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Eishockey-Legende Klaus Hirche ist tot

Der Torhüter, der den Spitznamen "Der Mann mit der schwarzen Maske" trug, prägte über Jahrzehnte den Eishockeysport in Weißwasser und der DDR. Die Lausitzer Füchse trauern um eine Vereinslegende. Ein Nachruf.

Von Daniel Klein
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Klaus Hirche in der Eisarena in Weißwasser. Über die Geschichte des Eishockeysports in seiner Heimatstadt schrieb er ein Buch.
Klaus Hirche in der Eisarena in Weißwasser. Über die Geschichte des Eishockeysports in seiner Heimatstadt schrieb er ein Buch. © Ronald Bonß

Weißwasser. Es kommt selten vor, dass ein Verein derart mit einem Namen verbunden wird. Eishockey in Weißwasser – das ist vor allem Klaus Hirche. Kein anderer Spieler, keine andere Persönlichkeit hat den Traditionsklub derart geprägt wie der Torhüter, der als „Mann mit der schwarzen Maske“ berühmt wurde. Und das weit über die Lausitz hinaus. Wie der Zweitligist mit Verweis auf Hirches Familie mitteilte, ist er am Dienstmorgen „friedlich eingeschlafen“. Einen Monat vor seinem 83. Geburtstag.

Als Steppke stand er am Braunsteich mit bis zu 1.500 anderen Zuschauern, war fasziniert vom schnellen Spiel. Entdeckte wurde er 1948 bei einer Sichtung für eine Pioniermannschaft. Nach einem Jahr als Stürmer wechselte er ins Tor und blieb dort. 1957 gehörte Hirche als 18-Jähriger das erste Mal zum Aufgebot der Männermannschaft. Beim letzten und entscheidenden Saisonspiel gegen Frankenhausen stellte ihn der Trainer ins Tor. Weißwasser gewann 3:2 und wurde DDR-Meister. Zehn weitere Titel folgten, doch der erste, sagte Hirche rückblickend, sei der bedeutsamste gewesen: „Als junger Spieler überhaupt dabei zu sein, halten zu dürfen und obendrein zu gewinnen – das war großartig.“

14 Jahre war er die Nummer 1 von Dynamo Weißwasser, für die DDR-Auswahl absolvierte er 118 Spiele, nahm an acht Weltmeisterschaften sowie an den Olympischen Winterspielen 1968 teil. Für ihn der Höhepunkt, auch wenn er wegen einer eine Zerrung angeschlagen war und die DDR alle Spiele verlor. „Es gibt nichts Größeres. Und ich, der Jüngste aus einer Familie mit sechs Kindern, durfte das erleben“, erzählte er.

Hier noch ohne Maske: Nach insgesamt 30 Kopfverletzungen ließ sich Klaus Hirche seine berühmte schwarze Maske anfertigen.
Hier noch ohne Maske: Nach insgesamt 30 Kopfverletzungen ließ sich Klaus Hirche seine berühmte schwarze Maske anfertigen. © Privatfoto

Den größten Erfolg feierte er 1966 in Ljubljana, als die DDR EM-Bronze gewann. Berühmt machte ihn seine Maske, als einer der ersten Torhüter weltweit spielte er mit einem Gesichtsschutz. „Damals hieß es immer: Mit Helm auf dem Eis? Ein richtiger Junge braucht so etwas nicht“, berichtete Hirche. In seiner Karriere erlitt er 30 Kopfverletzungen, seine Frau Christa sorgte sich, als er mit Nasenbeinbrüchen nach Hause kam. Der Auslöser zum Umdenken war jedoch ein anderer: „Als mir ein Österreicher in einem Spiel alle Frontzähne am Oberkiefer ausschlug, musste ich handeln. Ich erinnerte mich an eine Maske, die der kanadische Torwart Sid Martin getragen hatte.“

Ein Zahnarzt nahm einen Gipsabdruck von Hirches Gesicht, aus Drahtgeflecht und Fiberglas wurde daraus in der damaligen Tschechoslowakei die Maske gefertigt und schwarz lackiert. Ein schwedischer Reporter prägte bei der WM 1963 die Bezeichnung „Der Mann mit der schwarzen Maske“. Auch im heimischen Weißwasser werden oft Länderspiele ausgetragen, 1959 war ein Freiluft-Stadion für 12.000 Zuschauer eingeweiht worden.

Bei den Duellen gegen Kanada oder die damals als übermächtig geltende Sowjetunion drängelten sich bis zu 16.000 auf den Traversen. Wie im Dezember 1966, als die DDR gegen die „Sbornaja“ mit einem 3:3 einen Achtungserfolg feierte. „Hätten wir einen Hirche im Tor, wären wir noch schwerer zu besiegen“, erklärte damals der sowjetische Trainer Arkadi Tschernyschew. Es blieb bis zur Wende das einzige Unentschieden der DDR gegen die Sowjetunion.

Legenden unter sich bei einem Besuch im alten Freiluftstadion in Weißwasser: Klaus Hirche (l.), Erich Novy (M.) und Joachim Franke, der später als Eissschnelllauf-Trainer große Erfolge feierte.
Legenden unter sich bei einem Besuch im alten Freiluftstadion in Weißwasser: Klaus Hirche (l.), Erich Novy (M.) und Joachim Franke, der später als Eissschnelllauf-Trainer große Erfolge feierte. © Agentur

Seine aktive Karriere musste Hirche 1970 mit 32 Jahren beenden. Ausgerechnet sein Jugendfreund Joachim Franke, der später zum Eisschnelllauf wechselte und Claudia Pechstein in die Weltspitze führte, „kam zwei Tage vor Heiligabend zu mir und sagte: Klaus, das war es jetzt.“ Er sollte dem eigenen Nachwuchs Platz machen. So blieb ihm erspart, in der DDR-Miniliga spielen zu müssen. Auf Beschluss der Sportführung des Landes schrumpfte die Meisterschaft ab 1972 auf die beiden Dynamo-Teams aus Weißwasser und Berlin.

Nach seinem Abschied aus dem Tor wurde er Trainer. In den vier Jahren in Weißwasser gewann er drei Titel, bis 1976 war er zudem Co-Trainer der DDR-Auswahl, nahm an zwei Weltmeisterschaften teil. Nach der Wende arbeitete er als Mannschaftsleiter für die Lausitzer Füchse, wie sich das Bundesliga-Team nun nannte. Richtig los kam er von seinem Sport und seinem Verein auch nach seinem Ruhestand 2002 nicht. Er wirkte als Autor am Buch „Vom Braunsteich in die Eisarena“ mit und veröffentlichte seine Biografie mit dem Titel „Overtime – Zeit für eine Bilanz“.

Sein Verein, bei dem er Ehrenmitglied war, würdigte ihn als „großen Sportler und großartigen Menschen. Er hinterlässt eine große Lücke“. Dirk Rohrbach, Geschäftsführer der Lausitzer Füchse, lernte ihn als Trainer und später Mannschaftsleiter kennen. „Er war mein erster Ansprechpartner, wenn es um die Geschichte unseres Vereins ging. Noch vorige Woche redeten wir darüber, wie wir den 90. Geburtstag des Eissports Weißwasser im Dezember begehen wollen. Diesen wird er nun nicht mehr erleben“, erklärte Rohrbach, der den Verstorbenen als „zuverlässigen Vereinskameraden und einen tollen Freund“ würdigte.

Vor Jahren hatte Hirche, der Mitglied in der „Hockey Hall of Fame Deutschland“ ist, eine Krebserkrankung überstanden.