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Sachsens Agrarminister Günther verspricht Bauern weniger Schreibtisch-Arbeit

Der sächsische Landesbauernverband hat Agrarminister Wolfram Günther (Grüne) nicht zum Bauerntag eingeladen. Im Interview erklärt der Minister, wie er sich für die Landwirte einsetzt.

Von Georg Moeritz
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Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne) will Sachsens Bauern unabhängiger vom Weltmarkt machen.
Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne) will Sachsens Bauern unabhängiger vom Weltmarkt machen. © Jürgen Lösel (Archivfoto)

Herr Günther, haben die sächsischen Bauern inzwischen die jährlichen Subventionen bekommen, nach dem Ärger über die Verzögerung zum Jahresende?

Das Geld ist im Januar ausgezahlt worden. Zusätzlich können die Bauern einen Nachteilsausgleich beantragen, das gibt es nur in Sachsen. Übrigens konnten nur vier Bundesländer das Geld wie gewohnt im Dezember vollständig auszahlen.

Sind die technischen Hürden beseitigt, sodass die Betriebe dieses Jahr wieder im Dezember mit dem Geld rechnen können?

Ja. Denn wir standen dieses Jahr am Beginn einer neuen EU-Förderperiode und es musste sehr viel aufwändig neu programmiert werden.

Sachsens Bauernpräsident Krawczyk scheint trotzdem noch sauer auf Sie zu sein. Zum Bauerntag in dieser Woche ist wie voriges Jahr Ministerpräsident Kretschmer eingeladen, um dort zu sprechen ...

Der Bauernpräsident und ich sprechen regelmäßig und oft miteinander. Mit dem Bauernverband sind wir wie mit allen anderen Verbänden wie gewohnt ständig im Austausch. Das geht auch nicht anders bei den vielen Herausforderungen in der Landwirtschaft. Zum Bauerntag bin ich nicht eingeladen, dazu müssten Sie aber den Bauernverband fragen. Ich bin zeitgleich auf der Agrarministerkonferenz und arbeite an den Themen, die unsere Landwirtinnen und Landwirte bedrücken. Dazu gehört die Bürokratie, da müssen wir zu Lösungen kommen.

Lässt sich da wirklich etwas machen? Mit der neuen EU-Förderperiode gibt es doch neue Umweltprogramme, geht das mit weniger Formalitäten?

Wir brauchen Entlastungen für die Branche. Die Bauern sollen wieder mehr auf dem Acker arbeiten können und weniger am Schreibtisch. Dafür sind sie ja mal Landwirtin oder Landwirt geworden. Deswegen sind wir jetzt als Staatsregierung in einem vertieften Dialogprozess mit dem Berufsstand. Da ist auch der Chef der Staatskanzlei dabei. Auch die Fachverbände sind beteiligt, ob für Schweinehaltung, Obstbau oder Teichwirtschaft. Wir diskutieren in einem strukturierten Prozess, in Workshops und im April auch auf der Messe Agra in Leipzig konkrete Vorschläge, damit wir tatsächlich zu Vereinfachungen kommen.

Wo könnte das gelingen?

Wir können in Sachsen Meldepflichten und bestimmte Verfahren vereinfachen. Zur Wahrheit gehört: Viele Vorschriften kommen aus der EU und dem Bund. Wir werden die Schmerzpunkte der Landwirte also auch beim Bund und in Brüssel einbringen.

Große Treckerdemonstrationen gab es, weil Steuervergünstigungen beim Agrardiesel gestrichen werden. Der Deutsche Bauernverband erwartet dafür einen Ausgleich, was kann da kommen?

Ich habe mich deutlich gegen die Streichung positioniert, sie bringt übrigens auch klimapolitisch überhaupt nichts. Das Thema Agrardiesel war für viele Landwirte der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Im Fass steckt eine jahrzehntelang verfehlte Landwirtschaftspolitik. Die war vor allem dadurch geprägt, dass sie die Landwirtschaft auf Massenproduktion für den Weltmarkt getrimmt hat. Wer aber einseitig darauf setzt, wird abhängig von schwankenden Weltmarktpreisen. Das führt dann dazu, dass ein Betrieb nicht kostendeckend arbeitet, wenn die Preise fallen. Die Landwirte brauchen verlässliche Rahmenbedingungen und weniger Abhängigkeit von schwankenden Weltmarktpreisen. Wir brauchen eine wirtschaftliche starke Landwirtschaft, damit sie mehr zum Klimaschutz, zum Erhalt der Artenvielfalt beitragen kann.

Können Sie die bieten?

Wir müssen von den massiven Fehlsteuerungen wegkommen, die frühere Regierungen betrieben haben. Wenn wir merken, dass die Abhängigkeit von schwankenden Weltmarktpreisen Teil des Problems ist, müssen wir einen Schwerpunkt auf regionale Wertschöpfung setzen. Das tun wir. Bauernhöfe bekommen eine viel bessere Stellung, wenn sie in der Region mit Verarbeitern und Großküchen zusammenarbeiten. Wir fördern diese Verbindungen. Die Nachfrage nach regionalen und nach Bioprodukten ist gestiegen, der Ökolandbau in Sachsen hat deutlich zugelegt. Das hilft der Branche, wir sind auf dem richtigen Weg.

Die wichtigsten Agrarprodukte aus Sachsen sind aber Getreide und Milch, da geht es um große Mengen. Wie geht es den Bauern zur Zeit, wie lässt sich helfen?

Die Einkommen der Landwirtschaftsbetriebe sind in den vergangenen beiden Jahren deutlich gestiegen, aber eben auch die Preise für Betriebsmittel, für Dünger. Die Ernten waren gut, aber sehr teuer. Und jetzt sacken die Getreidepreise wieder ab. Deswegen müssen wir ja an mehr Regionalität arbeiten. Die Anbaukulturen müssen deutlich vielfältiger werden, dafür brauchen die Betriebe aber auch die passende Weiterverarbeitung und den Vertrieb. Diesen Wunsch haben auch die Bauernverbände, und daran arbeiten wir systematisch gemeinsam mit dem Berufsstand. Dafür haben wir Förderprogramme, wir haben unsere Regionalagentur Agil und die Bio-Region-Modellregionen. Und als Bündnisgrüner setze ich mich dafür ein, dass Landwirte auch mit Umweltleistungen Geld verdienen.

Sachsen soll in diesem Jahr ein Agrarstrukturgesetz bekommen, bringt das neue Formalitäten?

Wir brauchen ein Agrarstrukturgesetz, um den Ausverkauf der Landwirtschaft an Finanzinvestoren und Lebensmittelkonzerne zu stoppen. Das Gesetz hilft der Branche. Diese Investoren bieten so hohe Preise für Land, dass Bauern längst nicht mehr mithalten können. 2009 hat man in Sachsen für einen Hektar Agrarland noch 5.000 Euro bezahlt, und 2022 waren es über 21.000 Euro. Das kann sich kein Landwirt mehr leisten.

Der Landesbauernverband wendet sich trotzdem gegen das Gesetz, weil er darin eine Einschränkung für Großbetriebe sieht. Berechtigt?

Der Berufsstand ist gespalten. Die explodierenden Kauf- und Pachtpreise sind real. Die aktuellen Gesetze verhindern das Landgrabbing nicht. Unser Gesetz beschränkt Großbetriebe nicht, es bietet ihnen vollen Bestandsschutz und Schutz vor Ausverkauf. Es beschränkt Finanzinvestoren, die von außen in die Landwirtschaft eindringen, die mit Boden zocken wollen. Dafür wollen wir etwa die sogenannten Share Deals kontrollieren, wenn ein Finanzinvestor mithilfe von Anteilskäufen einen Betrieb faktisch übernimmt, auch wenn sich im Grundbuch nichts ändert. Das Gesetz hat die Aufgabe, die bestehenden, vielseitigen Agrarstrukturen in Sachsen zu schützen. Dazu gehören kleine und große Betriebe.

Das Gespräch führte Georg Moeritz.