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Mathe, Informatik, Technik: So will Sachsen die Naturwissenschaften an den Schulen retten

Der Lehrermangel an den Grundschulen nimmt ab, an Oberschulen und in Naturwissenschaften ist die Lage weiter kritisch. Nun will Sachsen das Studium verändern. Ist ein Lehrer für alle Schularten die Lösung?

Von Andrea Schawe
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In den Naturwissenschaftlichen Fächern an weiterführenden Schulen ist der Lehrermangel besonders groß.
In den Naturwissenschaftlichen Fächern an weiterführenden Schulen ist der Lehrermangel besonders groß. © dpa

Chemnitz/Dresden. Sachsen will im Kampf gegen den Lehrermangel die Ausbildung verändern. Damit soll vor allem dem Mangel an Fachlehrkräften in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik begegnet werden. Dazu haben Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow und Kultusminister Christian Piwarz (beide CDU) am Montag mit der Technischen Universität Chemnitz ein Eckpunktepapier unterzeichnet.

Das Studium werde attraktiver, durchlässiger und regionaler, sagte Kultusminister Piwarz. Er verwies darauf, dass das Grundschullehramt in Chemnitz ein großer Erfolg sei. Es gebe konstant hohe Bewerberzahlen und sehr gute Abschlussquoten. "Uns gelingt es zunehmend besser, freie Stellen bei den Grundschulen zu besetzen. Das ist bei den Oberschulen und in den MINT-Fachfächern schwieriger."

Das gemeinsame Maßnahmenpaket sei ein wichtiger Schritt für die Deckung des Lehrerbedarfs, sagte Wissenschaftsminister Gemkow. "Wir müssen dafür sorgen, dass mehr Menschen Naturwissenschaften studieren."

Sachsen hat die Zahl der Studienplätze im Lehramt in den vergangenen Jahren auf 2.700 erhöht. Allerdings werden nicht alle Plätze belegt, vor allem die Naturwissenschaften sind unterdurchschnittlich ausgelastet. Die meisten Lehramtsstudierenden schreiben sich in Dresden und Leipzig für Geisteswissenschaften an Gymnasien ein.

Auf diese Punkte haben sich Sachsens Wissenschafts- und Kultusministerium geeinigt:

TU Chemnitz wird auch Oberschullehrer ausbilden

Die TU Chemnitz wird ihr Lehramtsstudium erweitern und ab dem Wintersemester 2024/25 einen Masterstudiengang "Primarstufe Plus" anbieten. Absolventen des Lehramtsstudiums Grundschule können damit die Befähigung für das Oberschullehramt erlangen – zunächst nur im Fach Mathematik. Dieses Angebot gilt auch für bereits unterrichtende Grundschullehrer.

Außerdem entwickelt die Chemnitzer Universität einen Studiengang "Staatsexamen MINT Lehramt an Oberschulen". Er könnte ab dem Wintersemester 2026/27 angeboten werden, für die Fachdidaktik sind Kooperationen mit den Universitäten in Dresden und Leipzig geplant. Die dazugehörigen Praktika sollen in der Region Südwestsachsen absolviert werden. Das Wissenschaftsministerium hat dafür jährlich mehr als 530.000 Euro eingeplant.

Den Einstieg in den Lehrerberuf erleichtern

Ab dem Wintersemester 2024/25 ist auch eine Erweiterung des vorhandenen Bachelorstudiengangs MINT an der TU Chemnitz um eine Lehramtskomponente vorgesehen. Die Absolventen könnten sich mit zwei Fächern für den Seiteneinstieg bewerben und müssten nur ein einjähriges berufsbegleitendes Referendariat absolvieren, sagte Piwarz.

Außerdem hat Sachsen die Hürden für den Seiteneinstieg gesenkt. Seit diesem Schuljahr können sich auch Absolventinnen und Absolventen von Fachhochschulen ohne Fachzuordnung als Lehrkräfte bewerben.

Mehr Berufsschullehrer in den Regionen ausbilden

Auch für Berufsschullehrer soll es alternative Wege in das Lehramt in Sachsen geben. Ein Beispiel ist das Projekt "Option technisches Lehramt": Nach einem Bachelor-Studium der Ingenieurpädagogik haben die Absolventen die Möglichkeit, das Studium im Studiengang Lehramt an berufsbildenden Schulen an der TU Dresden fortzusetzen. Kooperationen bestehen mit den Hochschulen in Zwickau, Mittweida und Zittau/Görlitz.

Die Universität Leipzig prüft eine Kooperation mit der Hochschule Zittau/Görlitz im Bereich des Studiengangs Lehramt Sonderpädagogik. Bisher werden Förderschullehrer ausschließlich in Leipzig ausgebildet – es gibt 220 Plätze pro Jahr.

Neuer Modellstudiengang im Stufenlehramt geplant

SPD und Grüne setzen sich dafür ein, Lehrkräfte nicht mehr nach Schularten, sondern nach Alter der Schüler auszubilden. Die Lehrer können dann sowohl an der Oberschule als auch an Gymnasien und Gemeinschaftsschulen eingesetzt werden. Derzeit laufen Gespräche über einen entsprechenden Modellstudiengang mit der Universität Leipzig, sagte Wissenschaftsminister Gemkow. Details zum Start des Studienganges werden derzeit noch geklärt und in Kürze veröffentlicht.

Kultusminister diskutieren über weitere Maßnahmen

Auch in anderen Bundesländern fehlen Tausende Lehrkräfte. Deswegen diskutieren die zuständigen Minister und Ministerinnen im Rahmen der Kultusministerkonferenz über weitere Maßnahmen, sagte Piwarz. Dabei geht es etwa um den stärkeren Einsatz von Ein-Fach-Lehrern. Außerdem gibt es weiterhin Gespräche über das Thema duales Studium für Lehrer.

Kritik von Gewerkschaften und Studierenden

Der sächsische Lehrerverband forderte die Ausweitung der Lehrerausbildung an der TU Chemnitz auch auf die Studiengänge für Oberschullehrer, Förderschullehrer und Berufsschullehrer. "Ein Einheitslehrer, der an mehreren Schularten für die Unterrichtsabsicherung eingesetzt wird, kann nicht das erklärte Ziel sein", teilte der Vorsitzende Michael Jung mit.

Die Gewerkschaft für Wissenschaft und Erziehung (GEW) begrüßte das Vorhaben als "wichtigen Schritt für die langfristige Bekämpfung des Lehrkräftemangels". "Wir diskutieren bereits seit vielen Jahren, das Lehramtsstudium breiter aufzustellen, gezielte Maßnahmen gegen die hohen Abbruchquoten zu entwickeln und die starre Ausbildung für eine bestimmte Schulart zu hinterfragen", sagte Sachsens GEW-Chef Burkhard Naumann. Er forderte aber auch kurzfristig mehr Geld, um den Personalmangel an den Schulen zu lindern.

Die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS) hält eine Reform für dringend notwendig. "Der Freistaat muss die Lehrkräfte von morgen endlich besser auf den Alltag in den Schulen vorbereiten", sagte KSS-Sprecher Paul Steinbrecher. Dazu gehörten nicht nur mehr Praktikumsplätze und finanzielle Unterstützung, sondern auch weniger starre Curricula in den Unis und eine stärkere Berücksichtigung von Inklusion, Bildung für nachhaltige Entwicklung und politischer Bildung.