SZ + Sebnitz
Merken

Stolpen: Wieder Güllehavarie in der Ferkelmast?

Vor einigen Tagen entdeckten Anwohner eine vermeintliche riesige Güllelage auf dem Vorplatz. Es wäre nicht das erste Mal. Doch es kam ganz anders.

Von Anja Weber
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Möglicherweise ist bei der Ferkelmast wieder Gülle ausgetreten. das vermuten die Anwohner. Was das Landratsamt sagt.
Möglicherweise ist bei der Ferkelmast wieder Gülle ausgetreten. das vermuten die Anwohner. Was das Landratsamt sagt. © Marko Förster

Braune, stinkende Flüssigkeit verteilt sich vor der Ferkelmastanlage der Stolpen Agro GmbH in Langenwolmsdorf. Die Anwohner sehen das inzwischen nicht mehr nur mit Sorge. Sie sind entsetzt. Seit Jahren kämpfen sie gegen das Treiben in der Anlage. Deren Eigentümer Marten Tigchelaar sieht das Gesetz auf seiner Seite. Dem Landratsamt als zuständige Behörde werfen die Anwohner Untätigkeit vor. Sie kritisieren gleich mehrere Dinge und das nicht erst seit dem letzten Vorfall vor einigen Tagen. Was war passiert? Drei Kritikpunkte der Anwohner und wie das Landratsamt darauf reagiert.

Immer wieder kommt es in der Ferkelmastanlage an der Napoleonstraße im Stolpner Ortsteil Langenwolmsdorf zu Zwischenfällen, weshalb die Nachbarschaft immer ein waches Auge darauf hat. Seinen Augen traute Anwohner Mathias Mitzscherling vor wenigen Tagen nicht. Schon wieder stand augenscheinlich Gülle auf dem Vorplatz, so dachte er. Erbost schreibt er eine E-Mail an das Umweltamt des Landratsamtes. "Ich befürchte bei dem derzeitigen Füllstand des Vorplatzes, dass die Flüssigkeit wieder in Grundwasser oder offenes Gewässer gelangt. Sie unternehmen nichts und nehmen es billigend in Kauf, wobei ein Straftatbestand vorliegen sollte", heißt es unter anderem in dem Schreiben.

Das Erdloch wurde nach seinen Beobachtungen bereits im August 2022 benutzt. Da floss nachweislich Gülle ins Grundwasser und in den Langenwolmsdorfer Bach. Die Kapazität beider Güllelagerungen beinhaltet über 7.000 Kubikmeter, schätzt der Anwohner. Damit sei das Ganze aus seiner Sicht genehmigungspflichtig. Seit dem Vorfall im August 2022 läuft die Anlage im Notbetrieb. Das heißt, der Eigentümer hat Auflagen zu erfüllen, was er bislang nach Einschätzung von Beobachtern nicht getan hat.

1. Kritikpunkt: Das Landratsamt kontrolliert nicht

Eine Nachfrage im Landratsamt hat ergeben, dass das Umweltamt umgehend nach dem Eingang der Beschwerde von Mathias Mitzscherling innerhalb einer Stunde vor Ort kontrolliert hat. "Es wurde festgestellt, dass keine der Beschwerdegegenstände tatsächlich zutreffend waren", heißt es aus dem Umweltamt auf Nachfrage der Sächsischen Zeitung. Wie schon seit Tagen herrschte zum Kontrollzeitpunkt leichter bis mäßiger Wind aus nördlicher bis nordöstlicher Richtung. Daher sei auch nur im unmittelbaren Randbereich um den Zaun der Anlage in südlicher Richtung ein leichter Geruch feststellbar gewesen.

Zum Zeitpunkt der Beschwerde konnte kein Geruch wahrgenommen werden. Auf direkte Nachfrage vor Ort durch das Umweltamt habe man dies so bestätigt und am Wohnhaus auch so festgestellt. Auf dem Vorplatz habe man eine wenige Zentimeter tiefe Ansammlung von Niederschlagswasser festgestellt, welches dort nicht versickert. Weder sei dort Geruch wahrnehmbar gewesen noch habe man Gülleablagerungen erkennen können. Auch in dem Erdloch daneben habe man keine Gülle feststellen können. Außerdem dürfe so ein Erdloch nicht als Güllelagerbecken genutzt werden, was die Anwohner aber vermuten. Bei der Havarie im August letzten Jahres leitete der Betreiber dort rechtswidrig Gülle ein. Noch am Tag der Kenntnis hatte das Umweltamt die Beräumung angeordnet und auch überwacht. Bei allen Kontrollen nach der Beräumung hätten sich keine Anzeichen gefunden, dass Gülle eingeleitet worden wäre, heißt es.

2. Kritikpunkt: Der Betreiber lagert zu viel Gülle

Lageranlagen, wie die Gülleanlage, sind auf Grundlage von Bauplänen oder Bauzeichnungen zugelassen und errichtet worden. Die Anwohner zweifeln das an und sagen, auf dem Gelände wird zu viel Gülle gelagert, mindestens 7.000 Kubikmeter sollen das sein.

Das Lagervolumen in einer Lagune könne nur abgeschätzt werden, heißt es aus dem Landratsamt. Auf der Grundlage eines Berechnungsverfahrens des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie werde auf der Basis der Düngeverordnung und der zulässigen Tierart und Anzahl ein voraussichtlicher Gülleanfall ermittelt. Bei der gegenwärtigen Nutzung zur Ferkelaufzucht liege dieser zwischen rund 2.000 und 3.000 Kubikmeter. Daher kommt das Umweltamt auch zu dem Schluss, dass die vorhandene Kapazität nur maximal zu 50 Prozent ausgeschöpft sei. Die Grenze für eine genehmigungsfreie Anlage liegt bei einer Güllelagerkapazität von 6.500 Kubikmetern.

3. Kritikpunkt: Die Anlage läuft weiter nur im Notbetrieb

Der derzeitige Betrieb der Anlage beruht auf dem baurechtlichen Bestandsschutz. Allerdings gibt das Umweltamt hier den Anwohnern recht. "Die Anlage zur Lagerung und zum Transport der Gülle entspricht derzeit nicht in vollem Umfang den Anforderungen nach dem Wasserrecht", sagt die Behörde. Und eben das wäre für die Anwohner Grund genug, die Anlage stilllegen zu lassen. Um die Anforderungen zu erfüllen, müsste der Betreiber eine Vorgrube als Pumpstation und begrenztes Zwischenlager errichten, um die Gülle sicher aus den Ställen in die Lagune zu transportieren.

Nach der Havarie vom August 2022 wurde vom Betreiber in Zusammenarbeit mit einer Firma eine technische Zwischenlösung erarbeitet, um die Güllelagune abzudichten. Das Umweltamt habe dieser zugestimmt. "Aufgrund langer Lieferzeiten und der immer noch niedrigen Nachttemperaturen, die ein Verkleben und ordnungsgemäßes Aushärten verhindern, konnte noch keine Fertigstellung erfolgen", sagt das Umweltamt. Bis dahin werde die Gülle etwa zweimal wöchentlich aus den Kanälen direkt in ein Fahrzeug abgepumpt, in das Güllelagerbecken gefahren und dort gelagert.

Anlagen wie die Güllelagune in Langenwolmsdorf unterliegen der Prüfung durch einen Sachverständigen, die alle fünf Jahre passieren muss. Die letzte Prüfung erfolgte 2020. Für das Güllelagerbecken bescheinigte der Sachverständige damals Mängelfreiheit, heißt es aus dem Umweltamt.