Sachsen
Merken

Morgenlage in Sachsen: Pulverfabrik; CDU-AfD-Debatte; Klimaaktivist vor Abschiebung

Pulverfabrik vom Tisch + CDU-AfD-Debatte: Kretschmer wirbt für Pragmatismus + Klima-Aktivist vor Abschiebung + Nur wenige Chefinnen in öffentlichen Firmen

 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Das von Martin Dulig geführte Wirtschaftsministerium bedauert das Aus für eine Rheinmetall-Pulverfabrik in Großenhain.
Das von Martin Dulig geführte Wirtschaftsministerium bedauert das Aus für eine Rheinmetall-Pulverfabrik in Großenhain. © SMWA/Kristin Schmidt

"Politik in Sachsen - Die Morgenlage" als E-Mail-Newsletter - hier kostenlos anmelden

Guten Morgen,

so schnell schießen die Preußen nicht – pflegte meine Großmutter mit ostpreußischen Wurzeln gelegentlich zu sagen. Und sie meinte damit: Es läuft nicht immer alles so schnell und überstürzt, wie man denkt oder auch befürchtet. Manchmal muss man auch ein bisschen abwarten können.

Im Fall der angedachten Pulverfabrik des Rüstungskonzerns Rheinmetall mag das Bild von den vorschnell abgegebenen Schüssen zwar ein bisschen schief sein, doch daneben gegangen zu sein scheint da vieles. Am Ende jedenfalls geht der Freistaat leer aus. Doch der Weg bis dahin? Stolprig, holprig, merkwürdig...

Denn bereits in einem recht frühen Stadium gab es Spekulationen, Gerüchte, Mutmaßungen über eine mögliche Ansiedlung. Antworten wurden gesucht. Von sächsischen Verantwortlichen, kommunalen Verantwortlichen und Partei-Vertretern. Doch die kamen häufig ins Schwimmen, denn etwas Genaues vermochten auch sie nicht zu sagen. Schnell hatte sich eine regelrechte "Bürgerbewegung" gegen das Rüstungsprojekt gefunden. Und dann legte Ministerpräsident Michael Kretschmer mit seinem Vorschlag eines Bürgerentscheids noch eine weitere Hürde oben drauf – jedenfalls aus der Perspektive eines Investors betrachtet.

Die Idee von der Pulverfabrik, die letztlich nicht gezündet hat am Standort Großenhain (schon wieder so ein brenzliges Bild – Entschuldigung!), ist aber auch ein Lehrstück in anderer Hinsicht. Man wird sich entscheiden müssen, ob man in Sachsen mittel- und langfristig auf ein "Stück vom Rüstungskuchen" verzichten will und damit auch auf Hunderte sichere, vermutlich gut bezahlte Jobs. Und ein Gedanke kommt noch hinzu: Man sollte ganz genau hinsehen, ob das 100-Milliarden-Euro-Projekt zur besseren Ausrüstung der Bundeswehr am Ende nicht fast ausschließlich quasi zum "Konjunkturpaket" für westdeutsche Bundesländer wird, nur weil dort bereits alte, Rüstungswerke vorhanden sind, die man schneller ausbauen und produktionsbereit machen kann.

Herzlichst,

Ihre Annette Binninger, Leiterin Politikredaktion Sächsische.de

Die wichtigsten News am Morgen

Rheinmetall baut keine Pulverfabrik in Großenhain

Das Rüstungsunternehmen Rheinmetall plant keine Pulverfabrik in Großenhain mehr. Das berichtet der Spiegel. "Wir werden diese Pläne nicht weiterverfolgen", zitiert das Nachrichtenmagazin Unternehmenschef Armin Papperger. Stattdessen wolle man den bestehenden Standort im bayerischen Aschau am Inn ausbauen. Dies gehe "einfach schneller". Ein Unternehmenssprecher sagt gegenüber Sächsische.de, es gebe kein schlüssiges Business-Modell für den Bau einer Anlage zur Pulverproduktion in Sachsen.

Wie die Leipziger Volkszeitung berichtet, ist Sachsen aber offenbar noch nicht ganz aus dem Rennen. Aufgrund der akuten Versorgungslücken müsse die Produktion schnell hochgefahren werden, sagt der Leipziger CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Lehmann, der auch Mitglied im Verteidigungsausschuss ist. Das gehe am bestehenden Standort in Bayern am besten. Doch es sei nur eine vergleichsweise geringfügige Steigerung möglich. Da dringend mehr Munition benötigt werde, sei es "ein Fakt, dass es irgendwo ein neues Werk geben muss". Da die Konkurrenz groß sei, müsse sich die Landesregierung jedoch "sputen", wenn der Freistaat noch zum Zuge kommen wolle. Sachsens Linke-Fraktionschef Rico Gebhardt sagt hingegen: "Das ist eine gute Nachricht für Großenhain und für Sachsen." Die Linke fordert die Landesregierung nun auf, gemeinsam mit der Stadt Großenhain und dem Stadtrat ein Konzept für die Industriefläche entwickeln. In Sachsens Wirtschaftsministerium bedauert man die Entscheidung.

"Kann zur Selbstzerstörung der CDU führen"

Nach der umstrittenen Aussage von CDU-Parteichef Friedrich Merz über eine Zusammenarbeit auf Kommunalebene mit der AfD sieht der Potsdamer Politologe Gideon Botsch weitreichende politische Veränderungen. Man müsse leider annehmen, dass es bei der CDU gar keine Brandmauern mehr gebe, sagt er im Interview mit Saechsische.de. "Hier werden wohl gerade Koalitionen mit der AfD vorbereitet, die wir – wenn die Union sich nicht auf ihre Grundlagen besinnt – vielleicht schon nächstes Jahr auf Landesebene erleben werden." Dies könne zur Selbstzerstörung der CDU als demokratische Volkspartei führen.

Unterdessen wird parteiintern über Merz' Eignung als Kanzlerkandidat debattiert.

Derweil hat sich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) wie bereits am Montag erneut über den Umgang mit der AfD geäußert. "Wir brauchen vor allem einen pragmatischen Umgang. Die AfD darf nicht länger ständig Thema sein oder von uns dazu gemacht werden", sagt er im Interview mit der FAZ. Es sei völlig falsch, wenn Populisten die Agenda bestimmten. "Wir müssen gute Politik machen, Treiber sein für die richtigen Themen, überzeugende Antworten auf die berechtigten Fragen der Menschen geben." Eine "lupenreine Trennung" zur AfD sei auf kommunaler Ebene nicht durchzuhalten.

Klima-Aktivist aus Sachsen droht Abschiebung

Nachdem der sächsische Klimaaktivist Marcus Decker in Großbritannien zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden ist, wird heute das Urteil im Berufungsverfahren erwartet. Decker hatte 41 Stunden eine Autobahnbrücke nahe London blockiert. Wegen der verhängten Strafe droht ihm auch die Abschiebung nach Deutschland. "Ich bin am Boden zerstört und sehr traurig", sagt Decker. Er habe zwar eine Gefängnisstrafe als Konsequenz seiner Handlungen akzeptiert. "Aber meine Familie, mein Zuhause, meine Gemeinschaft und die Wahlheimat, die ich zu lieben gelernt habe, zu verlieren, fühlt sich wie eine doppelte Strafe an." Dabei hat Decker mit seiner Protestaktion durchaus selbst Leid verursacht.

Nur wenige Chefinnen in öffentlichen Firmen

Frauen in städtischen Betrieben kommen in Sachsen beruflich langsamer voran als in den deutschen Börsengewichten. Das zeigt eine Studie der Zeppelin-Universität Friedrichshafen. Sie analysiert, wie viele Frauen in den öffentlichen Unternehmen das Sagen haben. Dafür untersuchten die Forscher in 69 Städten mehr als 1.400 kommunale Betriebe. Sachsen liegt dabei zwar bundesweit im Mittelfeld, hinkt jedoch mit einem Frauenanteil von zwanzig Prozent deutlich hinter allen anderen ostdeutschen Bundesländern hinterher - zumal sich der Wert zum Vorjahr verschlechtert hat. Selbst in den Führungsetagen der 40 Dax-Konzerne lag der Frauenanteil mit 23,3 Prozent höher. Laut einer Analyse von Saechsische.de in verschiedenen ostsächsischen Städten gibt es in Freital keine einzige Geschäftsführerin in den öffentlichen Betrieben.

Der Newsletter "Politik in Sachsen"

© Screenshot

>> Noch mehr News, die Titelseiten-Übersicht aller sächsischen Zeitungen und die Terminvorschau gibt es in der Komplettversion der "Morgenlage" jeden Morgen 5 Uhr bequem als E-Mail-Newsletter. Interesse? Dann hier kostenlos den Newsletter bestellen. <<