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Rheinmetall baut keine Pulverfabrik in Großenhain

Die Pläne des Rüstungsunternehmens Rheinmetall, eine Pulverfabrik in Großenhain anzusiedeln, sind vom Tisch. Das überrascht auch Sachsens Regierung. Ein CDU-Abgeordneter sieht noch Chancen für den Freistaat. Doch Rheinmetall macht wenig Hoffnung.

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Rheinmetall plant nach Informationen des "Spiegel" keine Pulverfabrik in Großenhain mehr.
Rheinmetall plant nach Informationen des "Spiegel" keine Pulverfabrik in Großenhain mehr. © dpa/Federico Gambarin

Großenhain/Dresden. Das Rüstungsunternehmen Rheinmetall wird keine Pulverfabrik in Großenhain errichten. "Wir werden diese Pläne nicht weiterverfolgen", sagte Unternehmenschef Armin Papperger dem Spiegel. Stattdessen wolle man den bestehenden Standort im bayerischen Aschau am Inn ausbauen. Dies gehe "einfach schneller". Man plane, einen "starken zweistelligen Millionenbetrag" zu investieren, um 7.000 Tonnen Pulver pro Jahr in dem Werk entstehen zu lassen.

Ein Unternehmenssprecher von Rheinmetall ergänzte später auf SZ-Nachfrage: „Es gab und gibt keine Verhandlungen mit Großenhain.“ Zudem stehen derzeit offenbar auch die Chancen schlecht, dass ein anderer Standort im Freistaat für Rheinmetall infrage kommen könnte. „Zur Zeit gibt es auch kein schlüssiges Business-Modell für den Bau einer Anlage zur Pulverproduktion in Sachsen“, teilte Rheinmetall weiter mit.

Wie die Leipziger Volkszeitung berichtet, könnte Sachsen aber noch nicht endgültig aus dem Rennen für eine Investition von Rheinmetall sein. Aufgrund der akuten Versorgungslücken müsse die Produktion schnell hochgefahren werden, sagt der Leipziger CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Lehmann, der auch Mitglied im Verteidigungsausschuss ist. Das gehe am bestehenden Standort in Bayern am besten. Doch es sei nur eine vergleichsweise geringfügige Steigerung möglich. Da dringend mehr Munition benötigt werde, sei es "ein Fakt, dass es irgendwo ein neues Werk geben muss". Da die Konkurrenz groß sei, müsse sich die Landesregierung jedoch "sputen", wenn der Freistaat noch zum Zuge kommen wolle.

Seit vom Bau einer Pulverfabrik durch den Rüstungskonzern Rheinmetall in Großenhain die Rede war, hatte es Debatten gegeben. Vor allem die Anwohner kritisierten die Pläne. Anfang des Jahres hatte die Landesregierung erstmals Gespräche über den Bau eines Rheinmetall-Werkes in Sachsen bestätigt. Dabei war ein Standort im Bereich des ehemaligen Militär-Geländes am Flugplatz Großenhain in den Fokus gerückt.

Stadtrat hofft auf andere Ansiedlungen

Das Sächsische Wirtschaftsministerium (SMWA) reagierte mit Bedauern auf die Absage von Rheinmetall. "So wird von dem 100 Milliarden-Paket für die Bundeswehr, welches die Bundesregierung im vergangenen Jahr beschloss, wohl nun kein Geld in die neuen Bundesländer fließen", heißt es aus dem von Martin Dulig (SPD) geführten Ministerium. "Der angedachte Standort in Großenhain hätte viele neue Arbeitsplätze bedeutet und die sächsische Chemieindustrie gestärkt." An der Entscheidung sei der Freistaat nicht beteiligt gewesen. "Wir haben ein sehr gutes Angebot und einen sehr guten Standort ins Spiel gebracht – welche Gründe es letztlich gab, sich gegen den Freistaat zu entscheiden, kann nur das Unternehmen selbst beantworten."

Gemeinsam mit der Stadt Großenhain und der Wirtschaftsförderung werde das SMWA weiter um Industrieansiedlungen auf dem Flugplatzgelände werben. Ähnlich äußert sich Kai Mindel, Leiter der Stabsstelle Großansiedlungen bei der Sächsischen Staatsregierung. Eine Wertung stehe seinem Aufgabenbereich aber nicht zu. "Jeder Investor trifft eine solche Entscheidung selbst", so Mindel. Der Freistaat habe nicht erst in den letzten Wochen klargemacht, bei der Investorensuche offen für nachhaltige Strukturen zu sein, so Mindel. Jetzt werde man gemeinsam mit Großenhains Oberbürgermeister und dessen Verwaltung daran arbeiten, "die Fläche weiterzuentwickeln". Dabei sei es ganz wichtig, transparent zu sein und "zu informieren, was wir in Großenhain vorhaben".

Großenhains Oberbürgermeister Sven Mißbach (parteilos) hatte zuvor bereits mitgeteilt, er habe aus der Presse von der Entscheidung erfahren und wolle sie nicht näher kommentieren. "Grundsätzlich begrüßen wir jedoch, dass die monatelangen Spekulationen und Mutmaßungen mit dieser Entscheidung nun ein Ende finden."

Mike Preibisch, Stadtrat in der Großenhainer CDU-Fraktion, teilte als einer der Ersten die Meldung bei Facebook – ohne sie dort zu werten. Aus seiner Meinung macht er aber trotzdem kein Geheimnis. "Ich persönlich bin für eine nichtmilitärische Nachnutzung", so Preibisch. Und nicht zuletzt als Stadtrat wiederholt er dessen mehrheitliche Auffassung: "Wir wollen etwas Anderes." Von einer "vertanen Chance", wie einzelne Kommentatoren in den sozialen Medien, will der Unternehmer keineswegs sprechen. Aus Dresden erwarte er jetzt klare Aussagen, was gewollt sei. Und für Großenhain sei wichtig, dass im Falle einer Ansiedlung "die Gewerbesteuern bei uns bleiben", so Mike Preibisch.

Linken-Fraktionschef: "Eine gute Nachricht für Sachsen"

Auch das Landratsamt in Meißen hält sich bedeckt. Der Landkreis, hatte in einer Absichtserklärung vom Dezember 2022 das Ziel formuliert, mit der Stadt Großenhain und der Staatskanzlei die Entwicklung des ehemaligen Militärflugplatzes zum Industriestandort vorantreiben zu wollen. "Die Erklärung ist unter Federführung der Staatskanzlei in Abstimmung mit den zuständigen Fachministerien erarbeitet worden und wir sind in das Verfahren um den Flugplatz Großenhain nicht eingebunden und verfügen über keine Informationen", heißt es nun aber auf Nachfrage aus der Pressestelle. Daher sei es nicht möglich, eine Stellungnahme abzugeben.

"Das ist eine gute Nachricht für Großenhain und für Sachsen", kommentierte Sachsens Linken-Fraktionschef Rico Gebhardt die Entscheidung gegen Großenhain. Das Rätselraten habe ein Ende und der Protest habe offensichtlich gewirkt. Gebhardt verwies darauf, dass Rheinmetall-Chef Papperger stets betont habe, ein solches Vorhaben nicht gegen den Widerstand der Bevölkerung durchsetzen zu wollen. Eine Rüstungsfabrik wäre mit Sicherheitsbedenken verbunden gewesen.

Ähnlich wie die Gebhardt äußerte sich am Dienstagvormittag Armin Benicke. Der Pilot und frühere NVA-Offizier war in zahlreichen Veröffentlichungen zum Flugplatz zu Wort gekommen. Er sagt zu der Entscheidung spontan: "Große Freude!" Für den Mittelstand und eine friedliche Industrie, die am besten noch mit weiterem Flugbetrieb verbunden ist, sehe er dagegen bessere Chancen. Benicke macht aber erneut der Staatskanzlei einen Vorwurf. "Ich verstehe sie nicht, dass sie nicht rechtzeitig über die Vor- und Nachteile auf dem Gelände kommuniziert haben", so Benicke.

Altlastensanierung auf dem Flugplatz Großenhain. Hier im Industriegebiet Nord wollte Rheinmetall bauen - nun kam zunächst die Absage.
Altlastensanierung auf dem Flugplatz Großenhain. Hier im Industriegebiet Nord wollte Rheinmetall bauen - nun kam zunächst die Absage. © Planungsbüro

Mario Gieb, stellvertretender ehrenamtlicher Oberbürgermeister und Fraktionschef von "Gemeinsam für Großenhain" im Stadtrat, sagt: "Wenn es denn so stimmt, dann begrüße ich den Rückzug von Rheinmetall." Gieb unterzeichnete auch den offenen Brief des Großenhainer Stadtrates, in dem mehr Information vor Ort gefordert wird. "Die ganze Zeit haben wir nur auf Gerüchtebasis diskutiert", beklagt der gewählte Stadtvertreter. Eine militärische Nutzung des Flugplatzes wäre nicht in seinem Sinne gewesen. "Wir finden einen besseren Großinvestor", findet Mario Gieb.

Der AfD-Landtagsabgeordnete Mario Beger aus Großenhain sprach von einem "guten Tag für Großenhain". Er sei auch persönlich gegen eine Ansiedlung von Rheinmetall, vor allem aus Sicherheitsbedenken. "Gut, dass wir aus der Nummer raus sind", so Beger.

Sebastian Bieler, Stadtrat und ehemaliger Bürgermeisterkandidat meint dazu, dass er weder erleichtert noch enttäuscht ist, denn er hätte das Ganze seit Mai nicht mehr ernst genommen. "Die Ansiedlung war ein Gerücht", so der Großenhainer. Es hätte keine verwertbaren Informationen gegeben. "So kann man auch nichts dazu sagen." Der Landtagsabgeordnete Sebastian Fischer twitterte kurzangebunden: "Damit ist die Ansiedlung in #Großenhain erst einmal Geschichte." Fischer hatte sich deutlich für eine Pulverfabrik in Großenhain ausgesprochen. Telefonisch war er für Sächsische.de am Dienstag nicht zu erreichen. (SZ/hek/krü/rt)