Update Sachsen
Merken

Sachsens Koalitionsregierung rutscht in heftige Krise

Die CDU sagt ein klares Nein zum Entwurf des Agrarstrukturgesetzes. Damit droht nun nach dem Vergabegesetz ein weiteres Vorhaben zu scheitern. Der grüne Agrarminister warnt vor einem Bruch des Koalitionsvertrages.

Von Annette Binninger
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Blick in den Sächsischen Landtag. Die CDU will dem Agrarstrukturgesetz nicht zustimmen. Der grüne Vize-Ministerpräsident sieht in der Absage einen Bruch des Koalitionsvertrages.
Blick in den Sächsischen Landtag. Die CDU will dem Agrarstrukturgesetz nicht zustimmen. Der grüne Vize-Ministerpräsident sieht in der Absage einen Bruch des Koalitionsvertrages. © Robert Michael/dpa

Zwickau/Dresden. Ganz überraschend kommt es nicht. Der Ärger zwischen CDU und Grünen um das Agrarstrukturgesetz schwelt bereits seit Monaten, kochte immer mal wieder hoch, legte sich aber bisher auch immer wieder. Diesmal ist es anders. Am Freitagmorgen machte CDU-Landtagsfraktionschef Christian Hartmann, gerade zu mit seiner Partei zu einer Fraktionsklausur in Zwickau versammelt, eine recht klare Ansage. Man werde das geplante Agrarstrukturgesetz in der aktuellen Fassung ablehnen. Es werde kein Ja zu dem Gesetzentwurf geben. Seine Begründung ging dabei in die gleiche Richtung wie schon beim jahrelangen politischen Fingerhakeln mit Koalitionspartner SPD um das Vergabegesetz – die Mehrheit der Verbände lehne das Gesetz ab. Doch gegen sie könne und wolle man eben nicht eine Entscheidung treffen.

Während Hartmann nicht davon ausging, dass damit der Bestand der Koalition gefährdet sein könnte, meldete sich kurz darauf bereits der grüne Vize-Ministerpräsident, Umweltminister Wolfram Günther, empört zu Wort. „Die Absage an das Gesetz ist ein Bruch des Koalitionsvertrags“, erklärte Günther per Pressemitteilung, während er gerade auf einem Parteitag in Chemnitz die Listenaufstellung zur Landtagswahl vorbereitet.

Da hatte Hartmann kurz zuvor bereits süffisant vorgeahnt, dass das Nein zum Wunsch-Gesetz der Grünen „nicht auf viel Wohlgefallen in Teilen der Koalition fallen wird“. Man habe die Regierungspartner bereits informiert. Doch er gehe nicht davon aus, dass dass damit der Bestand der Koalition gefährdet sein könnte. Und überhaupt: Man sei doch bereit, über ein Agrarstrukturgesetz „in einer modifizierten Fassung unter Einbindung der Verbände zu sprechen“, versicherte Hartmann. Das Ministerium habe einen Dialog mit den Bauernverbänden begonnen. In diesem Rahmen könne man auch über eine Gesetzesnovelle sprechen.

Agrarstrukturgesetz: Grüne reagieren empört auf CDU-Absage

Die Grünen reagierten dennoch empört auf die An- und Absage der CDU. Das Agrarstrukturgesetz stehe im Koalitionsvertrag. „Es ist zweimal im Kabinett beschlossen und im Koalitionsausschuss mit Zeitplan bestätigt worden“, so Günther. „Alle wurden beteiligt, alles wurde berücksichtigt.“ Die „letzte Chance für die CDU-Fraktion, sich vertragstreu zu verhalten“, gebe es im Mai-Plenum, fügte er hinzu.

Zugleich verteidigte Günther das Gesetz: „Wir brauchen das Agrarstrukturgesetz, um den Ausverkauf der Landwirtschaft an Finanzinvestoren auch aus dem Ausland und an Lebensmittelkonzerne zu verhindern.“ Die Preise für Kauf und Pacht seien rasant gestiegen und stiegen weiter. Nur ein Teil der Verbände lehne das Gesetz ab. Der Gesetzentwurf sei mehrfach mit ihnen diskutiert und angepasst worden. „Übrigens auch auf ausdrückliche Forderung und mit ständiger Beteiligung der CDU-Fraktion“, reagierte Günther verärgert.

Das sächsische Agrarministerium will mit dem Gesetz einen Ausverkauf landwirtschaftlicher Flächen verhindern. Ein wesentliches Anliegen besteht darin, den Zugriff auf Landwirtschaftsflächen für Eigentum und Pacht "in einer Hand" auf ein verträgliches Maß zu beschränken und so den Einfluss einzelner Marktteilnehmer zu begrenzen, wie das Ministerium vor einem knappen Jahr das Anliegen formuliert hatte. Kritiker befürchten aber auch mehr Bürokratie.

Laut Hartmann hält die CDU eine Steuerung in diesem Bereich durchaus für sinnvoll. Sie könne aber nicht schwerpunktmäßig „in der Stärkung der Umweltverbände“ liegen, sondern müsse in der Sicherung von Agrarland für die Agrarwirtschaft bestehen. Der Fraktionschef hielt es für eher unwahrscheinlich, noch bis zum Ende der Legislaturperiode in wenigen Monaten eine modifizierte Fassung des Gesetzes zu verabschieden. Es gebe aber die Möglichkeit, im laufenden Dialog Grundlage für eine Entscheidung in der neuen Legislatur zu schaffen.

Kritik: CDU stellt Lobbyinteressen über das Gemeinwohl

Doch darauf wollen die Grünen nicht warten, sondern noch in dieser Legislatur eine Lösung. „Unser Verständnis für das Verhalten der CDU-Fraktion ist aufgebraucht. Die Ablehnung ist substanzlos und nicht nachvollziehbar“, schimpfte Valentin Lippmann, der Parlamentarische Geschäftsführer und Vize-Chef der Grünen-Landtagsfraktion. Die Grünen bestünden darauf, dass das Gesetz noch in dieser Legislatur beschlossen werde. Das wolle man auch im nächsten Koalitionsausschuss deutlich machen. Das Agrarstrukturgesetz sei „ein wichtiger Baustein, um die wirtschaftliche Situation unserer Landwirtinnen und Landwirte in Sachsen zu stärken“, so Lippmann weiter. Denn das Gesetz schiebe unter anderem Bodenspekulationen einen Riegel vor.

Unlängst war auf Betreiben der CDU bereits ein neues Vergabegesetz für den Freistaat auf Eis gelegt worden. Das Projekt, das vor allem die SPD vorantrieb, sollte die Vergabe öffentlicher Aufträge an bestimmte Bedingungen knüpfen und nicht mehr nur dem billigsten Anbieter den Zuschlag geben.

Kritik am Nein der CDU kam auch von der Linkspartei. „Die CDU sorgt dafür, dass der Ausverkauf dringend benötigter landwirtschaftlicher Flächen ungebremst weitergeht“, kritisierte die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Antonia Mertsching. „Es ist unverantwortlich, dass die CDU wie beim Vergabegesetz Lobbyinteressen über das Gemeinwohl stellt. Die Frage, wem der Boden in Sachsen gehört, geht uns alle an!“

Unterdessen stellte die CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag bei ihrer Fraktionsklausur in Zwickau außerdem klar, dass sie keinen Spielraum mehr für zusätzliches Personal in der Landesverwaltung sehe. Sachsen leiste sich heute im Bundesvergleich die vierthöchste Personalquote, sagte ihr Finanzexperte Jan Löffler am Freitag bei einer Haushaltsklausur der Unionsfraktion in Zwickau. Das sei eine "sportliche Herausforderung". Man müsse versuchen, alle anstehenden Aufgaben mit dem vorhandenen Personal zu bewältigen. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz könnten dabei helfen.

Nach den Worten von Fraktionschef Christian Hartmann muss es vielmehr perspektivisch darum gehen, Personal abzubauen. Das sei auch "entspannt machbar". Schon heute seien rund 7.000 Stellen in der Staatsverwaltung nicht besetzt, weil man das Personal dafür nicht finde. Der Tarifabschluss bedeute im kommenden Jahr eine Milliarde Euro mehr im Landeshaushalt, stellte Hartmann klar. Die CDU hatte sich auf ihrer Klausur über Eckwerte des künftigen Haushaltes verständigt. (mit dpa)