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Morgenlage in Sachsen: Ofarim-Prozess; Klinikplan; Pirnaer OB-Wahl; Lehrerstreiks

Wende im Fall Ofarim + Landesregierung beschließt Klinikplan + OB-Wahl Pirna: SPD unterstützt CDU-Kandidatin + Neue Lehrerstreiks angekündigt

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Im Gerichtsprozess gegen den jüdischen Musiker Gil Ofarim hat es am Dienstag eine überraschende Wende gegeben.
Im Gerichtsprozess gegen den jüdischen Musiker Gil Ofarim hat es am Dienstag eine überraschende Wende gegeben. © dpa

Guten Morgen,

an manchen Tagen fällt es schwer, eine nüchtern betrachtende Distanz zu wahren und sich nicht von einem Gefühl der persönlichen Enttäuschung übermannen zu lassen. Gestern war so ein Tag. Und nein, ich rede nicht von der enttäuschenden Bundestags-Rede von Kanzler Olaf Scholz zur aktuellen Haushaltskrise, die außer dem Ende der Strom- und Gaspreisbremsen nichts Konkretes und auch keinen Hoffnungsschimmer brachte, dafür aber die Ratlosigkeit der Berliner Ampel-Koalition zeigte.

Ich rede vom gestern überraschend zu Ende gegangenen Prozess gegen den jüdischen Sänger Gil Ofarim, der - wie wir seit gestern Mittag wissen - einen Mitarbeiter des Leipziger Westin-Hotels zu unrecht des Antisemitismus beschuldigt hat. Die von Ofarim beschriebene Szene, wonach er an der Rezeption aufgefordert wurde, seine Davidstern-Halskette abzulegen, hat so nie stattgefunden. Die Ungereimtheiten, die schon kurz nach dem Vorfall im Oktober 2021 bekannt wurden, hatten sich in den vergangenen Monaten und Wochen bereits zu handfesten Vorwürfen gegen Ofarim verfestigt. Trotzdem bleibt auch jetzt die Frage offen: Warum denkt er sich so etwas aus? Vielleicht werden wir auch dazu irgendwann mehr erfahren.

Immerhin: Ofarims Geständnis und seine öffentlich ausgesprochene Entschuldigung wird, wie es auch der Richter gestern abschließend formuliert hat, mehr für die Rehabilitierung des Hotelmitarbeiters tun als jedes Gerichtsurteil. Vielleicht sorgt der Fall - und das ist zugegebenermaßen eine kühne Hoffnung - aber auch dafür, dass sich unsere Erregungskultur ein wenig abkühlt. Denn entschuldigen musste sich gestern nicht nur Ofarim, sondern auch der ein oder andere Politiker, der sich nach Ofarims auf Instagram veröffentlichten Vorwürfen zu schnell ein Urteil gebildet hat.

Ich empfehle Ihnen dazu auch den Kommentar meiner Kollegin Karin Schlottmann, die meint: "Ofarim kommt zu leicht davon".

Ihr Tobias Winzer, Politikredakteur Sächsische.de

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Krankenhausplan: Keine Schließung, aber weniger Betten

Sachsens Kabinett hat am den ab 1. Januar 2024 gültigen Krankenhausplan für den Freistaat beschlossen. Demnach soll es künftig flächendeckend, über ganz Sachsen verteilt, Krankenhäuser der Regel- und Schwerpunktversorgung geben, zudem Maximalversorger und Fachkrankenhäuser. "Keines der 76 Krankenhäuser wird geschlossen", sagte Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) bei der Vorstellung der Pläne. Sächsische.de fasst die Hintergründe und Reaktionen aus der Politik hier zusammen. Das sind die wichtigsten Punkte in Kürze:

- Die Kliniken in Borna und Bautzen werden neue Schwerpunktversorger. Deren Zahl steigt damit von neun auf elf.
- Die Kliniken Weißwasser und Radeburg sind künftig Regelversorger mit dem Zusatz Gesundheitszentrum (stationäre und ambulante Versorgung).
- Sachsen schafft insgesamt 20 Zentren, sogenannte "Leuchttürme", zum Beispiel krankenhausübergreifende onkologische Zentren.
- Drei neue medizinische Berufsfachschulen entstehen: in Kreischa, Coswig und Bennewitz.
- Die Bettenzahl wird sachsenweit um drei Prozent verringert.
- Welche Kliniken künftig welche Behandlungen anbietet, wird erst Ende des Jahres bekanntgegeben.

Wagenknecht-Landesverband soll bis Frühjahr stehen

Der geplante sächsische Landesverband einer noch zu gründenden Wagenknecht-Partei soll bis zum Frühjahr startklar sein. Das sagt die ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann gegenüber dem MDR. "Bei uns sind bereits rund 100 Rückmeldungen von Interessenten eingegangen, die mitmachen wollen – vom Intensivpfleger bis zum Bürgermeister. Der Landesverband hier in Sachsen sollte bis März oder April stehen. Zu den Lokalpolitikern, die sich Wagenknecht anschließen wollen, gehört dem Bericht zufolge auch Heiko Döhler. Er saß bisher als Fraktionsvorsitzender für die Linksfraktion im Stadtrat von Werdau. Döhler hat zusammen mit den anderen Mitgliedern der Fraktion zum Monatsende seinen Austritt bei der Linken erklärt. Künftig wollen sie dann eine neue Fraktion bilden. Das Vorhaben, den Landesverband zu gründen, steht unter Zeitdruck. Will das Wagenknecht-Bündnis als Partei in Sachsen zur Landtagswahl am 1. September antreten, müssen die Landeslisten mit den Kandidaten Ende Juni beim Wahlleiter vorliegen.

OB-Wahl Pirna: SPD unterstützt CDU-Kandidatin

Im zweiten Wahlgang der Pirnaer Oberbürgermeister-Wahl am 17. Dezember werden aller Wahrscheinlichkeit nach drei Kandidaten antreten. Nachdem bereits Tim Lochner (AfD) und Ralf Thiele (Freie Wähler) ihre Teilnahme angekündigt haben, folgte am Dienstag CDU-Kandidatin Kathrin Dollinger-Knuth. Ralf Wätzig (SPD), nominiert auch von den Grünen und unterstützt von den Linken, sowie Einzelkandidat André Liebscher verzichten damit auf eine weitere Kandidatur – und unterstützten nun gemeinsam die Christdemokratin. "Uns ist es wichtig, eine große Bandbreite abzubilden, vom parteizugehörigen bis zum unabhängigen Kandidaten, um ein möglichst breites Angebot an die Bevölkerung zu machen", sagt die Dollinger-Knuth. Sie peilt ein Ergebnis um die 44 Prozent an.

Nächster Lehrerstreik am Nikolaustag

Die Gewerkschaften lassen im Tarifkonflikt für den öffentlichen Dienst der Länder nicht locker. Nachdem am Dienstag die Gewerkschaft GEW zu einem bundesweiten "Streiktag Bildung" aufgerufen hatte, plant der Beamtenbund (dbb) im Sächsischen Lehrerverband den nächsten landesweiten Warnstreik am Nikolaustag. Vor dem Finanzministerium in Dresden soll es am 6. Dezember eine zentrale Protestkundgebung geben, teilt der Verband mit. Der Warnstreik solle das "große Finale der Arbeitskampfmaßnehmen" vor der nächsten Tarifrunde ab 7. Dezember werden. Derweil waren die Auswirkungen des Streiks am Dienstag an den Schulen wohl überschaubar. Zumindest in Dresden gab es keine größeren Stundenausfälle. Im Landkreis Meißen hingegen mussten einige Schulen komplett schließen.

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