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Zehn Jahre nach seinem Coming-Out: Wie divers sind wir wirklich?

Das Coming-out von Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger liegt mittlerweile zehn Jahre zurück. Das eines aktiven Profis gab es hierzulande immer noch nicht. Und dafür gibt es einige Gründe.

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Ex-Profi Thomas Hitzlsperger sieht zehn Jahre nach seinem Coming-Out Verbesserungen.
Ex-Profi Thomas Hitzlsperger sieht zehn Jahre nach seinem Coming-Out Verbesserungen. © dpa/Marijan Murat

Von Christoph Lother

Stuttgart. Thomas Hitzlsperger wundert sich nicht, dass er immer noch zu dem Thema befragt wird. Daran, dass Homosexualität zumindest in der breiten Wahrnehmung scheinbar etwas Außergewöhnliches ist, hat sich seit dem Coming-out des früheren Fußball-Nationalspielers nur bedingt etwas geändert.

Dass hierzulande noch kein aktiver Profi seine Homosexualität öffentlich gemacht hat, wirft auch die Frage auf: Wie divers sind wir wirklich? „Es ist nicht ausschließlich ein Problem im Profifußball, sondern auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen, wie ich in den letzten zehn Jahren erlebt habe“, sagt Hitzlsperger. „Sonst hätten sich viel mehr Spieler nach der Karriere geoutet, aber das ist nicht geschehen. Es ist für viele Menschen immer noch ein Problem, wenn man von der gesellschaftlichen Norm abweicht.“

Am 8. Januar 2014 machte Hitzlsperger seine Homosexualität öffentlich – im zweiten Anlauf und erst nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn. „Es war vor allem aufregend. Ich war gut vorbereitet und angespannt, aber auch total froh, wie es gelaufen ist“, sagt der 41-Jährige über sein Coming-out, das für Aufsehen sorgte. „Ich habe fast ausnahmslos positive Reaktionen bekommen.“

„Es gibt viele Dinge, die sich verbessert haben“

Seitdem sind zehn Jahre vergangen – in denen deutsche Profiklubs viel unternommen haben. Ein Coming-out wie das des inzwischen in Italien spielenden Tschechen Jakub Jankto im zurückliegenden Februar gab es hier aber noch nicht.

Aus Sorge vor negativen Reaktionen im Stadion, in der Kabine oder in den sozialen Netzwerken? Aus Angst, sich die Chance auf einen Vereinswechsel zu verbauen? Jeder dürfte eigene Gründe haben. Die Klubs können wenig mehr tun, als Toleranz und Offenheit zu demonstrieren – und dadurch diese Sorgen vielleicht zu lindern. Regenbogenfarben auf Eckfahne, Trikots oder Kapitänsbinde. Aktionstage. Schwul-lesbische Fanklubs.

Vereine, die wie der 1. FC Köln oder der VfB Stuttgart am Christopher Street Day teilnahmen. Es ist einiges getan worden, um die Gesellschaft weiter zu sensibilisieren. „Es gibt viele Dinge, die sich verbessert haben“, meint Hitzlsperger.

„Generell sehe ich den deutschen Fußball in puncto Diversität auf einem guten Weg. In den Vereinen hat ein Wandel stattgefunden“, sagt auch Jost Peter vom Fan-Bündnis „Unsere Kurve“, und er meint: „Sie positionieren sich stärker, vertreten ihre Werte nach außen hin deutlicher.“

Homophobie in der Sportwelt nicht ausgeräumt

Ex-Jugendnationalspieler Marcus Urban hatte unlängst erklärt, gemeinsam mit Kollegen ein Gruppen-Coming-out organisieren zu wollen. „Wenn sich alle Beteiligten damit wohl- und nicht gedrängt fühlen, finde ich das wunderbar“, sagt Hitzlsperger. „Es würde enorme Aufmerksamkeit erzeugen und sicherlich anderen Menschen Mut machen.“

Letztlich sei ein Coming-out eine „individuelle Entscheidung, zu der ich zwar ermutigen, die ich aber niemals von einem Betroffenen einfordern würde“, sagt Alexander Wehrle, Nachfolger von Hitzlsperger als Vorstandschef des VfB Stuttgart. Er lebt selbst offen schwul. Sollte ein Spieler auf ihn zukommen, „würde ich ihm positiv zusprechen, die Mannschaft informieren und dann auch Medienvertreter entsprechend sensibilisieren, dass sie zwar gern einen Tag darüber berichten können, es aber nicht ewig ausschlachten sollten.“

Fan-Vertreter Peter glaubt, dass – anders als im Frauenfußball – im Männerbereich noch „Traditionen gebrochen werden müssen“. Zumindest im eigenen Stadion hätte ein Spieler nach einem Coming-out seiner Meinung nach zwar wohl keine negativen Reaktionen zu fürchten. Mitunter gebe es in den Kurven aber weiter homophobe Kommentare. Ein Problem, das der Fußball jedoch nicht exklusiv hat.

Generell, so Peter, sei „das Thema Homophobie trotz aller Bemühungen gerade in der Sportwelt längst nicht ausgeräumt.“ (dpa)