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Wie die Footballer vor einer Konkurrenzliga zittern

Die Monarchs gewinnen im Harbig-Stadion - diesmal vor 5.680 Fans. Aber Rivale Berlin Adler hatte zwölf Spieler an die European League Football verloren. Droht auch Dresden ein Ausverkauf?

Von Alexander Hiller
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Die Dresden Monarchs um den pfeilschnellen Punktesammler Austin Mitchell (M.) konnten diesmal im Harbig-Stadion jubeln.
Die Dresden Monarchs um den pfeilschnellen Punktesammler Austin Mitchell (M.) konnten diesmal im Harbig-Stadion jubeln. © ronaldbonss.com

Dresden. Die Footballer der Dresden Monarchs haben ihren zweiten Saisonsieg in der German Football League (GFL) gefeiert. Vor diesmal 5.680 Zuschauern im Rudolf-Harbig-Stadion setzten sich die Gastgeber am Samstagabend gegen die Berlin Adler deutlich mit 35:12 (14:0) durch. Allerdings dient der Traditionsverein aus der Hauptstadt derzeit unfreiwillig als warnendes Beispiel für eine ungesunde Entwicklung.

Das vom ehemaligen Monarchs-Trainer Shuan Fatah trainierte Team hat allein vor dieser Saison zwölf Spieler an die Konkurrenzliga ELF verloren. Jene European League of Football basiert auf einem in Europa ungewöhnlichen Franchise-System, also mit einem Unternehmen oder Investor als beherrschende und entscheidende Kraft bei jedem Team.

Monarchs-Präsident Sören Glöckner hatte vor dem Start der Konkurrenzliga ELF vor ziemlich genau einem Jahr vor einer Kannibalisierung im deutschen Football gewarnt. Zumindest die allgemeine Befürchtung, dass sich die deutschen ELF-Teams – mittlerweile sind es acht – aus dem Spielerpool der GFL-Teams bedienen, hat sich bewahrheitet. Auch die Monarchs mussten vor der Vorsaison erhebliche personelle Verluste hinnehmen, unter anderem wechselten Abwehrhüne AJ Wentland und Kicker Florian Finke zu den Leipzig Kings.

Berlins Quarterback: "Purer Kapitalismus auf Kosten der Jungs"

Diese Fluktuation konnte in Dresden gestoppt werden. Das trifft allerdings nicht auf alle GFL-Vereine zu. Das gravierendste Beispiel liefert der Samstag-Gegner Berlin Adler, der allein an ELF-Klub Berlin Thunder zehn Spieler verloren hat. Quarterback Zachary Cavanaugh, der zugleich die A-Jugend der Adler trainiert, hat zudem in einem Bericht der Berliner Zeitung geklagt, dass der ELF-Kontrahent auch sechs seiner Nachwuchsspieler abgeworben habe.

„Es kann nicht sein, dass sie meinen Jungs auf der Arbeit auflauern, um sie zu überreden und uns zu stehlen. Die Jungs sind gerade mal 17, 18 Jahre alt“, sagte Cavanaugh. Die ELF-Teams, die selbst auf eine Nachwuchsausbildung verzichten, bräuchten die jungen Talente, um ihre Kader günstig aufzufüllen. „Sie versprechen ihnen Aufmerksamkeit bei Social Media und einen eigenen Fotografen, statt sie weiterzuentwickeln. Das ist purer Kapitalismus auf Kosten der Jungs – und schadet dem deutschen Football“, kritisiert Cavanaugh.

Nun stellt sich die Frage, was die GFL in Zusammenarbeit mit dem American Football-Verband Deutschland (AFVD) unternehmen will, um das mindestens zu reglementieren. Zumal die ELF-Teams für Spielertransfers nicht mal bezahlen müssen. Ausbildungsentschädigungen oder Ablösesummen wie in anderen Teamsportarten gibt es in Deutschland nicht.

Auch, weil der Sport hierzulande größtenteils maximal im semiprofessionellen Bereich betrieben wird. Jeder Erstliga-Verein beschäftigt zwar einige Profis, die meisten Spieler aber erhalten eine minimale Aufwandsentschädigung – oder gar nichts.

Sachsens Kultusminister Christian Piwarz ist im Ehrenamt Präsident des American Football-Verband Sachsen. Der Verband knackte gerade die Grenze von 2.000 aktiven Spielern.
Sachsens Kultusminister Christian Piwarz ist im Ehrenamt Präsident des American Football-Verband Sachsen. Der Verband knackte gerade die Grenze von 2.000 aktiven Spielern. © ronaldbonss.com

So kann, so darf es nicht weitergehen, meint auch Christian Piwarz. „Die ELF müsste sich in irgendeiner Form an unseren Ausbildungskosten beteiligen“, fordert der sächsische Kultusminister, der im Ehrenamt als Präsident des American Football-Verbands Sachsen aktiv ist mit etwas mehr als 2.000 aktiven Spielern. „Beispielsweise könnte die ELF einen finanziellen Beitrag für unsere Jugend-Nationalteams leisten“, schlägt Piwarz vor.

Die bisher geltenden Regeln jedenfalls greifen nicht. „Der Vereinssport ist in der Regel Ursprung und Grundlage des Sportbetriebs in den verschiedenen Sportarten – von der Kreisklasse bis zur Bundesliga. Innerhalb dieser Strukturen werden für alle Mitglieder verbindliche Regeln verabschiedet“, erklärt GFL-Sprecher Axel Streich. Und er weist auf den entscheidenden Unterschied hin: „Während sich die GFL und ihre Vereine innerhalb solcher Strukturen befinden, bewegen sich die ELF und ihre Franchise als Wirtschaftsunternehmen außerhalb und sind somit nicht an deren Regeln gebunden.“

Das heißt, ein Spielerwechsel im deutschen Football von der einen zur anderen Liga verläuft problemlos. In den meisten Fällen gibt es keine Spielerverträge, auf die sich die abgebenden Vereine berufen könnten. In der ELF ist das anders.

Der Ex-Dresdner Finke hat bei den Leipzig Kings als Kicker einen Vertrag auf Minijob-Basis. „Der Hauptgrund für meinen Wechsel war, dass ich eine andere Liga, andere Teams, andere Städte kennenlernen wollte. Ich bin sehr zufrieden“, sagt der gebürtige Bautzener, der momentan in Pirna eine Ausbildung zum Heilerzieher absolviert.

Monarchs-Präsident Sören Glöckner ist nicht bange vor den Abwerbeversuchen der Konkurrenzliga. "Ich empfinde das als positive Herausforderung", sagt er.
Monarchs-Präsident Sören Glöckner ist nicht bange vor den Abwerbeversuchen der Konkurrenzliga. "Ich empfinde das als positive Herausforderung", sagt er. © ronaldbonss.com

Laut Aussagen der Ligen-Vertreter wird das Thema Spielerwechsel und deren finanzielle Rahmenbedingungen derzeit hinter den Kulissen verhandelt. Dabei geht es darum, mit der ELF eine europaweite Lösung für Spielerwechsel festzulegen. So soll zum Beispiel ein Spieler, der bereits in Besitz eines Spielpasses im deutschen Verband ist und in die ELF wechselt, mit einer bestimmten Spielesperre belegt werden, andersherum natürlich ebenfalls.

Monarchs-Präsident Glöckner sieht seinen Verein, der noch in dieser Saison die Marke von 1.000 Mitgliedern knacken wird, ohnehin gut gewappnet für einen offenen Wettbewerb. „Ich persönlich bin immer dafür, sich dem Wettbewerb zu stellen und die Gelegenheit und den Druck zu nutzten, der dadurch entsteht, uns noch attraktiver zu machen. Wenn man attraktiv ist, wechseln die Spieler auch zu uns zurück“, sagt Glöckner.

Er nennt Punkte wie Mindestlohn, Krankenversicherung und Verwaltungs-Berufsgenossenschaft. Ob es das in der ELF gibt, ist unklar bis unwahrscheinlich. „Da haben wir ein paar Pfunde. Ich empfinde das als positive Herausforderung“, betont Glöckner. Und Kicker Finke sagt: „Irgendwann kehre ich wieder nach Dresden zurück. Das ist mein Heimatverein – und bleibt es auch.“