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Täglich 25 neue Fälle von häuslicher Gewalt in Sachsen

Die Zahl der Übergriffe vor allem gegen Frauen und Mädchen geht in Sachsen zwar leicht zurück. Dennoch gibt es noch immer viel zu viele Betroffene.

Von Gunnar Saft
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Mehr als 9.000 Fälle von häuslicher Gewalt wurden im vergangenen Jahr in Sachsen bekannt. Die meisten der Opfer waren Frauen und Mädchen. Das Land will nun die Kapazität der Schutzhäuser erhöhen und mehr Geld für die Prävention bereitstellen.
Mehr als 9.000 Fälle von häuslicher Gewalt wurden im vergangenen Jahr in Sachsen bekannt. Die meisten der Opfer waren Frauen und Mädchen. Das Land will nun die Kapazität der Schutzhäuser erhöhen und mehr Geld für die Prävention bereitstellen. © dpa

Es klingt zunächst wie eine ausschließlich gute Nachricht: So sind in Sachsen im vergangenen Jahr weniger Fälle von häuslicher Gewalt aktenkundig geworden, teilte Justizministerin Katja Meier (Grüne) jetzt in ihren Antworten auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion im Landtag mit. Tatsächlich ging die Zahl der registrierten Übergriffe im Vergleich zum Jahr 2020 um genau 212 Fälle zurück.

Das Gewaltproblem selbst, so zeigt es die weitere Bilanz der Ministerin, bleibt aber auch in Sachsen erschreckend groß. So wurden im Vorjahr immer noch 9.020 Fälle von häuslicher Gewalt bekannt – und damit fast 25 pro Tag. Und mit 5.280 Frauen und Mädchen unter den 7.685 Opfern waren die meisten Betroffenen weiblich. Erschreckend: Bei vielen von ihnen handelt es sich um Kinder und Jugendliche – so war bei den weiblichen Gewaltopfern zuletzt etwa jedes achte minderjährig.

Für Ministerin Meier, die im Landeskabinett auch für den Bereich Gleichstellung zuständig ist, ein Warnsignal. "Jeden Tag erleben Frauen Gewalt – überall auf der Welt – in Europa, in Deutschland, in Sachsen – mitten in unserer Gesellschaft. Das dürfen wir nicht akzeptieren und wir dürfen uns an diesen Zustand auch nicht gewöhnen." Am 25. November, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, setzte deshalb auch sie kürzlich mit einem eigens in oranges Licht getauchten Dresdner Dienstgebäude ein Zeichen gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Allein die Politikerin weiß: "Um Gewalt gegen Frauen wirklich effektiv zu bekämpfen, bedarf es natürlich viel mehr."

So will der Freistaat Sachsen im Verlauf des kommenden Jahres einen Aktionsplan zur Verhütung und Bekämpfung häuslicher Gewalt beschließen, der sich an der sogenannten Istanbul-Konvention orientiert, kündigte die Ministerin an. Die Konvention definiert Gewalt gegen Frauen und Mädchen als Menschenrechtsverletzung. Zudem plant das Land, im neuen Doppelhaushalt 2023/2024 mit insgesamt 21,6 Millionen Euro wesentlich mehr Geld für den Gewaltschutz zur Verfügung stellen.

Viele Migrantinnen suchen Schutz

Gegenwärtig existieren in Sachsen zudem 15 Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen mit insgesamt 141 Familienplätzen. Diese bestehen in der Regel aus einem Zimmer mit mindestens zwei Betten. Hinzu kommen 16 weitere Plätze in anderen Einrichtungen wie einer Schutzwohnung für Opfer von Menschenhandel oder in Leipzig in einem speziellen Schutzhaus für geflüchtete Frauen. Immerhin hatten von den insgesamt 326 Frauen, die seit Jahresanfang bis zum Sommer in den Frauenschutzeinrichtungen unterkamen, exakt die Hälfte keine deutsche Staatsangehörigkeit. Und gerade die Betreuung von Migrantinnen sei häufig mit einer längeren Aufenthaltsdauer und einem höheren Aufwand insbesondere für Sprachmittlungen verbunden, teilte das Gleichstellungsministerium mit.

Seit Sommer steigen die Belegungszahlen in den Einrichtungen kontinuierlich. Mitte November wurden dort gleichzeitig bereits 221 Frauen und Kinder betreut. Katja Meier reichen die Kapazitäten nicht aus: "Ich setze mich intensiv für eine Platzausweitung unter Berücksichtigung der Empfehlung der Istanbul-Konvention ein. Unsere Verhandlungen mit den einzelnen Landkreisen und den Einrichtungen des Hilfesystems haben das Ziel, einen Schutzplatz pro 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern zu gewährleisten." In Summe wären das 404 Familienplätze für ganz Sachsen.

Dazu soll das regionale Beratungs- und Betreuungsangebot für Gewaltopfer möglichst flächendeckend ausgeweitet werden. Im Juli öffnete in Freiberg im Landkreis Mittelsachsen die mittlerweile elfte Interventions- und Koordinierungsstelle im Freistaat. Anfang 2023 soll eine im Erzgebirgskreis hinzukommen und die Ministerin hofft auf eine weitere im Vogtlandkreis.