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Podcast: Die Macht von Umfragen und der Streit über die Glaubwürdigkeit von Zahlen

Umfragen sind bei Medien beliebt. Doch wird damit bisweilen übertrieben? Und sind insbesondere Online-Umfragen glaubhaft? Politikwissenschaftler Hans Vorländer und Civey-Chef Gerrit Richter diskutieren im Podcast "Thema in Sachsen".

Von Fabian Deicke
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Civey-Geschäftsführer Gerrit Richter (links) und Politikwissenschaftler Hans Vorländer diskutieren über den Sinn und die Glaubwürdigkeit von Umfragen.
Civey-Geschäftsführer Gerrit Richter (links) und Politikwissenschaftler Hans Vorländer diskutieren über den Sinn und die Glaubwürdigkeit von Umfragen. © Civey/Rica Rosa/dpa/Robert Michael

Dresden. Menschen wollen einfach wissen, wo sie mit ihrer Meinung im Vergleich zu anderen stehen. Ein bewährtes wie beliebtes Mittel, um genau das herauszufinden, sind Umfragen. Doch übertreiben es Medien mit der Menge an Erhebungen und bisweilen sensationslüsternen Ergebnisberichten? Wie nützlich sind insbesondere politische Umfragen? Und noch viel spannender: Wie wird eigentlich dafür gesorgt, dass Ergebnisse auch wirklich repräsentativ sind?

Im Podcast "Thema in Sachsen" diskutieren darüber der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer und Gerrit Richter, Chef des Berliner Meinungsforschungsunternehmens Civey.

Ausgangspunkt der Diskussion ist die Sonntagsfrage für Sachsen, die Sächsische.de immer zu Beginn eines Monats veröffentlicht und sich dabei auf Daten von Civey stützt. In der aktuellen Erhebung für März stehen CDU und AfD gleichauf bei 31 Prozent, Grüne und SPD liegen beide bei 7 Prozent. Linke, FDP und Freie Wähler würden es, wenn jetzt Landtagswahl wäre, an der Fünfprozenthürde scheitern.

Hinter den 16 Prozent, die eine andere Partei wählen würden, dürfte der Großteil auf das Bündnis Sahra Wagenknecht entfallen. Darüber sind sich Vorländer und Richter einig. Auch darüber, dass diese Umfrage ein halbes Jahr vor der Wahl im September nur eine Momentaufnahme ist, und dass insbesondere die Konstellation der beiden auf Protest setzenden Parteien BSW und AfD noch für viel Dynamik sorgen könnte.

Unterschiedlicher Auffassung sind die beiden Politikexperten hinsichtlich dem Wert solcher wie anderer Umfragen im Generellen. Mittlerweile gebe es "zu allem und jedem Umfragen", erregt sich Vorländer. Das führe zu kurzatmigen Diskussionen und schade dem sachlichen Diskurs in politischen Debatten. "Demokratie lebt davon, dass man auch Zeit hat, Entscheidungen zu treffen, Kompromisse zu bilden, wo nicht immer wieder ein Stimmungsbild aufgerufen wird und die Politik dann aus lauter Angst [...] in Hektik ausbricht, um nicht mit einer noch schlimmeren Umfrage konfrontiert zu werden."

Richter hält dagegen und findet: "Man kann gar nicht zu viele Umfragen machen." Der Civey-Chef nennt dafür zwei wesentliche Gründe. Erstens: Je mehr Daten man über Umfragen sammelt, desto besser könnten auch Politiker auf die Bedürfnisse der Gesellschaft reagieren. Und Zweitens: "Umfragen geben auch denen eine Stimme, die sonst schweigen." Richter sieht in Umfragen eine Art Korrektiv, das dafür sorge, den oft von den lautesten Akteuren dominierten Diskurs in den Medien mit fundierten Stimmungsbildern zu begegnen.

Wie werden Online-Umfragen repräsentativ?

Ein weiteres großes Thema der Diskussion ist die Kritik an Online-Umfragen, wie sie beispielsweise von Civey durchgeführt werden. Kritik, die auch Sächsische.de regelmäßig bei Veröffentlichungen von Umfragen bekommt. Der Wissenschaftler Hans Vorländer bemängelt: "Die Frage ist, wie kommt man eigentlich zu einer sogenannten Zufallsstichprobe, die eigentlich die Grundlage für die Repräsentativität von Umfragen ist?" Institute, die schon länger am Markt seien als Civey und neben Online-Verfahren auch klassische Methoden wie Telefon-Interviews oder "Face to Face"-Befragungen durchführten, hätten größere Datenbestände, auf die sie sich berufen könnten.

Richter hält auch hier dagegen und erklärt ausführlich, wie Civey-Umfragen funktionieren. Demnach verfüge Civey über rund eine Million registrierte Teilnehmende, die aktiv jeden Monat an Umfragen teilnehmen. "Wir haben 35 Medienpartner und ungefähr auf 25.000 Webseiten dieser Medienpartner, also einzelnen Nachrichtenartikeln, laufen unsere Umfragen." Über die eingebetteten, klickbaren Umfragen gewinne Civey seine Teilnehmer, nachdem diese sich dort registrieren könnten, um anschließend regelmäßig etwa per Newsletter zu neuen Umfragen eingeladen werden zu können. Danach würden die Daten in einem mehrstufigen Verfahren unter Berücksichtigung soziodemografischer Merkmale so aufbereitet, dass eine repräsentative Stichprobe gezogen werden könne.

Außerdem Schwerpunkte der Debatte

  • Wem schadet bzw. nützt in Sachsen ein starkes BSW mit Blick auf die Wahl?
  • Warum hat die AfD zuletzt in Sachsen stark eingebüßt?
  • Worin zeichnen sich qualitativ hochwertige und verlässliche Umfragen aus?
  • Was ist besser: Telefon-Befragung, Face to Face oder Online-Umfrage?

Gäste in dieser Folge

Gerrit Richter hat 2015 zusammen mit Janina Mütze das Unternehmen OMNI TT gegründet, das 2017 in Civey umbenannt wurde. Richter ist Geschäftsführer des Unternehmens, das sich auf Online-Umfragen in der Markt- und Meinungsforschung spezialisiert hat. Richter ist Diplom-Volkswirt, hat Finanzen und internationale Wirtschaftsbeziehungen studiert, und vor Civey unter anderem bei Roland Berger und ergo gearbeitet.

Gerrit Richter ist Mitgründer und Geschäftsführer von Civey. Seit 2015 leitet er das Unternehmen, das sich auf Online-Umfragen spezialisiert hat.
Gerrit Richter ist Mitgründer und Geschäftsführer von Civey. Seit 2015 leitet er das Unternehmen, das sich auf Online-Umfragen spezialisiert hat. © Civey/Rica Rosa

Hans Vorländer ist Politikwissenschaftler und Direktor des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung an der TU Dresden. Von 1993 bis 2021 hatte er die Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität inne. Insbesondere beschäftigt sich Vorländer bei seiner Arbeit mit den Themen Demokratie, Verfassung und Populismus sowie mit Migration und Integration.

Der Politikwissenschaftler Hans Vorländer bei einer Aufzeichnung im Haus der Presse in Dresden.
Der Politikwissenschaftler Hans Vorländer bei einer Aufzeichnung im Haus der Presse in Dresden. © Matthias Rietschel

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