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Warum Sachsens Biathlon-Hoffnung Luise Müller mit 22 Jahren zurücktritt

Die Ankündigung ihres abrupten Karriereendes verknüpft Luise Müller aus Pirna mit einer Kritik am Deutschen Skiverband. Dafür erhält die Biathletin viel Zustimmung.

Von Daniel Klein
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Nach der Biathlon-Karriere will Luise Müller wieder mehr ihren Kopf fordern und Medizin studieren. Das Gymnasium hatte sie mit einem Notenschnitt von 1,0 beendet.
Nach der Biathlon-Karriere will Luise Müller wieder mehr ihren Kopf fordern und Medizin studieren. Das Gymnasium hatte sie mit einem Notenschnitt von 1,0 beendet. © Ronald Bonß

Dieser Rücktritt wurde vom Deutschen Skiverband nicht per Pressemitteilung verkündet und mit Dankesworten verknüpft. Kein Vergleich also zum Karriereende von Denise Herrmann-Wick. Es wäre natürlich auch reichlich übertrieben, ein Talent, das kein einziges Rennen im Weltcup bestritten hat, mit einer Olympiasiegerin und Weltmeisterin auf eine Stufe zu stellen. Und doch ist der Rücktritt von Luise Müller einer, der aufhorchen lässt und nachdenklich macht.

Die 22-Jährige vom SV Grün-Weiß Pirna galt als großes Biathlon-Talent. 2022 gewann sie bei der Junioren-WM in Soldier Hollow (USA) Silber mit der Staffel, wurde Achte in der Verfolgung. In der gerade zu Ende gegangenen Saison gehörte sie zur sogenannten Lehrgangsgruppe 1b – zusammen mit Hanna Kebinger und Sophia Schneider, die im Januar bei der WM in Oberhof überraschten. Und mit Lisa Spark, die beim Finale in Oslo ihr Weltcupdebüt feierte. Das alles wird Luise Müller nicht mehr erleben. Sie macht Schluss.

Auf Instagram hatte sie ihre Entscheidung mitgeteilt und dabei den Deutschen Skiverband (DSV) kritisiert. „Ich hoffe, dass der DSV langsam aufwacht und die breite Nachwuchsförderung und moderne Trainingsmethodik zur Priorität macht“, schrieb sie dort. „Ich habe leider auch Trainer kennengelernt, die ein völlig verzerrtes Bild haben von Trainingsmethoden und der Individualität von Sportlern.“ Dafür erhielt sie viel Lob. Lisa Spark schrieb in ihrem Kommentar: „Du hast mit deinen Worten genau in Schwarze getroffen.“

Im SZ-Gespräch erklärt die Ex-Biathletin vom SV Grün-Weiß Pirna, was sie damit meint: „Es gibt Trainer, die sich nicht weiter entwickeln, kaum dazulernen und immer noch das alte System durchziehen“, sagt sie, ohne Namen zu nennen. Zudem kritisiert sie den Quali-Modus für den Winter. Ein interner Wettkampf im November entscheidet meist darüber, wer im Weltcup, IBU-Cup oder im Deutschlandpokal starten darf. „Und wenn man an diesem einen Wochenende nicht in Form ist, hat man es ganz schwer, im Laufe der Saison noch ins Team zu kommen.“

Luise Müller spricht da aus eigener Erfahrung. Bei den Quali-Rennen im November fehlte sie aufgrund einer Erkältung. Erst Mitte Januar durfte sie dann im IBU-Cup, der zweiten Liga im Biathlon, starten. In Pokljuka lief es bei zwei Rennen nicht nach Plan, im Sprint wurde sie jedoch Achte und war damit zweitbeste Deutsche hinter Hanna Kebinger. Bei der nächsten Station in Obertilliach wurde sie lediglich 37. Damit war die Saison für sie quasi schon beendet. „Wenn es anders und ich im Weltcup gelaufen wäre, hätte ich sicher nicht aufgehört“, sagt sie.

Eine gravierende Veränderung stand aber auch für diesen Fall an: Sie wäre umgezogen. Erst vor einem Jahr hatte Luise Müller den Stützpunkt in Altenberg verlassen und war nach Oberhof gegangen. Doch dort kam sie offenbar nicht zurecht. Deshalb wäre sie nach Ruhpolding gezogen. Doch das hat sich nun erledigt.

Dass sie ihre Meinung noch einmal ändert, glaubt ihr langjähriger Trainer in Altenberg nicht. „Sie war immer schon konsequent und ein Sturkopf im positiven Sinn“, findet Arne Kluge. „Ich bedauere den Rücktritt natürlich sportlich sehr, vor allem aber auch menschlich. Sie war als Biathletin stets zielstrebig. Und sie hat, je älter sie wurde, immer öfter Dinge hinterfragt. Wir haben das dann besprochen und einen Weg gefunden.“

Wie ihr neuer Lebensweg aussieht, weiß die gebürtige Vogtländerin, die in Rosenthal-Bielatal aufgewachsen ist, natürlich schon. Ihre Ausbildung in der Sportfördergruppe der Bundespolizei im bayerischen Bad Endorf bricht sie ab. Im Sommer hätte sie dort die Prüfung zur Polizeimeisterin absolviert. Doch Luise Müller will lieber erst mal reisen. Mit dem Rucksack geht es Ende April los – das Ziel steht noch nicht ganz fest: Neuseeland oder Kanada.

Und danach? „Möchte ich studieren. Das war auch ein Grund, warum ich mit Biathlon aufhören wollte. Denn meine Wunschrichtung geht nicht als Fernstudium“. Nach der Rückkehr aus Übersee möchte sie sich bei einem Eignungstest für Medizin einschreiben. Der Abi-Notenschnitt passt schon mal. Das Sportgymnasium in Altenberg schloss sie mit der Traumnote 1,0 ab.

Bereut hat sie das jahrelange und harte Training dennoch nicht. „Ich habe Leute kennengelernt, die mir extrem wichtig sind. Durch den Sport gibt es da eine besondere Bindung.“ Ähnlich könnte das sicher auch Denise Herrmann-Wick formulieren.