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Kreuzers Kampf gegen den Krebs: "In zwei Monaten bist du tot"

Der frühere Dresdner Niklas Kreuzer erzählt im Dynamo-Podcast von seiner Krebserkrankung. Eine schwierige Herausforderung für ihn als Mensch, Vater, Partner und Mannschaftskollege.

Von Simon Lehnerer
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Niklas Kreuzer hat den Krebs besiegt. Im Dynamo-Podcast spricht er über seine Geschichte.
Niklas Kreuzer hat den Krebs besiegt. Im Dynamo-Podcast spricht er über seine Geschichte. © Jan Huebner

Dresden. Die neue Saison beginnt. Ein Moment, auf den Fußballfans und auch die Spieler selbst in der Sommerpause stets hinfiebern. Zum Auftaktspiel der 3. Liga am 4. August 2023 trifft der Hallesche FC auf Rot-Weiß Essen. In der 39. Spielminute schlenzt Halles Außenverteidiger Niklas Kreuzer den Ball von der Ecke aus in den Strafraum und findet den Kopf seines Mitspielers Tom Baumgart. Tor für Halle. "Da war die Welt noch in Ordnung", sagt Niklas Kreuzer nun im Dynamo-Podcast "Schwarz Gelb" von Sächsische.de und Radio Dresden. Einige Tage später wird alles anders sein.

Freitag, den 11. August 2023, wird Niklas Kreuzer wohl nie mehr vergessen. Der 30-Jährige, der mit kurzer Unterbrechung von 2014 an sieben Jahre bei Dynamo Dresden gespielt hat, ist frühmorgens auf dem Weg zum Arzt. Genauer gesagt zum Urologen. Einen Tag danach, am Samstag, steht das DFB-Pokal-Spiel gegen Greuther Fürth an. Der Grund für seinen Besuch beim Urologen? Er hat wenige Tage zuvor einen beunruhigen Fund gemacht.

"Es war so, dass ich am Dienstagabend zu Hause war, auf der Couch lag, und wie es der Mann manchmal so macht, beim Ertasten im Genitalbereich etwas gespürt habe, was da nicht hingehört", erzählt Kreuzer im Podcast. Einen reiskornförmigen Knubbel habe er ertastet. Eigentlich sei er "allgemein nicht so ein Typ, der sich da sofort eine Platte macht und zum Arzt rennt", aber schließlich informiert er doch den Mannschaftsarzt des Halleschen FC, der ihm einen Termin am Freitagmorgen ausmacht.

Kreuzer: "Ich dachte, du kannst dir dein Grab schaufeln"

Als Kreuzer dann in der Klinik untersucht wird, diagnostiziert der Urologe einen Tumor im Hoden. Um absolut sicherzugehen, soll er nochmal ins Leipziger Uniklinikum fahren. Auf dem Weg dorthin bricht seine Welt zusammen, wie er sagt.

"Ich habe den Mannschaftsarzt angerufen, dass ich erstmal nicht ins Training komme. Dann Mama angerufen, Papa angerufen, meine Freundin angerufen und da war natürlich Krisenstimmung", berichtet Kreuzer. Im Uniklinikum bestätigen sie die Diagnose. Ein Schock.

"Ich dachte mir, jetzt kannst du dir dein Grab schaufeln. In zwei Monaten bist du tot. Ich habe an meine Familie, meine Tochter gedacht". Der Tod habe sich plötzlich ganz nah angefühlt. Doch die Ärzte teilen ihm mit, er hätte eine hohe Chance auf Heilung. Zuerst steht die operative Entfernung des Tumors an. Bei einem gutartigen Tumor wäre die Sache damit erledigt. Dem ist allerdings nicht so. Er muss eine Chemotherapie machen.

Niklas Kreuzer ist von den Reaktionen überwältigt

Dem 30-Jährigen ist es wichtig, gleich offen über die Situation zu kommunizieren. Direkt am 11. August erscheint die Pressemitteilung des Halleschen FC zu Kreuzers Krebserkrankung. "Wir sind fest davon überzeugt, dass Niklas den gleichen Kampfgeist und die Entschlossenheit, die er auf dem Spielfeld zeigt, auch im Umgang mit dieser Herausforderung an den Tag legen wird", erklärt HFC-Sportchef Thomas Sobotzik darin.

Nachrichten von Freunden, Bekannten und Kollegen erreichen den Fußballspieler. "Viele schreiben dann sowas wie: Wir drücken dir alle Daumen, wir sind an deiner Seite. Ich habe aber auch einige gehört, die selbst nicht mit der Nachricht umgehen können", sagt er. Trotzdem waren die Reaktionen überwältigend. "Es hat mich wirklich sprachlos gemacht, welche Nachrichten von Leuten kamen, mit denen ich auch persönlich noch nie zu tun hatte", erzählt Kreuzer.

Der Abwehrspieler ist der sechste Profi in Deutschland, bei dem in der jüngeren Vergangenheit eine Krebsdiagnose öffentlich wurde. Vergleichbare Diagnosen erhielten die Bundesliga-Spieler Timo Baumgartl, Marco Richter und Sébastien Haller.

Niklas Kreuzer: "Ich lag heulend im Bett"

Am Montag darauf beginnt Niklas Kreuzer die Chemotherapie. "Die ersten beiden Tage der Chemotherapie waren ganz okay, aber als ich am Mittwoch aufgewacht bin, habe ich mich sehr träge gefühlt. So aufgequollen von den Medikamenten. Dann fielen mir beispielsweise Spaziergänge deutlich schwerer als sonst. Donnerstag, Freitag und Samstag waren echt eklig und das hat sich in die nächste Woche gezogen. Ich habe vier oder fünf Tage gebraucht, bis ich mich regeneriert habe", erzählt der 30-Jährige. Auf eine Woche zur Chemotherapie im Krankenhaus folgen zwei Wochen Regenerationsphase. Das Ganze vier Zyklen lang.

Der zweite und dritte Zyklus ist für Kreuzer psychisch besonders schlimm. Er habe in manchen Momenten darüber nachgedacht, einfach aufzuhören. Doch seine Familie gibt ihm Kraft, trotz räumlicher Trennung. Um sich vor möglichen Keimen zu schützen, die seine Tochter zur herbstlichen Grippezeit aus der Kita mitbringen könnte, zieht Kreuzer für die Zeit der Behandlung in eine kleine Wohnung am Cospudener See in Markkleeberg.

"Ich habe meiner Tochter versucht zu erklären, dass die Luft am See ihren Papa schneller gesund machen würde. Ich kann ihr ja nicht sagen, dass ich wegen ihr gerade nicht zu Hause wohne. Das hätte ihr das Herz gebrochen", meint Kreuzer. Es sei eine schlimme Zeit gewesen. "Ich hatte wirklich Abende, da lag ich heulend im Bett", fügt er hinzu.

Kreuzer rät zur Vorsorge: "Kein Grund, sich zu schämen"

Mit der Chemotherapie kommt auch der Haarverlust. Der Fußballspieler macht kurzen Prozess und rasiert sich eine Glatze. Seine Tochter habe den neuen Look zunächst gar nicht so schlecht gefunden. "Aber die Freude war noch größer, als die Haare wiederkamen. Papa jetzt bist du wieder hübsch, hat sie gesagt. Kinder sind echt ehrlich", erzählt Kreuzer.

Am 18. Dezember steht die Enduntersuchung an, ein paar Tage später liegt das Ergebnis vor. Niklas Kreuzer hat den Krebs besiegt. "Wir sind in Tränen ausgebrochen. Es war wirklich brutal. Meine Kleine ist herumgerannt im Wohnzimmer und hat geschrien: Papa ist gesund, Papa ist gesund", sagt Kreuzer. Nach einem halben Jahr kämpfen, hoffen, durchhalten, pendeln zwischen einsamer Einraumwohnung und Krankenhaus hat er es geschafft.

Dass der Tumor überhaupt so früh entdeckt wurde, war ein glücklicher Zufall. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre es sonst schlechter für Kreuzer ausgegangen. Deshalb rät auch er zur regelmäßigen Vorsorge beim Urologen: "Es gibt überhaupt keinen Grund, sich zu schämen. Das einzige, was man dadurch schafft, ist wahrscheinlich eine Früherkennung, die dir sehr viel Probleme für Körper und Kopf ersparen wird", sagt der Profifußballer.