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Das ist der neue Trainer der deutschen Volleyballerinnen

Dresdens Alexander Waibl stand zur Diskussion, doch nun übernimmt ein Weltklassetrainer aus dem Männer-Bereich die deutsche Frauen-Auswahl.

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Hat bislang nur im Beachvolleyball Erfahrungen mit Frauen-Teams gesammelt: der neue Bundestrainer Vital Heynen.
Hat bislang nur im Beachvolleyball Erfahrungen mit Frauen-Teams gesammelt: der neue Bundestrainer Vital Heynen. © Archiv: dpa/Uwe Anspach

Von Martin Moravec

Frankfurt/Main. Ein Gedankenexperiment. Ein hochdekorierter Spitzentrainer aus dem Männer-Bereich übernimmt plötzlich eine immerhin ambitionierte Frauen-Mannschaft. So in der Art: Joachim Löw betreut auf einmal die deutschen Fußball-Frauen. Das wäre eine Schlagzeile. Was würden die Leute und Branchenkollegen bloß denken? Hat der sonst keine anderen Angebote? Spinnt der Typ? Oder doch eher: Respekt! Da stürzt sich einer in ein neues Abenteuer!

Man muss tatsächlich nicht die Fantasie bemühen. Denn im deutschen Volleyball ist genau so eine Coaching-Konstellation eingetreten. Statt des ebenfalls zur Diskussion stehenden Alexander Waibl, seines Zeichens Trainer des deutschen Meisters Dresdner SC, betreut künftig der Belgier Vital Heynen die deutschen Volleyballerinnen - nach mehr als viereinhalb Jahren als Bundestrainer der Männer. "Ich denke, dass ich eine Ausnahme bin, ich war immer eine Ausnahme", sagte der 52-Jährige und ergänzte lachend: "Der Verband hat Mut."

DSC-Kapitänin Janiska freut sich

Heynen hat vor Jahren mal die belgischen Frauen im Beach-Volleyball betreut, sonst hat er nur Erfahrung als Männer-Coach. "Für die Spielerinnen wird vermutlich alles neu sein, weil ich die Routine einer Frauen-Mannschaft nicht kenne. Ich bin selber neugierig", sagte Heynen, der einen Vertrag über drei Jahre unterschrieben hat. "Ich werde sicher viel Lehrgeld zahlen müssen. Aber das ist auch meine Herausforderung: Wo liegen meine Grenzen?"

Jennifer Janiska, sowohl beim Dresdner SC als auch in der Nationalmannschaft Kapitänin, freute sich über die Entscheidung für Heynen - auch wenn sie den Männer-Volleyball "grundsätzlich nie viel verfolgt" habe. Heynen habe aber "in der Vergangenheit mit seinen Erfolgen definitiv für Aufsehen gesorgt. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit ihm und bin gespannt, wie er seine Volleyballphilosophie auf den Frauenvolleyball überträgt."

Heynen hat eine exzellente Vita. Während seiner ersten Zeit als Bundestrainer von Februar 2012 bis September 2016 holte er 2014 sensationell WM-Bronze - es war die erste deutsche WM-Medaille seit 44 Jahren. Später mit Polens Männern gewann er neben dem WM-Titel 2018 auch zweimal EM-Bronze (2019, 2021). Nachdem die Mannschaft das große Medaillenziel bei Olympia in Tokio 2021 verpasste, wurde Heynens auslaufender Vertrag nicht verlängert.

"Ich habe sehr viel über die Unterschiede zwischen Mann und Frau gelesen. Mir wird aber zu oft der Fokus auf die Unterschiede anstatt auf die Gemeinsamkeiten gelegt", sagte Heynen über die Umstellung. "Er wagt jetzt den Sprung in derselben Sportart, aber zum anderen Geschlecht, was sicher nicht einfach ist. Dieser Herausforderung ist er sich und sind wir uns als DVV bewusst", befand der Sportdirektor des Deutschen Volleyball-Verbands (DVV), Christian Dünnes.

Ein besonderes, aber kein einzigartiges Beispiel

Heynen macht einen unüblichen Wechsel. Es gibt aber solche Beispiele auch in anderen Sportarten. Im allerdings fortgeschrittenen Alter und nur als Interimslösung trainierte Horst Hrubesch 2018 die DFB-Frauen. Oder der frühere englische Nationalspieler Phil Neville, der nach Assistenzjobs bei Manchester United und dem FC Valencia sowie einem Intermezzo als Chef des unterklassigen Salford City Englands Fußball-Frauen betreute.

Heynen hatte schon in seiner ersten Zeit als DVV-Coach mit der Arbeit als Trainer einer Frauen-Mannschaft geliebäugelt. Jetzt kann er die Herausforderung angehen. "Die internationale Erfahrung und die Arbeit mit den ganz großen Namen des Weltvolleyballs zeichnen ihn aus und er weiß, wie er an neue Aufgaben herangehen muss", sagte Star-Volleyballerin Louisa Lippmann über ihren neuen Coach, der viel von seinen Spielerinnen lernen will.

Vielleicht wirkt Heynens Berufung auch als Anregung für Spitzenleute aus anderen Sportarten. Seinen Kollegen bei den deutschen Volleyballern, Andrea Giani, könnte er sich jedenfalls auch als Coach einer Frauen-Mannschaft vorstellen. "Er könnte das sicher auch", meinte Heynen, "ich weiß aber nicht, ob er das will." (dpa. mit SZ)