SZ + Sport
Merken

Weil aufhören keine Alternative ist: Lisa Hahners Liebeserklärung ans Laufen

Manche sammeln Erfolge, sie offenbar Krankheiten. Nach Jahren mit großen gesundheitlichen Problemen ist Marathonläuferin Lisa Hahner zurück, auch in Dresden – und verrät, was sie jetzt antreibt.

Von Tino Meyer
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Ein Bild aus vergangenen, gesunden Tagen: Den Citylauf 2017 in Dresden hat Lisa Hahner gewonnen. Auch beim Frauenlauf ist sie regelmäßig am Start.
Ein Bild aus vergangenen, gesunden Tagen: Den Citylauf 2017 in Dresden hat Lisa Hahner gewonnen. Auch beim Frauenlauf ist sie regelmäßig am Start. © Robert Michael

Dresden. Es geht wieder aufwärts, und bei Lisa Hahner darf man das gerne wörtlich nehmen. Die Woche begann für sie mit einer Bergtour am Chiemsee. Zwillingsschwester Anna, mittlerweile eine international anerkannte Trailläuferin, hatte ihren vier Monate alten Sohn Valentin ins Tragetuch genommen, und zusammen machte sich das Trio am Morgen auf den Weg: 16 Kilometer, 1.100 Höhenmeter, straffer Schritt. „Und am Nachmittag war ich noch eine Runde laufen“, berichtet Lisa Hahner, bevor sie über ihr ganz persönliches Auf und Ab erzählt, über schwere gesundheitliche Probleme („Ich wusste die ganze Zeit nicht, woran es liegt“), über Neuanfänge, Rückschläge und die Liebe zum Laufen.

Dass die 33-Jährige am Samstag beim Frauenlauf in Dresden startet, ist jedenfalls alles andere als selbstverständlich. Zu besten Zeiten, die sechs, sieben Jahre zurückliegen, würde sie das Rennen wohl mit einigem Vorsprung gewinnen.

Diesmal freut sich Hahner auf ein schönes Wochenende in der Stadt, auf das Wiedersehen mit Freunden und die nächsten Schritte zurück im Leistungssport. „Im Frühjahr war ich mit einem Tempo von sechs Minuten pro Kilometer unterwegs – und mein Körper danach vollkommen am Ende. Jetzt bin ich bei ungefähr vier Minuten, und es fühlt sich endlich wieder wie Laufen an“, sagt sie.

Parasiten, Herpes, Drüsenfieber - irgendwas war immer

Zum Vergleich: Als Lisa Hahner 2015 in Frankfurt deutsche Marathonmeisterin geworden ist und mit 2:28:39 Stunden ihre immer noch bestehende Bestzeit aufstellte, bedeutete das ein Tempo auf den 42,195 Kilometern von etwa 3:30 Minuten. In Dresden wird der Puls entscheiden, wie schnell sie beim Frauenlauf unterwegs ist. Auf der 10-Kilometer-Distanz könnte also eine Zeit von knapp 40 Minuten rauskommen.

Nach vier Wochen Antibiotika, so Hahner, sei der Körper noch nicht wieder bereit für mehr. „Ich war schon eine Woche zum Grundlagentraining in St. Moritz und kann 25 Kilometer am Stück problemlos laufen, auch zügige Dauerläufe sind okay. Doch Tempo-Intervalle haben die Ärzte noch verboten“, sagt Hahner und erzählt von der Borreliose, die bei ihr im Frühjahr diagnostiziert wurde.

Als Hahner-Twins sind die Zwillingsschwestern Anna und Lisa unterwegs wie hier beim Citylauf 2016 in Dresden. Inzwischen sind sie zusammen auch unternehmerisch tätig.
Als Hahner-Twins sind die Zwillingsschwestern Anna und Lisa unterwegs wie hier beim Citylauf 2016 in Dresden. Inzwischen sind sie zusammen auch unternehmerisch tätig. © privat

Es war für sie zunächst der nächste Tiefpunkt einer offenbar nicht endenden Krankengeschichte, lieferte dann aber den Grund für die immer wiederkehrenden gesundheitlichen Probleme. Parasiten, Herpes, Pfeiffersches Drüsenfieber – irgendwas war immer; ausgelöst durch die Borreliose-Bakterien, die, so sagen es die Ärzte, sich wahrscheinlich bereits seit 2015 in ihrem Körper eingenistet hatten.

Rückblickend erklärt dies, warum sich Hahner inmitten der unmittelbaren Marathon-Vorbereitung häufig so fühlte, als hätte man ihrem Körper den Energie-Stecker gezogen. „Anfang dieses Jahres hatte ich richtig gut trainiert und wollte den Berliner Halbmarathon laufen. Doch schon bei Kilometer fünf bin ich erschöpft ausgestiegen“, erzählt Hahner und sagt: „Danach lag ich zwei Wochen im Bett mit durchgehend 20 Schlägen höherer Herzfrequenz, als bei mir normal wäre.“

Ein schneller Marathon - das ist jetzt Lisa Hahners

Aufgeben oder gar aufhören war und ist für sie indes keine Alternative, ganz im Gegenteil. „Laufen macht mir weiterhin großen Spaß, auch wenn mir in den vergangenen Jahren nach dem harten Training die Belohnung in Form von Wettkämpfen gefehlt hat. Ich laufe jetzt des Laufens willen und nehme somit den Druck raus und freue mich über alles, was ich in Zukunft noch erreiche“, betont Hahner, deren letztes großes Rennen der Olympia-Marathon 2016 in Rio de Janeiro gewesen ist.

Hand in Hand kam sie damals mit Zwillingsschwester Anna ins Ziel – nach 2:45 Stunden. Eine ereignisreiche, schlagzeilenträchtige Zeit war das, die nun im Wissen um ihre Krankheitsgeschichte womöglich anders bewertet wird.

Für Lisa Hahner bleibt der Stolz, Olympionikin zu sein und der Antrieb, noch einmal einen schnellen Marathon zu laufen. „Ich greife an und spüre, dass wieder etwas möglich ist. Im Moment fühlt sich das alles sehr gut an“, sagt die Athletin des Marathonteams vom SCC Berlin. In der Hauptstadt ist Hahner heimisch geworden. Und auch wenn der Chiemsee, wo Anna zu Hause ist, fast 700 Kilometer entfernt liegt, ist der Kontakt unverändert intensiv.

Als Hahner-Twins sind beide nun auch unternehmerisch aktiv, sie betreiben ein Online-Coaching, schreiben Trainings- und Ernährungspläne, halten Vorträge. „Ein schönes Leben ist ein Prozess und kein Zustand“, lautet dabei einer ihrer Grundsätze. Lisa Hahner weiß, wovon sie spricht.