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Zusammenarbeit von CDU und AfD? "Lupenreine Trennung" für Kretschmer in Kommunen nicht durchzuhalten

Die CDU und die AfD - geht da doch was, zumindest auf kommunaler Ebene? Die Äußerungen von CDU-Chef Merz sorgen für Entrüstung - auch in der eigenen Partei. Sachsens Ministerpräsident Kretschmer ist etwas vorsichtiger.

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Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) spricht sich für einen "pragmatischen Umgang" mit der AfD in Kommunen aus.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) spricht sich für einen "pragmatischen Umgang" mit der AfD in Kommunen aus. © Jan Woitas/dpa (Archiv)

Dresden/Berlin. Eine "lupenreine Trennung" zur AfD ist nach Ansicht von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer auf kommunaler Ebene nicht durchzuhalten. Der CDU-Politiker plädierte im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in der Debatte über eine etwaige Kooperation von CDU und AfD in Kommunen für einen "pragmatischen Umgang" mit der Partei.

Es reiche bei Sachentscheidungen in Städten und Gemeinden nicht zu sagen "Wir sind dagegen, weil die AfD dafür ist". Zugleich müsse allen Beteiligten immer klar sein: "Die Frau oder der Mann, die dort für die AfD sitzen, mögen sie noch so angesehene Handwerker oder bekannt in einem Ort sein, sind Mitglieder einer Partei, die mit diesem Land Schlimmes vorhat."

Kretschmer beklagte, vielen Wählern sei der wahre Kern der AfD offenbar nicht bewusst. Daher dürfe man es sich nicht zu leicht machen mit Ausgrenzung und Brandmauern, sondern müsse erläutern, was drohe, wenn die AfD an die Macht kommen sollte. Kretschmer unterstützte die Positionen der Präsidenten des Städte- und Gemeindebunds sowie des Landkreistags, dass demokratische Entscheidungen der Wähler zu akzeptieren seien. Wer als Bürgermeister oder Landrat eine Schulsanierung oder einen Kindergartenbau vorschlage, werde dafür wahrscheinlich eine Mehrheit bekommen. Das aber sei keine Kooperation, sondern "Sachpolitik im Sinne der Bürger".

Kretschmer hatte sich bereits am Montag für mehr Präzision in der Argumentation im Umgang mit der AfD ausgesprochen. "Man darf es sich nicht so leicht machen", warnte Kretschmer gegenüber Sächsische.de. "Wir dürfen nicht nur einfach reflexartig von einer Brandmauer sprechen." Er wiederhole seit seinem Amtsantritt als Ministerpräsident im Herbst 2017 immer wieder, dass er nicht mit der AfD zusammenarbeiten wolle.

Die Parteitagsbeschlüsse der Bundes-CDU seien eindeutig in der Sache. "Die Menschen müssen aber auch nachvollziehen können, warum wir als CDU keine Zusammenarbeit mit der AfD wollen", forderte Kretschmer. "Das ist eine Gruppierung, die sich über die vergangenen letzten Jahre immer weiter radikalisiert hat. In der AfD haben die rechtsextremen Kräfte immer mehr Auftrieb bekommen. Es muss jedem klar sein, was der Wesenskern dieser Truppe ist."

Kretschmer: "AfD ist keine normale demokratische Partei"

Ohne auf die Äußerungen von CDU-Bundeschef Friedrich Merz näher eingehen zu wollen, kritisierte Kretschmer die Art der Diskussion zum Umgang mit der AfD. "Ein Fehler in der Debatte ist es immer wieder, mit Verkürzungen zu arbeiten." Die AfD sei in Gemeinde- und Kreis-Räte sowie Landesparlamente "gewählt wie jede andere Partei", betonte Kretschmer. Nach der sächsischen Gemeindeordnung seien die Gemeinderäte Teil der Verwaltung. "Wir müssen aus dem Umgang mit der NPD lernen und dürfen keine Märtyrer erzeugen, mit denen angeblich niemand sprechen will, um drängende lokale Probleme wie etwa den Bau eines Kindergartens zu lösen."

Darüber stehe aber der Wesenskern der Partei der sich in Parteiprogrammen, Beschlüssen und in der Auswahl der Führungsspitze ausdrücke. Und hier gebe es ein so eindeutige Radikalisierung, die Sorge bereite und der Grund sei, dass eine Zusammenarbeit falsch sei. "Die AfD ist eben gerade keine normale demokratische Partei. Sie ist im Gegenteil eine radikal populistische Partei die die vielen Werte unseres anständigen Zusammenlebens missachtet."

CDU-Parteichef Friedrich Merz war seit Sonntagabend mit seinen Äußerungen zu einem möglichen gemeinsamen Vorgehen mit der AfD auf kommunaler Ebene auf heftige Kritik in der eigenen Partei gestoßen.

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner schrieb auf Twitter: "Die AfD kennt nur Dagegen und Spaltung. Wo soll es da ZUSAMMENarbeit geben? Die CDU kann, will und wird nicht mit einer Partei zusammenarbeiten, deren Geschäftsmodell Hass, Spaltung und Ausgrenzung ist." Die AfD dagegen sieht die Merz-Äußerungen positiv und will zusammen mit der CDU künftig Zusammenarbeit möglich machen.

Merz hatte im ZDF-Sommerinterview am Sonntag erneut bekräftigt, dass die Union nicht mit der AfD kooperieren werde. Er beschränkte dies nun aber auf "gesetzgebende Körperschaften", etwa auf europäischer, Bundes- oder Landesebene. Wenn in Thüringen ein Landrat und in Sachsen-Anhalt ein Bürgermeister von der AfD gewählt worden sei, dann seien das demokratische Wahlen, meinte Merz. "Das haben wir doch zu akzeptieren. Und natürlich muss in den Kommunalparlamenten dann auch nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet." Was er damit genau meint, blieb in dem Interview jedoch offen.

Nach der innerparteilichen Kritik an seinen Äußerungen zum Umgang mit der AfD in den Kommunen lehnte Merz eine Kooperation mit den Rechtspopulisten in Städten und Gemeinden ab. Er schrieb am Montag auf Twitter: "Um es noch einmal klarzustellen, und ich habe es nie anders gesagt: Die Beschlusslage der CDU gilt. Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben."

Dagegen hatte Merz am Sonntagabend getwittert: "Das Thema Zusammenarbeit mit der AfD betrifft die gesetzgebenden Körperschaften, also im Europaparlament, im Bundestag und in den Landtagen." Dies entsprach der Linie, die er zuvor im ZDF-Sommerinterview vertreten hatte.

Empörte CDU-Politiker: Für Christdemokraten sind Rechtsradikale Feind

Die Vizepräsidentin des Bundestages, Yvonne Magwas, die auch dem CDU-Präsidium angehört, schrieb auf Twitter: "Ob Ortschaftsrat oder Bundestag, rechtsradikal bleibt rechtsradikal. Für Christdemokraten sind Rechtsradikale IMMER Feind!"

Die Bundesvorsitzende der Frauen Union, Annette Widmann-Mauz (CDU), meinte mit Blick auf die AfD: "Die Partei u. ihre menschenverachtenden & demokratiefeindlichen Inhalte bleiben die gleichen, egal auf welcher Ebene." Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen betonte, seine Partei habe ein Kooperationsverbot mit der AfD beschlossen. "Jeder, der das ändern will, muss dafür auf einem Bundesparteitag der #CDU eine Mehrheit finden."

Der CDU-Politiker und ehemalige saarländische Ministerpräsident Tobias Hans schrieb auf Twitter zu den Aussagen von Merz: "Der Parteitagsbeschluss besagt, dass jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen ist. Das hier ist die schleichende Verwässerung von Parteitagsbeschlüssen nach Wahlerfolgen der extremen Rechten."

Ähnlich empört reagierte CDU-Bundesvorstandsmitglied Serap Güler: "Keine Zusammenarbeit mit der #AfD heißt: keine Zusammenarbeit mit der AfD. Auf keiner Ebene. Ganz einfach. Jetzt nicht und auch in Zukunft nicht." Der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak schrieb auf Twitter, die AfD bedrohe den liberalen Rechtsstaat und die freiheitliche Gesellschaftsordnung - auch in den Kommunen. "Der #Unvereinbarkeitsbeschluss der @cdu ist eindeutig."

In dem Beschluss heißt es unter anderem: "Jeder, der in der CDU für eine Annäherung oder gar Zusammenarbeit mit der AfD plädiert, muss wissen, dass er sich einer Partei annähert, die rechtsextremes Gedankengut, Antisemitismus und Rassismus in ihren Reihen bewusst duldet. (...). Die CDU lehnt jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD ab."

Christoph Heubner, der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, teilte in Berlin mit, die "realitätsfernen und fahrlässigen Äußerungen von Friedrich Merz machen deutlich, dass er die Zerstörungs-Strategien der AfD noch immer nicht realisiert hat". Diese AfD habe nicht das Gemeinwohl aller Bürgerinnen und Bürger und die Gestaltung der Demokratie im Sinn. "All denen aus seiner Partei und den anderen demokratischen Parteien, die ihm entschieden widersprechen, gebührt Respekt und Unterstützung."

CSU: Söder auf Distanz zu Merz

CSU-Chef Markus Söder hat einer Kooperation mit der AfD auch auf kommunaler Ebene eine deutliche Absage erteilt und ist damit klar auf Distanz zum CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz gegangen.

"Die CSU lehnt jede Zusammenarbeit mit der AfD ab - egal auf welcher politischen Ebene", schrieb der bayerische Ministerpräsident am Montag auf Twitter. "Denn die AfD ist demokratiefeindlich, rechtsextrem und spaltet unsere Gesellschaft. Das ist mit unseren Werten nicht vereinbar."

Die AfD fordere den Austritt aus EU und Nato und schwäche damit den Wohlstand und gefährde unsere Sicherheit. "Wir grenzen uns klar ab und setzen dagegen auf gute Politik: Wir nehmen die Sorgen und Nöte der Menschen ernst", schrieb Söder und fügte hinzu: "Die CSU steht für ein starkes und sicheres Bayern, damit unser Land stabil bleibt."