt das so: Das Landratsamt wolle nicht, dass "Menschen, die zu uns kommen, die unsere Kultur nicht kennen, die unsere Regularien nicht kennen, jetzt hier in Mehrfamilienhäusern und frei stehenden Wohnungen unterbringen und dafür die Gefährdung des sozialen Friedens in Kauf nehmen". Verkürzt heißt das: Fremde bringen Unfrieden. Haltet sie besser draußen.

Wie weit ist dieser Landrat entfernt von den Grundwerten der einstigen C-DU, dass er nicht einmal erkennt, dass seine pauschalen Äußerungen Öl auf das Feuer sind, in einer Region, in der das Thema ohnehin schon länger "brennt". Wie blind und taub kann man politisch sein, das einfach laufen zu lassen, als wäre das, was Witschas sagt, "normal" und richtig?

Stattdessen nimmt Kretschmer den Bautzener Landrat sogar noch in Schutz. Dessen Worte seien "völlig aus dem Kontext gerissen" worden. Klar – dann sind eben die Journalisten schuld. Warum aber traut sich Kretschmer nicht ein winziges Wort des Widerspruchs? Ist es mittlerweile schon die Angst vor der eigenen Partei? Vor der Stimme des Volkes, womöglich vor der dort vertretenen "Mehrheitsmeinung"?

So aber bleibt das Gesagte stehen, als wäre es das im gesellschaftlichen Konsens gefundene Sagbare. Ohne Probleme. Ohne Widerspruch. Sachsen, wir haben da mehr als ein Problem!

Herzlichst,

Ihre Annette Binninger, Leiterin Politikredaktion sächsische.de

Die wichtigsten News am Morgen

Kretschmer verteidigt Landrat Witschas

Der Landrat von Bautzen, Udo Witschas (CDU), sorgt mit seiner auf Facebook veröffentlichten Botschaft für Kritik. Darin versichert er, in seinem Landkreis würden Flüchtlinge weder in Turnhallen noch in leerstehenden Wohnungen untergebracht. Das gefährde den sozialen Frieden und lasse den Sport bluten. Vor Weihnachten wolle er die Botschaft senden, es solle nicht der Sport das Nachsehen haben "und die Menschen in Mehrfamilienhäusern sollen sich auch nicht Gedanken machen, dass Menschen, die erst lernen müssen mit unserem Leben, unserer Gesellschaft klarzukommen, jetzt in unsere Wohnungen integriert werden und damit der soziale Frieden gefährdet ist."

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig kritisierte den Landrat, auch per Tweet. Dessen Rede dürfe nicht unwidersprochen bleiben, die Sprache sei "zündelnd". Auch aus Witschas eigener Partei gibt es Widerspruch. Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow sprach von "konterkarierenden Aktivitäten". Der Dresdner CDU-Stadtrat Mario Schmidt schreibt auf Twitter: "Das ist nicht die sächsische CDU, das ist Udo Witschas. Einer von mehr als 10.000 Mitgliedern der CDU Sachsen." Witschas selbst sieht sich laut einem Statement zu unrecht kritisiert. Die Aussage beziehe sich nicht allgemein auf die Unterbringung von Asylsuchenden, sondern nehme Bezug auf Sorgen in der Stadt Hoyerswerda. Ähnlich äußerte sich auch Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) im Video-Interview.

AfD verliert weiteren Abgeordneten

Die AfD in Sachsens Landtag verliert einen weiteren Abgeordneten. Der Politiker Ivo Teichmann aus der Sächsischen Schweiz erklärte am Mittwoch seinen Austritt aus Fraktion und Partei. "Die AfD grenzt sich viel zu wenig öffentlich von extremistischen Personen, Vereinigungen oder Parteien wie zum Beispiel den 'Freien Sachsen' ab", heißt es in einem an Fraktionschef Jörg Urban gerichteten Schreiben. Die AfD stellt nun nur noch 35 der 119 Abgeordneten im Landtag. In dieser Legislatur hatten bereits zwei Politiker die Fraktion verlassen. Teichmann führt auch schwere Differenzen mit anderen AfD-Mitgliedern an.

Derweil sieht der Verfassungsschutz die AfD nahezu ungebremst in Richtung rechtsaußen steuern. "Kräfte, die versuchen, die extremistischen Tendenzen aus der Partei zu verdrängen, nehmen wir kaum noch wahr", sagt der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang. Er verweist unter anderem auf die Parteiaustritte des früheren AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen und der Bundestagsabgeordneten Joana Cotar.

Prognose: Wirtschaft wächst ab Mitte 2023

Sachsens Wirtschaft scheint glimpflich und schnell aus der Krise herauszukommen: Der Dresdner Wirtschaftsforscher Joachim Ragnitz vom Ifo-Institut erwartet nur eine "Delle" im Wirtschaftswachstum. Nach einer "milden" Rezession in diesem Winter werde die Wirtschaft laut der ifo-Konjunkturpognose in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres wieder auf einen Wachstumspfad einschwenken. Ragnitz sagt, die Auswirkungen von Energiekrise und unterbrochenen Lieferketten seien nicht so schlimm wie erwartet. Die Hilfsprogramme der Bundesregierung gäben den Unternehmern außerdem wieder Zutrauen.

Neuer Rektor für Polizeihochschule

Nach zahlreichen personellen Auseinandersetzungen bekommt die Hochschule der Sächsischen Polizei einen neuen Rektor. Die Landesregierung hat in dieser Woche der Ernennung von Professor Marcel Kuhlmey zugestimmt, bestätigt ein Sprecher. Kuhlmey ist derzeit an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin im Fachbereich Polizei und Sicherheitsmanagement tätig. Das Kabinett hat ihn für fünf Jahre in das Beamtenverhältnis berufen. Derzeit würden noch die Details des Wechsels von Berlin nach Sachsen verhandelt, heißt es.

Der Newsletter "Politik in Sachsen"

© Screenshot

>> Noch mehr News, die Titelseiten-Übersicht aller sächsischen Zeitungen und die Terminvorschau gibt es in der Komplettversion der "Morgenlage" jeden Morgen 5 Uhr bequem als E-Mail-Newsletter. Interesse? Dann hier kostenlos den Newsletter bestellen. <<