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Was bei Schmerzen wirklich hilft

Die Stiftung Warentest hat 20 häufige Wirkstoffe gegen Schmerzen untersucht. Von einigen sollte man die Finger lassen.

Von Stephanie Wesely
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Gegen schlimme Schmerzen helfen rezeptfreie Mittel manchmal nicht mehr. Foto: Christin Klose/dpa
Gegen schlimme Schmerzen helfen rezeptfreie Mittel manchmal nicht mehr. Foto: Christin Klose/dpa © dpa

Der Verbrauch an Schmerzmitteln – ob frei verkäuflich oder rezeptpflichtig – steigt von Jahr zu Jahr. 2020 wird mit einem Umsatz von 520 Millionen Euro gerechnet, das wären vier Prozent mehr als 2019. Für die Stiftung Warentest ist das ein Hinweis darauf, dass oft noch zu leichtfertig zu einem Schmerzmittel gegriffen wird. Ein Team aus Apothekern, Ärzten und Gutachtern hat für die Stiftung deshalb häufige Schmerzwirkstoffe bewertet.

Schmerz ist laut ihrer Aussage ein wichtiges Warnsignal und weise auf Erkrankungen oder Verletzungen hin. Doch bei vielen Menschen hat sich der Schmerz zu einer eigenständigen Krankheit entwickelt: Die Zahl chronisch Betroffener wird vom Bundesverband Deutsche Schmerzhilfe auf acht Millionen Menschen geschätzt. Bei ihnen ist meist keine organische Ursache mehr für den Schmerz zu finden.

Die passende Therapie für den Patienten zu wählen, ist laut Stiftung Warentest deshalb eine hohe Kunst. Denn Medikamente könnten Schmerzen lindern, aber auch Nebenwirkungen haben.

Hin und wieder eine Schmerztablette

Die Weltgesundheitsorganisation teilt Schmerzmittel je nach Stärke in drei Stufen ein. Sie gelten auch als Rangfolge für den Einsatz. Begonnen wird meist mit den sogenannten nicht-steroidalen Antirheumatika, auch nicht-opioide Schmerzmittel genannt. Ihre Aufgabe ist es, Schmerz- und Entzündungsbotenstoffe zu hemmen. „Allerdings haben diese Botenstoffe im Körper auch günstige Effekte, die damit unterdrückt werden“, sagt Professor Christoph Maier von der Schmerzklinik der Uni Bochum, im Gespräch mit der Stiftung Warentest. Das wiederum erkläre die Nebenwirkungen, zum Beispiel Nieren- oder Magenschäden.

Manche erhöhten bei längerem Gebrauch auch das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall, darunter bekannte Wirkstoffe wie Ibuprofen und Diclofenac. Eines der ältesten Schmerzmittel – die Acetylsalicylsäure (ASS) – könne zu Magenbeschwerden führen. Paracetamol hingegen könne Leberschäden auslösen. Alle diese Wirkstoffe sind in Deutschland rezeptfrei erhältlich. Davon hin und wieder eine Schmerztablette zu schlucken, sei laut dem Schmerzexperten kein Problem. Sie wurden beim Test deshalb auch als geeignet eingestuft.

Kombipräparate nicht empfohlen

Doch jede Selbstmedikation hat Grenzen, wie Professor Maier sagt. Deshalb sollten Schmerzmittel ohne ärztlichen Rat höchstens vier Tage am Stück und zehn Tage im Monat genommen werden. Denn sonst könnten sie durch Gewöhnungseffekte selbst Schmerzen auslösen, weil damit die Schmerzschwelle im Gehirn sinkt.

Der Wirkstoff Metamizol gehört laut der Stiftung Warentest ebenfalls zu den geeigneten, doch er ist rezeptpflichtig und kommt besonders bei starken Schmerzen oder Koliken zum Einsatz, wenn rezeptfreie Mittel nicht ausreichend helfen. Nicht empfohlen werden dagegen Kombipräparate mit Metamizol, zum Beispiel Phenazon oder Propyphenazon. Ihr Einsatz bei Schmerzen sei kaum durch Studien untersucht.

Auch von anderen Kombipräparaten sollte man besser die Finger lassen. Sie enthalten zum Beispiel Paracetamol und ASS, was die Wirkung nicht erhöht, aber oft zu stärkeren Nebenwirkungen führt. Auch die Kombination mit Coffein empfehlen die Tester nicht. Medikamente, die diese ungünstigen Mischungen enthalten, sind zum Beispiel Neuralgin, Spalt, Thomapyrin oder Togal.

In der zweiten Stufe der Schmerzbehandlung können laut WHO schwache Opioide gegeben werden. Dazu gehören Wirkstoffe wie Codein, Dihydrocodein und Tramadol, die alle als geeignet eingestuft werden. Einschränkungen machen die Tester bei Kombinationen von Tilidin und Naloxon. Denn Naloxon sei ein Gegenspieler von Opioid. Diese Kombination solle einen Missbrauch in der Drogenszene verhindern, denn auch schwache Opioide könnten abhängig machen.

Cannabis für Schwerstkranke

Erst wenn Schmerzmittel der Stufe eins und zwei nicht mehr ausreichend helfen, sollte zu starken Opioiden gegriffen werden. Dafür ist ein Betäubungsmittelrezept erforderlich, das besonderen Sicherheitsvorkehrungen unterliegt. Diese Medikamente gebe es nur unter ärztlicher Kontrolle. Auch das Absetzen müsse allmählich geschehen. Der Wirkstoff Buprenorphin wird nur zum Einnehmen, nicht als Pflaster empfohlen. Gute Wirksamkeitsnachweise gebe es außerdem unter anderem für Hydromorphon, Levomethadon und Morphin.

Einschränkungen machen die Tester zum Beispiel bei der Kombination aus Oxycodon und Naloxon, da das Mittel zu Verstopfung führt. Fentanyl-Tabletten gelten es als schnell wirksames, im Mund zergehendes Medikament. Das Suchtpotenzial scheint hier aber auch höher zu sein.

Seit 2017 können Schwerstkranke auch Cannabis auf Kosten der Krankenkasse verordnet bekommen. Zum Beispiel Extrakte oder getrocknete Blüten. Die medizinischen Effekte seien oft schlecht belegt und vergleichsweise schwach, urteilen Arzneimittelexperten der Stiftung Warentest.

Reichen Medikamente nicht, wird eine multimodale Behandlung beim Schmerztherapeuten, die über mehrere Wochen geht, empfohlen. Bei diesem Konzept arbeiten Physiotherapeuten, Schmerzmediziner und Psychotherapeuten zusammen. Doch laut Maier könne man auch damit meist keine Schmerzfreiheit erwarten. Aber Linderung sei oft möglich.