Görlitz
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Vom Schauspieler zum Feldkoch

Uwe Gebauer war einst bei den Historienspielen dabei. Jetzt ist der Görlitzer Katastrophenschützer – und braucht dringend Helfer.

Von Ingo Kramer
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Uwe Gebauer ist kommissarischer Gruppenführer im Katastrophenschutz der Malteser. Er braucht dringend Unterstützung.
Uwe Gebauer ist kommissarischer Gruppenführer im Katastrophenschutz der Malteser. Er braucht dringend Unterstützung. © Nikolai Schmidt

Irgendwie ist Uwe Gebauer in seinen 62 Lebensjahren alles schon mal gewesen. Der gelernte Kfz-Schlosser hat zu DDR-Zeiten als Stahlbaumonteur das Kraftwerk Jänschwalde mit aufgebaut, war Feinmechaniker im Kondensatorenwerk, Glasmacher in der Glaswerkstatt Trumpf und Glasschleifer bei der Firma Teschner in der Nonnenstraße. Dann kam die Wende und für Uwe Gebauer ging es genauso bunt weiter. Zwei Jahre war er beim DRK und baute das Jugendrotkreuz mit auf, kümmerte sich nebenbei auch um die Öffentlichkeitsarbeit. Als Außendienst für einen Mainzer Großhandel hat er sieben Jahre lang im ganzen Osten Werkzeuge verkauft. Nachdem die Firma pleite gegangen war, machte er diverse Weiterbildungen und schließlich noch mal eine richtige Berufsausbildung zum CNC-Fräser. Er war im Callcenter und er lieferte für die Fleischerei Hein Waren aus, bis in den Spreewald.

Bekannt als Lautenschläger

Bei alledem lebte er immer in Görlitz, ist verheiratet, hat zwei Töchter, zwei Enkeltöchter – und Zeit für Hobbys, für Acryl- und Ölmalerei, für die Musik und für sein Rennrad. Als Musiker dürfte er einigen Görlitzern bekannt sein. Unter dem Namen „Schreyhals und Lautenschläger“ ist er zusammen mit Matthias Lietzmann mit Tavernenspiel, Stadtführungen und Sagenspectaculum unterwegs. Uwe Gebauer ist der Lautenschläger. Das heißt, er begleitet den Schreyhals mit seiner Gitarre. Nicht wenige Menschen haben Gebauer auch bei den Historienspielen am Untermarkt kennengelernt. Sechs Jahre lang wirkte er dort mit, nicht nur als Statist, sondern auch mit kleineren Sprechrollen. Er spielte den Handwerker Eckhard, einen Pestarztgehilfen, und sprang außerdem ein, wenn die Kulissen zur richtigen Zeit an den richtigen Ort geschoben werden mussten. An diese Zeit erinnert er sich bis heute gern.

„Das war eine schöne Gemeinschaft“, sagt er ein bisschen wehmütig. Gemeinschaft war schon immer sein Ding, der Umgang mit Menschen. „Ich war ja auch mal Leiter des Altstadt-Jugendclubs.“ Seit diesem Jahr hat er diese Gemeinschaft, diesen Umgang mit Menschen wieder: Uwe Gebauer ist kommissarischer Gruppenführer im Katastrophenschutz der Malteser.

Dabei war das gar nicht so geplant. Als er 2016 wieder auf Arbeitssuche war, bewarb er sich bei den Maltesern für den Fahrdienst, wurde genommen – und ist dort inzwischen längst nicht mehr nur Fahrer. Stattdessen erwarb er noch 2016 seine Ausbildungsberechtigung – und bildet seither in Erster Hilfe aus. Schließlich wurde er im April diesen Jahres von Bernhard Wittig, dem Dienststellenleiter beim Malteser Hilfsdienst, auf den Katastrophenschutz angesprochen. Der besteht seit 1993 und hat seither einige Großeinsätze hinter sich gebracht, etwa bei der Hochwasserhilfe in Polen 1998, beim Jahrhunderthochwasser in Dresden, Pirna und Bad Schandau 2002 oder beim Augusthochwasser 2010 in Görlitz. Hinzu kamen weniger dramatische Einsätze, etwa die Versorgung der Teilnehmer am Landesposaunentag 2012 oder beim Landesfeuerwehrverband 2014.

Über viele Jahre waren immer um die 30 Leute für die Malteser im Katastrophenschutz tätig, erinnert sich Wittig. Mal sprang jemand ab, mal kam jemand dazu, aber die ungefähre Größe blieb konstant – bis vor vier oder fünf Jahren. Seither ging es abwärts, erst langsam, inzwischen dramatisch. „Die Leute hatten die verständlichsten Gründe für ihr Ausscheiden“, sagt Markus Kremser, der als Zugführer für den gesamten Zug tätig ist, also die Gesamtverantwortung für den Katastrophenschutz von DRK und Maltesern trägt.

Zugpferde sind abgesprungen

Die einen, so Kremser, hätten aufgehört, weil sie ihr drittes Kind bekamen, die anderen wegen zusätzlicher Verantwortung im Beruf. Immer war das zeitaufwendige Ehrenamt im Katastrophenschutz nicht mehr zu schaffen. Am gravierendsten sei es, wenn ein Zugpferd abspringt, also einer, der Leute um sich scharen, motivieren und begeistern kann: „Dann gehen seine Freunde meist auch weg.“ Hinzu kommt, dass sich junge Leute früher anstelle von Wehr- und Zivildienst auch im Katastrophenschutz verpflichten konnten: zuerst für zehn Jahre, später für acht, dann noch für sechs. Der heutige Ministerpräsident Michael Kretschmer war auf diese Weise früher im Katastrophenschutz der Görlitzer Malteser tätig. Und manch einer blieb länger, sodass diese Verpflichtung letztlich auch der Nachwuchsgewinnung diente.

Mit dem Wegfall von Wehr- und Zivildienst fiel auch diese Verpflichtung weg – ein weiterer Grund, warum es jetzt an Katastrophenschützern fehlt. Nicht zu vergessen: Es ist ein zeitaufwendiges Ehrenamt, für das es keine Aufwandsentschädigung gibt – nur die Ausbildung wird komplett bezahlt, außerdem Fahrtkosten und andere Sachaufwendungen. Wer mitmachen will, muss mindestens 16 Jahre alt sein – und wie Uwe Gebauer Freude am Umgang mit Menschen und an der Hilfe für Menschen haben, außerdem Interesse an fachspezifischen Fortbildungen. Mit einer Helfer-Grundausbildung geht es los – und zwar in den Gebieten Sanität und Betreuung, Einsatz, Technik und Sicherheit. Insgesamt sind das 100 bis 120 Stunden, verteilt über ein bis anderthalb Jahre. Meist sind es Wochenend- oder Abendveranstaltungen.

Das Archivbild zeigt Uwe Gebauer im Sommer 2005 auf dem Untermarkt. Damals war er Mitwirkender im Historienstück „Die Pulververschwörung und das Heilige Grab“.
Das Archivbild zeigt Uwe Gebauer im Sommer 2005 auf dem Untermarkt. Damals war er Mitwirkender im Historienstück „Die Pulververschwörung und das Heilige Grab“. © Rolf Ullmann

Uwe Gebauer ist gerade mittendrin in der Helfer-Grundausbildung. „Ich wachse da jetzt mehr und mehr mit rein“, sagt er. Bei der großen Übung am Berzdorfer See vor anderthalb Wochen hat er die Verpflegung für 290 Einsatzkräfte organisiert. Das umfasste nicht nur das Kochen und Essen ausgeben in der Feldküche: Sitzgelegenheiten mussten gebaut, eine Wasserversorgung organisiert und warme Getränke zur Verfügung gestellt werden. „Für all das brauchen wir dringend Helfer“, sagt Gebauer. Wittig nickt zustimmend: „Wir wissen nicht, wie es mit dem Katastrophenschutz der Malteser weitergehen soll, wenn wir nicht schnell neue Leute finden.“

Nach der Helfer-Grundausbildung warten etwa zwei Dienste pro Monat auf Uwe Gebauer und alle anderen Katastrophenschützer. Sie treffen sich mal am Abend, mal am Sonnabend, erhalten Unterweisungen. Hinzu kommen zivile Verpflegungseinsätze. Uwe Gebauer ist gern dabei – allein schon wegen der Gemeinschaft. Aber wenn sich nicht genug neue Helfer finden, steht alles ernsthaft auf der Kippe. Und damit auch die Hilfe bei Katastrophen.

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