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Studierende kritisieren Genderverbot und befürchten Abwanderung

An Sachsens Schulen sind Gender-Sonderzeichen nach dem Willen des Kultusministeriums tabu. Die Schüler selbst sehen das anders. Auch Studierende kritisieren Genderverbot.

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Sachsens Kultusministerium weitet seine Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache aus.
Sachsens Kultusministerium weitet seine Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache aus. © Uli Deck/dpa

Dresden. Die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS) befürchtet als Folge des Genderverbots an Schulen des Freistaates eine Abwanderung von Personal. "Vielen Lehramtsstudierenden ist es wichtig, in ihrem Unterricht die Vielfalt von Geschlecht angemessen abzubilden", erklärte KSS-Referentin Nathalie Bock am Donnerstag in Leipzig. Sie würden dann in anderen Bundesländern ihren Schuldienst antreten und nicht in Sachsen.

"Diese Verbot löst kein einziges Problem in Bezug auf Schulbildung in Sachsen", kritisierte KSS-Sprecher Ludwig Firkert die Entscheidung. An den Schulen seien Lehrkräfte überlastet, reihenweise falle Unterricht aus. Auch die Lehramtsausbildung müsse dringend reformiert werden und bedürfe einer viel besseren finanziellen Ausstattung.

KSS-Referentin Fay Uhlmann sieht durch das Genderverbot ferner nicht-binäre Schülerinnen und Schüler diskriminiert. Nicht-Binär ist eine Bezeichnung für Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren.

Genderverbot an Sachsens Schulen: Schülerrat dagegen

Auch der Landesschülerrat (LSR) in Sachsen hat das Genderverbot erneut als "falsch und unnötig" bezeichnet. "Wer geschlechtergerecht sprechen und schreiben will, soll das tun dürfen. Dass Schüler*innen für ein gutes Anliegen Punktabzug oder mehrere Noten schlechter bekommen können, ist der falsche Weg, mit dem Thema umzugehen", sagte LSR-Vorsitzende Lilly Härtig.

"Dass die Entscheidung falsch ist, galt schon vor knapp zwei Jahren, als das Staatsministerium für Kultus erstmal dieses Verbot erlassen hat. Heute hat sich daran nichts geändert", sagte Härtig. Das Gendern sei mittlerweile ein bekannter Teil der deutschen Sprache. Wer auf eine verbreitete Art gendere - etwa mit Sternchen, Doppelpunkt oder Binnen-I - tue das nicht willkürlich. "Auch das Gendern folgt bestimmten, allgemein geübten Regeln. Es wäre ein Leichtes, diese zusätzlich zur amtlichen Schreibung als erlaubt anzuerkennen."

"Darüber hinaus fragen wir uns, ob das Kultusministerium keine wichtigeren Probleme an Sachsens Schulen sieht", betonte die LSR-Vorsitzende. Man könnte die Schülerinnen und Schüler einfach gendern lassen und sich mit Problemen wie Digitalisierung, Lehrkräftemangel, psychischen Belastungen oder dergleichen befassen. Beim Projekt "Bildungsland Sachsen 2030" habe das Ministerium genug Vorschläge bekommen, was man im Bildungssystem besser machen kann.

Vorgaben zu geschlechtergerechter ausgeweitet

Sachsens Kultusministerium hatte zuvor seine Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache - dem sogenannten Gendern - auf Kooperationspartner ausgeweitet. Schon seit zwei Jahren werden Formen wie Gender-Stern, Unterstrich oder Doppelpunkt für geschlechtersensible Bezeichnungen an Schulen abgelehnt.

Dabei beruft sich das Ministerium auf das Regelwerk des Rates der deutschen Rechtschreibung. In einem Schreiben, das aus der vergangenen Woche datiert und der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, wird nun verfügt, dass dies vertraglich auch mit Dritten etwa bei Projekten sichergestellt werden soll.

Hierbei handle es sich um eine Klarstellung, betonte ein Ministeriumssprecher am Dienstag. Die Haltung des Ministeriums dabei ist nicht neu. Schon vor zwei Jahren hatte es in einem Schreiben an die Schulen verfügt, dass für offizielle Schreiben, Briefe an Eltern und Unterrichtsmaterialien das amtliche Regelwerk gelte und Sonderzeichen für eine geschlechtsneutrale Sprache tabu seien. Sie werden auch in Aufsätzen als Fehler markiert.

Empfohlen werden dagegen Paarformen wie Schülerinnen und Schüler und geschlechtsneutrale Formen wie Lehrkräfte oder Jugendliche. Ziel sei eine für alle verständliche Sprache, hieß es nun erneut.

Linke gegen das Verbot

"Niemandem sollte es vorgeschrieben werden, geschlechtergerechte Sprache zu verwenden oder das zu unterlassen", erklärte die Bildungspolitikerin der Linken im Landtag, Luise Neuhaus-Wartenberg, in einer Mitteilung. Das Ministerium sende damit ein "fatales Signal". Wegen einer Formalie würden wichtige Verbündete ausgeschlossen, die helfen könnten, Werte von Demokratie, Toleranz und Vielfalt zu vermitteln, argumentierte Neuhaus-Wartenberg.

Über das Gendern gibt es regelmäßig hitzige Debatten in Deutschland. Erst jüngst hatte der Zwickauer Stadtrat mehrheitlich beschlossen, dass Stadtverwaltung und Eigenbetriebe in interner und externer Kommunikation keine Sonderzeichen für geschlechtersensible Bezeichnungen verwenden dürfen. Dagegen wehrt sich die Leitung des Theaters Plauen-Zwickau und spricht von einem "Genderverbot". (dpa)