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Warum am Donnerstag doch wieder Landwirte in Dresden demonstrieren

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft unterstützt Sachsens Agrarminister Wolfram Günther mit einer Demonstration für das neue Agrarstrukturgesetz. Der Landesbauernverband ist dagegen. Worum es geht.

Von Georg Moeritz
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Werden Sachsens Agrarbetriebe immer größer? Die AbL will am Donnerstag in Dresden für das geplante Agrarstrukturgesetz demonstrieren.
Werden Sachsens Agrarbetriebe immer größer? Die AbL will am Donnerstag in Dresden für das geplante Agrarstrukturgesetz demonstrieren. © Archivfoto: Thomas Kretschel

Dresden. An diesem Donnerstag werden erneut Landwirte in Dresden demonstrieren. Mit Traktoren und Mistgabeln wollen sie vor dem Sächsischen Landtag aufziehen. Der Aufruf kommt diesmal von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und hat ein andere Forderung als die Demonstrationen der vergangenen Tage. Ursprünglich war der Protest für 8:15 Uhr angekündigt. Am Mittwoch teilte die AbL mit, sie verschiebe ihre Aktion auf 12 Uhr. Dann könnten sich auch Landtagsabgeordnete öffentlich dort äußern.

Zuvor hatte Torsten Krawczyk, Präsident des Sächsischen Landesbauernverbandes, eine Protestruhe bis Ende des Monats angekündigt. Doch die beiden Vereine sind uneins über ein Thema, das bei den Großdemonstrationen der vergangenen Woche kaum zur Sprache kam.

Die AbL will mit ihrer Demonstration Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne) und das geplante Sächsische Agrarstrukturgesetz unterstützen. Zu diesem Gesetz findet am Donnerstag eine Anhörung des Landwirtschaftsausschusses statt. Der Landesbauernverband lehnt das Gesetz ab. Zudem hat sein Verbandspräsident Krawczyk am Freitag angekündigt, den Rücktritt von Minister Günther zu fordern, falls Ende Januar noch nicht die verzögerten EU-Subventionen auf den Konten der sächsischen Bauernhöfe sind.

Mit dem Agrarstrukturgesetz will Minister Günther erreichen, dass ansässige Landwirte künftig beim Grundstückskauf bevorzugt werden. Das ist auch im Interesse der AbL, die sich in ihrer Satzung von der "Agrarindustrie" und "multinationalen Konzernen" distanziert. Laut Clemens Risse, Geschäftsführer der AbL in Sachsen, können hiesige Landwirte die gestiegenen Landpreise nicht mehr durch ihre Arbeit innerhalb einer Generation finanzieren.

AbL: Investoren bieten höhere Preise als Bauern für Land

Die AbL-Mitglieder wollen den Landtag auffordern, dafür zu sorgen, dass "außerlandwirtschaftliche Investoren" nicht weiterhin sächsische Bauernhöfe und deren Äcker und Wiesen aufkaufen. Laut Verband haben Investoren wie die Aldi-Stiftung und die Münchner Rückversicherung seit der Wende weite Flächen in Ostdeutschland gekauft. Solche Investoren könnten höhere Preise zahlen als die Bauern.

Laut Landwirtschaftsminister Günther werden Betriebsübergaben innerhalb von Bauernfamilien "immer herausfordernder". Immer mehr Betriebe stünden vor einem Generationswechsel. Doch andere Investoren drängten auf den Bodenmarkt und trieben die Preise für Kauf und Pacht landwirtschaftlicher Fläche hoch. Als die Landesregierung den Entwurf des Agrarstrukturgesetzes im September ins Gesetzgebungsverfahren einbrachte, sagte Günther, die Preise in Sachsen hätten sich seit 2009 so gut wie vervierfacht. Einheimische Landwirte könnten da "nicht mehr mithalten".

Laut AbL haben sich die Kaufpreise in Sachsen von etwa 4.100 Euro je Hektar im Jahr 2005 auf mehr als 13.400 Euro je Hektar im Jahr 2020 erhöht. Ein Landwirt sei im März um zwei Millionen Euro beim Kauf eines Betriebs in Südbrandenburg überboten worden. Die AbL setzt sich nach eigenen Angaben für eine bäuerliche Landwirtschaft ein, zu der "weitgehend selbstverantwortliches Arbeiten, Denken in Generationen und Kreisläufen" gehört. Sie beteiligt sich auch an einer Großdemonstration in Berlin am 20. Januar aus Anlass der Grünen Woche, zu der unter anderem Umweltverbände und Bio-Anbauverbände aufrufen.

Bauernpräsident: Große Agrarbetriebe nicht behindern

Das geplante Sächsische Agrarstrukturgesetz soll laut Minister Günther Landwirte bei Kauf und Pacht vor "Landgrabbing" (Land schnappen) und spekulativ überhöhten Marktpreisen schützen. Der Einfluss einzelner Marktteilnehmer werde begrenzt. Allerdings werde das Gesetz nicht grundsätzlich unterbinden, dass jemand Anteile an Agrarunternehmen kauft. Ein großer Teil der sächsischen Bauernhöfe ist als GmbH oder Aktiengesellschaft organisiert, sodass eine Betriebsnachfolge nur über Anteilsübertragungen möglich sei.

Sachsens Bauernpräsident Krawczyk sagte zu dem Entwurf schon vor einem Jahr auf Nachfrage von sächsische.de, er finde es grundsätzlich richtig, „Chinesen wegzuhalten“ und auch Pachtpreise zu deckeln. Doch das Gesetz dürfe nicht vorhandene sächsische Großbetriebe der Landwirtschaft einschränken und Fusionen behindern. Die Landesregierung solle "sämtliche Lenkungsabsichten" unterlassen. Der Staat sei nicht der bessere Unternehmer.

In Thüringen ähnlicher Konflikt um Agrarstruktur

In seiner Stellungnahme zum Entwurf des Agrarstrukturgesetzes hat der Landesbauernverband viele Ablehnungsgründe formuliert. Oberflächlich betrachtet erscheine eine Preisstabilisierung begrüßenswert, heißt es in der Stellungnahme. Doch eine Kappung der Landpreise könne auch eine "massive Entwertung bäuerlichen Vermögens" bewirken und den Betrieben Wirtschaftskraft entziehen. Ein Verkauf von Anteilen finde "immer freiwillig" statt, schrieb der Landesbauernverband.

Die Vereinigung "Familienbetriebe Land und Forst Sachsen und Thüringen" ist wie der Landesbauernverband gegen das Agrarstrukturgesetz. Der Vorsitzende Hartwig Kübler forderte, die Pläne einzustellen. Sie würden den Betrieben Unmengen an Verwaltungsaufwand bringen. In Thüringen wandten sich die Agrargenossenschaften gegen ein ähnliches Gesetzesvorhaben.

Die sächsische Linken-Abgeordnete Antonia Mertsching dagegen äußerte sich verwundert über die Ablehnung durch den Landesbauernverband. Nach ihrem Eindruck sei zwischen Ministerium und Verband eine Situation entstanden, bei der es "nicht um die sachliche Lösung von Problemen, sondern um Befindlichkeiten" gehe. Sie wies darauf hin, dass auch die Bauernverbände "immer wieder das Problem der Landnahme thematisiert" hätten. Die Kaufpreise für Boden seien stark gestiegen, Landwirte benötigten weiterhin einen Zugang zu diesem knappen Gut.