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Sachsens Landtag streitet für mehr Zusammenhalt

Die Stimmung in Deutschland ist aufgewühlt, viele Menschen sind verunsichert. Immer wieder entlädt sich Protest auf der Straße in Demonstrationen. Zugleich sehen viele die Demokratie bedroht. Auch im Landtag ist die Stimmung in Sachsen ein Thema.

Von Thilo Alexe
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In der aktuellen Landtagsdebatte wurde darüber diskutiert warum die aktuellen Demonstrationen in ganz Deutschland ein gutes Zeichen für die Demokratie sind.
In der aktuellen Landtagsdebatte wurde darüber diskutiert warum die aktuellen Demonstrationen in ganz Deutschland ein gutes Zeichen für die Demokratie sind. © Robert Michael/dpa

Dresden. Es sind bemerkenswerte Zeiten. Hunderttausende ziehen seit zwei Wochen bundes- und landesweit durch die Straßen, als Engagement für Demokratie und eine offene Gesellschaft. Die Aufzüge formieren sich in Sachsen zu den größten Demonstrationen seit der friedlichen Revolution 1989. Andererseits sinkt – das zeigt der repräsentative Sachsen-Monitor – das Vertrauen in Bundes- und Landesregierung sowie in das Funktionieren der Demokratie rapide. Auf Wachstumskurs sind Ressentiments.

Die SPD im Landtag will dieses komplexe Stimmungsbild ausleuchten. Titel der von ihr beantragten Aussprache: „In den Farben getrennt, als Demokraten geeint? Politische Reaktionen auf gesellschaftliche Stimmungen in Sachsen“. SPD-Chef Henning Homann startet die Debatte am Donnerstag mit einem Appell: „Lasst uns in diesem Land zusammenbleiben.“

Debatte um Remigration

Abgrenzende Worte wählt er jedoch mit Blick auf die AfD. Sie sage, „uns geht es gut, wenn es Deutschland schlecht geht“. Nach deren Logik werde auch „der Fußballtrainer verschwinden, nur weil er einen syrischen Spieler in der Startelf seiner Mannschaft aufgestellt hat“. Homann spielt auf das sogenannte Potsdamer Geheimtreffen von Rechtsextremisten an, bei dem es in Anwesenheit von AfD-Politikern um Remigration gegangen sein soll. Die jüngsten Proteste sind auch eine Reaktion darauf.

Oliver Schenk ist aktuell Chef der Staatskanzlei in Sachsen und Spitzenkandidat der sächsischen CDU bei der Europawahl 2024.
Oliver Schenk ist aktuell Chef der Staatskanzlei in Sachsen und Spitzenkandidat der sächsischen CDU bei der Europawahl 2024. ©  dpa/Sebastian Kahnert

Verbal geht es stellenweise auch für sächsische Landtagsverhältnisse äußerst heftig zu. Die Linke Susanne Schaper wirft der AfD vor, „weiter radikalisieren und brutalisieren“ zu wollen. Der AfD-Abgeordnete Sebastian Wippel stellt die Zwischenfrage, ob Schaper Beweise habe, dass seine Partei Massendeportationen plane.

Die Linkenchefin entgegnet: „Sie wollen Remigration als Gebot der Stunde.“ Zudem verweist sie auf eine Aussage des thüringischen AfD-Chefs Björn Höcke. Der betonte unlängst in Gera: „Wir werden auch ohne Probleme mit 20, 30 Prozent weniger Menschen in Deutschland leben können.“ Schaper wirft der AfD Bigotterie vor. Diese sei „widerlich und menschenverachtend“.

Das will die AfD, die der Landesverfassungsschutz in Sachsen seit Dezember als rechtsextrem einstuft, nicht auf sich sitzenlassen. Die Partei steht unter Druck. Seit Beginn der Pro-Demokratie-Demonstrationen sind Umfragewerte im Bund leicht rückläufig. In Freital ist die Stadtratsfraktion von acht auf zwei Mitglieder geschrumpft – auch wegen Differenzen bei der Kandidatenaufstellung. Im Landtag verschiebt sich die Einsetzung des von der AfD beantragten Untersuchungsausschusses zur Fördermittelvergabe im Sozialressort wegen verfassungsrechtlicher Bedenken. Und ein Abgeordneter kam seinem Ausschluss durch Fraktionsaustritt zuvor.

AfD-Landeschef Jörg Urban weist die an seine Partei gerichtete Kritik im Zusammenhang mit dem Potsdamer Treffen zurück. Es habe sich um eine private Zusammenkunft gehandelt. „Da wurde nicht von Deportation gesprochen“, sagt Urban. Die jüngsten Proteste hält er für gelenkt: „Inszenierte Demonstrationen werden unsere Demokratie nicht retten.“ Der AfD-Abgeordnete Carsten Hütter sieht als Grund für die Unzufriedenheit im Land eine umfassende Bevormundung. Menschen wollten nicht „durch den Staatsfunk gepredigt“ bekommen, was sie essen, denken oder wie sie heizen sollen.

CDU-Redner kritisiert "Absolutismen" der Ampel

Der Grüne Valentin Lippmann lobt die Demonstrationen: „Die Republik erhebt sich seit einigen Wochen sichtbar gegen ihre Feinde.“ Und zur allgegenwärtigen Ampel-Kritik sagt er etwas flapsiger: „Nicht immer sind alle in Berlin blöd.“ Wie CDU-Redner Alexander Dierks plädiert auch Lippmann für stilvolles Streiten in der Sache.

Dierks geht dabei auf Distanz zur Ampel. Er spricht mit Blick auf Asyl- und Energiepolitik von „Absolutismen, die erkennbar nicht in die richtige Richtung weisen“. Die Linke Schaper beunruhigt, dass – laut Umfrage – zwei Drittel der Sachsen ihren Mitmenschen kaum vertrauen. „Wie kommt dieses unglaubliche Misstrauen in unsere Gesellschaft?“ Sie sagt: durch soziale Unsicherheit.

Aus Sicht von Staatskanzleichef Oliver Schenk (CDU) wollen die Demonstranten kein „sich verschließendes“ und „grimmiges Land“. Der Erfolg des Staates messe sich an dessen Fähigkeit zur Lösung von Problemen. Der jüngst vorgestellte Sachsen-Monitor verdeutliche, dass die Menschen die eigene Zukunft zwar optimistisch, das Land aber in schlechter Verfassung sähen. „Wir erleben herausfordernde Zeiten.“