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FC Rot-Weiß Erfurt: Auferstanden aus Ruinen

Vor zwei Jahren lag der FC Rot-Weiß Erfurt am Boden. Mit dem Aufstieg in die 4. Liga meldet sich der Traditionsverein zurück.

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Im Mai 2008 trat Rot-Weiß Erfurt in der Regionalliga bei Dynamo Dresden an - hier nehmen Matthias Pessolat (l.) und Willy Fondja Dresdens Pavel Dobry (M.) in die Zange. Vier Jahre zuvor waren beide Klubs in die 2. Liga aufgestiegen.
Im Mai 2008 trat Rot-Weiß Erfurt in der Regionalliga bei Dynamo Dresden an - hier nehmen Matthias Pessolat (l.) und Willy Fondja Dresdens Pavel Dobry (M.) in die Zange. Vier Jahre zuvor waren beide Klubs in die 2. Liga aufgestiegen. © Archiv: Robert Michael

Von Marco Alles

Erfurt. Die Krönung folgte am Schluss. Mit dem 11:0-Kantersieg am vergangenen Samstag schickte der FC Rot-Weiß Erfurt nicht nur Inter Leipzig in die Sachsenliga, sondern stellte einen Vereinsrekord ein. Vor 50 Jahren, am 31. März 1972, gelang den Thüringer Landeshauptstädtern gegen Lok Meiningen in der DDR-Liga schon einmal ein Erfolg in dieser Höhe. Ein gewisser Lutz Lindemann steuerte fünf Treffer bei. Und auch damals stand am Saisonende der Aufstieg.

Dieser steht schon lange fest. Als am15. Mai das Heimspiel gegen Einheit Wernigerode (5:1) abgepfiffen wurde, stürmten mehr als 4.000 Fans auf den Rasen des Steigerwaldstadions, ließen die Spieler hochleben und feierten ausgelassen die Rückkehr in die Regionalliga Nordost. Dort, wo nun gesungen und gelacht wurde, hatte im Januar 2020 noch tiefe Trauer geherrscht.

Exakt 809 Tage vor dem Comeback auf der viertklassigen Fußballbühne waren die Mannschaft von Insolvenzverwalter Volker Reinhardt vom Spielbetrieb abgemeldet und alle Mitarbeiter freigestellt worden. Masseunzulänglichkeit lautete der Begriff, der nichts anderes bedeutete, als dass wieder einmal die Kassen leer waren. Eine Pleite während des Insolvenzverfahrens – der traditionsreiche FC Rot-Weiß befand sich in Schockstarre, war nur noch eine Hülle ohne Inhalt.

2018 hat RWE sieben Millionen Euro Schulden

„Es war alles kaputt“, erinnert sich Franz Gerber. Der frühere Bundesliga-Profi und -Trainer war mit seinem ersten Investment in Erfurt gescheitert, ließ aber nicht locker. Als der Verein kurz vor der Abwicklung stand, übernahm er im Sommer 2020 die ausgegliederte Spielbetriebs-GmbH als Geschäftsführer. Praktisch über Nacht stellte er eine Mannschaft zusammen; nach monatelangem Stillstand rollte der Ball wieder – ein erstes Lebenszeichen.

Doch vom einstigen Drittliga-Dino – 2018 mit sieben Millionen Euro Schulden in die Insolvenz gestürzt – waren nur noch Ruinen übrig: Eine Geschäftsstelle gab es nicht mehr, Dutzende Talente hatten das Weite gesucht, ein paar unerschütterliche Trainer boten zumindest Nachwuchstraining an. „Zudem war das Image von RWE völlig zerstört“, blickt Gerber zurück. Die meisten Türen, an denen er damals klopfte und um Unterstützung bitten wollte, blieben geschlossen. Bis auf einige treue Sponsoren sah sich der einstige Stürmer auf sich allein gestellt.

Durch den Corona-Abbruch in der ersten Saison noch ausgebremst, zahlte sich seine Hartnäckigkeit im zweiten Oberliga-Jahr aus. Zwar ist das Insolvenzverfahren nach mehr als vier Jahren noch immer nicht abgeschlossen und belastet Verein sowie GmbH vor allem in den Gesprächen mit potenziellen Geldgebern. Aber die Euphorie, die derzeit in Thüringens Landeshauptstadt herrscht, erinnert ein wenig an jene sonnigen Mai-Tage im Jahr 2004. Damals war den Erfurtern der überraschende Sprung in die 2. Bundesliga geglückt.

2022 in 19 Spielen verlustpunktfrei

„Die Aufbruchstimmung ist überall spürbar“, sagt Fabian Gerber, der im August 2021 dem Ruf seines Vaters nach Erfurt gefolgt war. Nach holprigen ersten Monaten gelang es dem Trainer, Erfurt an die Spitze zu führen. 19 Siege in den 19 Liga-Spielen des Jahres 2022 unterstreichen die rot-weiße Entwicklung eindrucksvoll. Seitdem der Aufstieg feststeht, kann sich der Verein vor Anfragen kaum retten. „Wir merken, dass der RWE wieder ein Name ist“, sagt Gerber Junior. Die Berater, die vor einem Jahr noch dankend abgewinkt und ihre Schützlinge lieber woanders untergebracht hatten, rennen dem Klub die Türen ein. Es gibt sogar Spieler, die sich selbst für einen Kaderplatz bewerben.

Mit dem Erfolg wuchs das Interesse, mit der Philosophie die Attraktivität. Die Erfurter Protagonisten setzen auf junge, entwicklungsfähige Akteure wie den aus Wernigerode verpflichteten Erik Weinhauer (21) – sowie eine solide Finanzierung. „Wir werden die Fehler von früher nicht noch einmal machen“, sagt Fabian Gerber. Vater Franz plant mit einem Etat von etwa 900.000 Euro für das künftige Regionalliga-Team. Wem es vorrangig ums Geld geht, der müsse woanders anheuern, betont er. Und Sohn Fabian ergänzt: „Wir bieten dagegen eine wunderschöne Stadt, ein tolles Stadion und fantastische Fans.“

Und nicht zuletzt eine spürbare Aufbruchstimmung.

Serie: 4. Liga - Absturz oder Aufstieg?