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Mehr Deutsch- und Sachunterricht für Sachsens Grundschüler

Sachsens Kultusministerium reagiert damit auf das sinkende Leistungsniveau im Lesen und Schreiben. Dass dafür der Anfangsunterricht wegfällt, ist umstritten.

Von Andrea Schawe
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Die Grundschüler in Sachsen sollen künftig besser lesen und schreiben können.
Die Grundschüler in Sachsen sollen künftig besser lesen und schreiben können. © dpa

Dresden. In Sachsens Grundschulen gibt es ab dem kommenden Schuljahr mehr Deutsch- und Sachunterricht. In der ersten Klasse wird eine zusätzliche Stunde Sachkunde unterrichtet, in der zweiten Klassen eine zusätzliche Stunde Deutsch. Das gilt auch für Förderschulen, die nach dem gleichen Lernziel unterrichten.

"Mit dieser Lösung geben wir der sprachlichen Bildung mehr Raum, um die Grundlagen zu sichern", sagte Kultusminister Christian Piwarz (CDU). "Wir brauchen das tägliche Üben in Lesen und Rechtschreiben." Zudem soll das Wissen der Schülerinnen und Schüler in Natur, Technik und Gesellschaft gestärkt werden.

Mit den zusätzlichen Stunden in Deutsch und Sachunterricht sollen jedoch keine Streichungen in anderen Fächern verbunden sein, so der Kultusminister. Genutzt werden die zwei Unterrichtsstunden, die bislang für den Anfangsunterricht in den Klassenstufen 1 und 2 zur Verfügung standen. Diese konnten die Schulen für individuelle Förderung beim Übergang von der Kita zur Schule verwenden.

Leistungstests für alle Zweitklässler im Mai

Sachsen reagiert damit auf ein sinkendes Leistungsniveau der Schüler in den Grundkompetenzen Lesen und Schreiben. Zwar belegten Sachsens Grundschüler beim IQB Bildungstrend 2021 erneut erste und zweite Plätze. Doch auch in Sachsen ist der Anteil der Grundschüler, die Defizite beim Lesen, Schreiben und Rechnen haben, größer geworden.

Ein Grund sei die zunehmende Heterogenität der Schülerschaft. "Die Kinder kommen heutzutage mit Entwicklungsunterschieden von bis zu drei Jahren in die Schule", so Piwarz. "So wird es immer schwerer, allen Schülerinnen und Schülern die basalen Kompetenzen zu vermitteln." Schon im Januar hatte der Minister angekündigt, in diesem Jahr erstmals den Lernstand aller Zweitklässler in Mathematik und Deutsch zu ermitteln.

In einem zweiten Schritt soll es ab dem Schuljahr 2025/2026 je eine Stunde mehr Deutsch und Sachunterricht in den Klassenstufen 3 und 4 geben. Die Wochenstunden erhöhen sich somit in der dritten Klasse auf 26 Unterrichtsstunden, in der vierten Klasse werden es 25 Stunden sein. Dazu werden etwa 100 zusätzliche Grundschullehrer benötigt, sagte der Kultusminister.

Besserer Übergang von der Kita zur Schule nötig

Die Basiskompetenzen zu stärken, sei eine gute Entscheidung, sagt die Bildungspolitikerin Christin Melcher (Grüne). "Für einen erfolgreichen Bildungsweg müssen die Grundlagen stimmen." Eine zusätzliche Stunde schaffe Zeit zum Üben und Festigen. Allerdings sei die Umwidmung der Stunde aus dem Anfangsunterricht nicht unproblematisch. "Oftmals ist gerade hier eine differenzierte Förderung oder Kleingruppenarbeit möglich."

Außerdem sollten die Bemühungen zur Stärkung der Basiskompetenzen nicht dazu führen, dass die Stundenpläne überfrachtet werden, so Melcher. "Das gilt insbesondere für die Pläne, ab dem Schuljahr 2025/26 auch in den Klassenstufen 3 und 4 eine zusätzliche Deutschstunde einzuführen." Erst vor fünf Jahren waren Wochenstunden gestrichen worden, um die Schüler zu entlasten.

Auch SPD-Bildungspolitikerin Sabine Friedel hält es für richtig, die Grundkompetenzen zu stärken. Es gehe aber nicht nur um den Umfang des Unterrichts, sondern auch die Art. "Qualität macht den Erfolg, nicht Quantität. Hier bleiben Hausaufgaben für das Kultusministerium."

Der Anfangsunterricht gab den Schulen die Möglichkeit, einen optimalen individuellen Übergang vom Kindergarten zur Schule zu organisieren, betonte Friedel. Die Schulvorbereitung und der Übergang von der Kita müsse daher verbessert und die Überarbeitung des sächsischen Bildungsplans für die Kindertageseinrichtungen vorangetrieben werden. "Dafür brauchen sowohl Schulen wie Kindergärten Zeit und mehr Ressourcen", so Friedel.

Lehrpläne an allen Schularten überarbeiten

Die Linkspartei hält es zwar für sinnvoll, den Deutsch- und den Sachkundeunterricht auszuweiten. "Allerdings wird dies keineswegs ohne Bildungsverluste anderer Stelle funktionieren", sagte Luise Neuhaus-Wartenberg. Der Anfangsunterricht sei wichtig, um soziale Kompetenzen auszuprägen. Selbst an den Grundschulen sei die Personaldecke immer noch viel zu kurz.

Die Linke-Bildungspolitikerin forderte, die Stundentafel an allen Schularten und in allen Schuljahren grundlegend zu überarbeiten. Auch die Grünen halten eine Entschlackung der Lehrpläne für weiterhin nötig. Der sächsische Lehrerverband will ebenfalls, dass die Lehrpläne und Stundentafeln auf den Prüfstand zu gestellt und so reformiert werden, dass sie den heutigen Anforderungen an Schule und Bildung gerecht werden.

Wichtiger als Lehrplanänderungen wären nach Ansicht der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) bessere Lernbedingungen. "Grundsätzlich begrüßen wir mehr Lernzeit in den Kernfächern Deutsch und Sachunterricht", sagte die stellvertretende Landesvorsitzende Claudia Maaß. Das gehe nach den jetzigen Plänen jedoch zulasten der Flexibilität und der Qualität des Lernumfelds, wenn der Anfangsunterricht wegfällt.

Bevor als Reaktion auf die schlechten PISA-Ergebnisse vorschnell die Stundentafeln erhöht werden, sollten zunächst die aktuellen Probleme in den Grundschulen gelöst werden, so Maaß. "Herausforderungen wie die zunehmende Heterogenität der Schülerschaft, Inklusion und Integration können nur gelingen, wenn die Lernbedingungen verbessert werden." Dazu seien kleinere Klassen, eine gezielte Unterstützung von Schulen in besonderen Lagen, verlässliche Förderangebote und Assistenzkräfte nötig.

Der sächsische Lehrerverband forderte außerdem Ausgleichsmaßnahmen für die Lehrkräfte. Zusätzliche Unterrichtsstunden an Grundschulen dürfen nur mit der Gewährung einer Klassenleiterstunde einhergehen, sagte der Landesvorsitzende Michael Jung. "Eine Erhöhung der Wochenstundenzahl an den Grundschulen bedeutet mehr Arbeit für die Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer."