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Das neue Gesicht im Biathlon kommt aus Sachsen

Bei den deutschen Frauen steht ein Generationenwechsel an – und Luise Müller quasi in den Startlöchern. Die 21-Jährige aus Pirna könnte Nachfolgerin von Denise Herrmann werden.

Von Daniel Klein
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Luise Müller begann ihre Biathlon-Karriere beim SV Grün-Weiß Pirna. Für ihren Heimatverein startet sie weiterhin.
Luise Müller begann ihre Biathlon-Karriere beim SV Grün-Weiß Pirna. Für ihren Heimatverein startet sie weiterhin. © Ronald Bonß

Pirna. Mit 21 ändert sich einiges. Juristisch zählt man nicht mehr zu den Heranwachsenden – und im Biathlon nicht länger zum Nachwuchs. Luise Müller ist 21, der vergangene Winter war ihr letzter bei den Junioren. Und ein sehr erfolgreicher.

Mit der deutschen Staffel gewann sie Silber bei der WM wie bei der EM. In der Gesamtwertung des IBU-Junior-Cups, quasi das jugendliche Pendant zum Weltcup, wurde sie Dritte. Es sind Resultate, die aufhorchen lassen, vor allem auch, weil Müller für Grün-Weiß Pirna startet, einem Ort also, den man nicht sofort mit Biathlon in Verbindung bringt. Die Letzte, die es aus dem östlichen Teil Sachsens bis in die Weltspitze der Skijäger geschafft hatte, war die zweimalige Staffel-Weltmeisterin Tina Bachmann. Sie trat 2016 zurück.

Müllers Karriere startet gerade erst so richtig. Streng genommen stammt sie jedoch nicht aus Ostsachsen. Geboren ist sie in Adorf im Vogtland, als kleines Mädchen zieht sie mit ihren Eltern nach Rosenthal-Bielatal, also in die Sächsische Schweiz.

Umzug nach Ruhpolding im Sommer

„Angefangen habe ich mit Leichtathletik, mit zehn Jahren bin ich dann zum Skilanglauf und damit zu Grün-Weiß Pirna gewechselt“, erzählt sie. Der Verein hat in Altenberg eine eigene Skihütte.

Am dortigen Biathlon-Bundesstützpunkt absolviert sie wenig später ein Probetraining. „Das hat mir gut gefallen“, erinnert sie sich. Seitdem ist sie Skijägerin. Anfangs trainiert sie zweimal in der Woche in Pirna und fährt an den Winter-Wochenenden mit den Eltern nach Altenberg. Was die Sportart betrifft, ist sie erblich vorbelastet, ihre Mutter war Skilangläuferin und Biathletin in Klingenthal.

Mit 15 zieht Müller nach Altenberg ins Internat, lernt am Sportgymnasium und trainiert im Zinnwalder Hofmannsloch. „Die Umstellung war nicht so einfach, aber ans Aufhören habe ich nie gedacht“, sagt sie. „Sie hat nie aufgegeben, auch nach Durststrecken nicht“, bestätigt ihr Heimtrainer Arne Kluge. Nach dem Abitur bekommt sie eine Förderstelle bei der Bundespolizei.

Von Ende März bis Mitte Juli absolviert sie ihre Ausbildung an der Bundespolizeisportschule in Bad Endorf am Chiemsee – und trainiert nebenbei. Gerade ist sie zum dritten Mal dort. Wenn sie im Sommer 2023 die Prüfung besteht, trägt sie den Titel einer Polizeimeisterin. „Die restliche Saison war ich bisher in Altenberg, aber ab dem Sommer wird sich das wohl ändern“, vermutet sie.

Nicht nur in ihrer sportlichen Karriere steht gerade ein Umbruch an, auch in der Biathlon-Sparte des Deutschen Skiverbandes (DSV) wird es Veränderungen geben. Der neue Sportliche Leiter ist bereits bekannt, wer Müllers zuständiger Bundestrainer wird, noch nicht. Unabhängig davon ist für sie ein Umzug nach Ruhpolding beinahe unausweichlich. „Sie braucht Reibungspunkte, muss sich täglich messen. Es ist der nächste Schritt in ihrer Entwicklung“, meint Kluge. Sie selbst findet es „schade, dass sich alles auf einen Standort konzentriert, aber dort trainieren nun mal die besten deutschen Frauen“, erzählt Müller und meint Denise Herrmann, Franziska Preuß, Vanessa Hinz, Vanessa Voigt, Franziska Hildebrand – also den gesamten Weltcup-Kader. Oder besser: den verbliebenen.

Luise im Alter von elf Jahren, als sie mit Biathlon in Pirna begann.
Luise im Alter von elf Jahren, als sie mit Biathlon in Pirna begann. © Archiv: Marko Förster

Maren Hammerschmidt und Karolin Horchler haben ihre Karrieren gerade beendet, Herrmann will sich demnächst äußern, ob sie weitermacht. Sie ist wie Hildebrand über 30. Es steht also ein Generationenwechsel an, und es werden Stellen frei – auch für Müller.

Sie möchte sich in der kommenden Saison im IBU-Cup etablieren, erzählt sie. Das ist hinterm Weltcup die zweite Liga im Biathlon. Einfach wird das nicht. Mit ihr rücken noch vier, fünf andere Biathletinnen aus dem Juniorenbereich auf. „Die habe ich aber alle schon mal geschlagen“, sagt Müller selbstbewusst, die mit den Ergebnissen von der Junioren-WM vor sechs Wochen in Soldier Hollow (USA) zumindest einen kleinen Bonus beim Bundestrainer haben könnte.

In der Silber-Staffel lief sie an dritter Position, holte einen Rückstand auf und übergab als Erste. Im Verfolgungsrennen wurde sie Achte, verbesserte sich um zehn Plätze, war die Zweitbeste im deutschen Team. „Die Medaille war mein bisher größter Erfolg“, sagt sie und betont das Adverb im Satz. Irgendwann sind Weltcup, Weltmeisterschaften und Olympische Spiele das Ziel. Läuft alles nach Plan, könnte sie die Oberwiesenthalerin Herrmann beerben, bis jetzt ist sie hinter der 33-Jährigen die Nummer zwei unter den sächsischen Biathletinnen.

Eine Langläuferin als Vorbild

Es gibt durchaus Parallelen zwischen den beiden, auch Müllers Stärke ist das Laufen. „Zumindest ist es das in den vergangenen beiden Jahren geworden“, sagt sie. Und ähnlich wie Herrmann zählt sie sich nicht zu den Schnellschützinnen, sondern zu den „Sicherheitstypen“. Ihr Trainer wünscht sich, dass sie da manchmal ein bisschen aggressiver und frecher wäre.

Vorbilder hat sie jedoch andere – und es sind keine Biathleten: Mo Farrah, der britische Langstreckenläufer, vor allem aber Jessica Diggings. Die Skilangläuferin aus den USA gewann bei den Spielen in Peking Silber und Bronze. „Mir imponiert an ihr der Kampfgeist. Sie ist erst zufrieden, wenn sie alles rausgeholt hat“, sagt Müller.

Ähnlich beschreibt Kluge seinen Schützling. Ehrgeizig und zielstrebig sei sie. Müller selbst charakterisiert sich als offen und lustig, was es ganz gut trifft, und als Naturliebhaberin. Sie schnallt sich gerne Fell unter die Ski, stapft damit Berge hinauf und fährt sie dann rasant wieder herunter. „Aber erst nach der Saison, wegen der Verletzungsgefahr“, sagt sie. Klettern und Mountainbike sind weitere Hobbys, angefangen hat sie damit im Elbsandsteingebirge, also vor ihrer Haustür. Die Sächsische Schweiz bietet genügend Motive für ein weiteres Hobby, die Fotografie.

Womöglich steht sie künftig öfter vor als hinter der Kamera – zum Beispiel bei Siegerehrungen im IBU-Cup.