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Chemnitzerin turnt sensationell zu Gold

Die deutschen Turnerinnen sind in München bei den European Championships historisch erfolgreich. Die Bahnrad-Sportler holen dort auch fünf Titel.

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Stolz über eine sehr gelungene Übung am Schwebebalken, die am Ende zum EM-Titel reicht: die Chemnitzer Turnerin Emma Malewski.
Stolz über eine sehr gelungene Übung am Schwebebalken, die am Ende zum EM-Titel reicht: die Chemnitzer Turnerin Emma Malewski. © Jan Huebner

Von Andreas Frank und Martin Kloth

München. Als sich der Trubel um die neue Stufenbarren-Europameisterin Elisabeth Seitz gerade gelegt hatte, da legte Nachwuchstalent Emma Malewski mit einer zweiten EM-Goldmedaille bei den European Championships sensationell nach. Und das Publikum in der Münchner Olympiahalle rastete aus. Die gerade 18 Jahre alte Chemnitzerin Malewski blendete den Lärm in der Arena aus, gratulierte der deutschen Rekordmeisterin aus Stuttgart kurz, blieb cool und kam nahezu ohne Wackler über den „Zitterbalken“.

Fassungslos verfolgte die gebürtige Hamburgerin, wie ihre Rivalinnen anschließend reihenweise vom Gerät fielen. „Es ist einfach phantastisch, ein perfekter Tag. Durch die vielen Zuschauer fühlt sich alles noch viel krasser an. Ich bin schon ein bisschen stolz auf mich“, sagte die Schülerin am ARD-Mikrofon.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Seitz – immer noch mit feuchten Augen ihre ersehnte Trophäe bewundernd – ihren langersehnten Triumph endlich realisiert. „So viele vierte, fünfte und sechste Plätze, endlich ist es vorbei“, sagte die Stuttgarterin mit einem leichten Seufzen in der Stimme.

Nach 13 Jahren auf der internationalen Turnbühne kam die 28-Jährige bei den European Championships zum allerersten Mal ganz oben an. Eine „nicht perfekte Übung“ reichte zum so oft knapp verpassten Titel, für die Sportsoldatin „der absolute Höhepunkt.“

Einen ebenfalls bombastischen Schlusspunkt erlebte im Windschatten der neuen Europameisterinnen Kim Bui. Die langjährige Trainingsgefährtin von Seitz kam in ihrem letzten Wettkampf am Stufenbarren auf Rang fünf – und war mindestens so glücklich wie ihre siegreiche Vereinskollegin. „Es war eine wunderschöne Woche. Meine Übung war Konzentration pur, danach gab es nur noch Emotionen. Ich könnte eigentlich nur noch heulen“, sagte Bui, die nach 17 Jahren in der Nationalriege ade sagte. Sie tat es mit einer tiefen Verbeugung vor den Zuschauern und einem Griff ans Herz.

Emma Malewski auf dem Schwebebalken.
Emma Malewski auf dem Schwebebalken. © dpa/Sven Beyrich

Ebenfalls als Fünfte, aber mit viel Enttäuschung im Blick, verließ Pauline Schäfer-Betz das Podium. Die Ex-Weltmeisterin aus Chemnitz blieb am Balken anders als die neue Championesse Malewski nicht fehlerfrei, verpatzte ihren Aufgang und überschritt die erlaubte Zeit.

Schon der erstmalige Gewinn der Bronzemedaille im EM-Mannschaftsfinale am Samstag hatte die Erwartungen des neuen Cheftrainers Gerben Wiersma übertroffen. „Die Top-Five waren eigentlich unser Ziel“, sagte der Niederländer, nachdem die Kölnerin Sarah Voss ihren entscheidenden Paradesprung trotz einer schmerzhaften Wadenverletzung sicher in den Stand gebracht hatte.

Nun aber will der niederländische Coach auch der Weltspitze schon im Herbst ein Stück näherrücken. Auch bei den Weltmeisterschaften Anfang November in Liverpool wird das Erreichen des Teamfinales der besten acht Riegen angestrebt.

Nach drei Ruhetagen werden die Kunstturn-Europameisterschaften in München am Donnerstag mit den Wettbewerben der Männer fortgesetzt. Die besten Aussichten auf eine Medaille hat Lokalmatador Lukas Dauser aus Unterhaching, Olympia-Zweiter am Barren.

Hinze bricht deutschen Rekord

Schon am Samstag hatte Emma Hinze über ihre Rekordfahrten gestaunt. „Ich hatte das nicht erwartet, denn das ist fast eine Sekunde schneller als meine Bestzeit. Es lief einfach irgendwie gut. Es ist auf jeden Fall echt cool“, sagte die Sprint-Weltmeisterin. Im Finale des 500-Meter-Zeitfahrens bei den Bahnrad-EM hatte die 24 Jahre alte Cottbuserin am Samstag den Titel gewonnen, dabei den deutschen Rekord auf 32,668 Sekunden gedrückt und fand dies einfach „krass“.

Mit ihrem zweiten Titel nach dem Team-Sprint eröffnete Hinze zugleich den zweiten Gold-Tag für die deutsche Bahnrad-Auswahl. Anschließend bezwang Mieke Kröger aus Bielefeld im Endlauf der 3.000-Meter-Einerverfolgung ihre Teamkollegin Lisa Brennauer, mit der sie am Vortag bereits den Sieg mit dem Vierer über 4.000 Meter gefeiert hatte. Zudem gelang Nicolas Heinrich aus Chemnitz mit Gold in der 4.000-Meter-Einerverfolgung ein Überraschungscoup.

Zum Abschluss des zweiten Entscheidungstags wurde Moritz Malcharek (Berlin) unerwartet Zweiter im Scratch-Rennen über 15 Kilometer. Damit hat der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) auf dem Oval in der Messe München bereits fünf EM-Titel und zweimal Silber gewonnen. Während das BDR-Team glanzvolle Erfolge bejubelte, wurde das Ausscheidungsrennen der Frauen von einem dramatisch aussehenden Massensturz überschattet. Dabei erlitt die Italienerin Letizia Paternoster ein Schädel-Hirn-Trauma, einen dreifachen Bruch des rechten Schlüsselbeins und Abschürfungen im Gesicht.

Einen emotionalen Abschied von der Bahn hatte derweil Lisa Brennauer. Die 34-Jährige beendet nach der EM ihre Karriere, tritt aber in München noch auf der Straße im Zeitfahren und im Einzelrennen an. Mit der Niederlage im Verfolgungsrennen gegen ihre fünf Jahre jüngere Teamkollegin Mieke Kröger blieb der Weltmeisterin ein goldener Abschluss auf dem Holzoval verwehrt. Nachdem beide vom Rad gestiegen waren, umarmten sie sich innig und weinten hemmungslos. (sid, dpa)