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Greenpeace beendet Turow-Besetzung

Umwelt-Aktivisten hatten einen Abraumbagger bestiegen, um gegen Polens Klimapolitik zu protestieren. Tschechien zeigte sich von der Aktion wenig begeistert.

Von Thomas Christmann
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Einen Abraumbagger in der Grube Turow haben die Aktivisten mit einem großen Banner versehen.
Einen Abraumbagger in der Grube Turow haben die Aktivisten mit einem großen Banner versehen. © Greenpeace

Der Protest von Umwelt-Aktivisten im Tagebau Turow ist friedlich zu Ende gegangen. Nachdem die Gruppe in der Nacht von Dienstag zum Mittwoch das Gelände betrat und einen Abraumbagger eroberte, ergab sie sich nach 30 Stunden der Polizei. Mit der Aktion - zu der sich Greenpeace Polen bekannte - forderten die Aktivisten den Gruben- und Kraftwerksbetreiber PGE sowie den stellvertretenden Regierungschef und zuständigen Minister für Staatsbeteiligungen Jacek Sasin auf, dringende Maßnahmen für das Klima zu ergreifen. Dabei hatten sie Transparente wie "Gerechte Transformation jetzt!" und "Fossilfreie Revolution!".

Die Aktivisten waren entschlossen, so lange wie möglich an Ort und Stelle zu bleiben, sagt Joanna Flisowska, Leiterin der Energie- und Klimakampagne von Greenpeace Polen. Ihr zufolge befanden sich 18 Frauen und Männer auf dem Bagger. Polizei und Wachdienst waren vor Ort. Weil sich die Aktivisten 40 Meter über dem Boden befanden, hielt sie ein Einschreiten für unwahrscheinlich.

Die Aktivisten wiesen mit ihrem Protest darauf hin, dass die Gesellschaft und das Ministerium "die sich verschärfende Klimakrise und die Notwendigkeit, die Kohle bis 2030 aufzugeben, konsequent ignorieren". Es sei unmöglich zu schweigen, wenn Gemeinden in Bergbaugebieten getäuscht und der Mittel für die Umwandlung beraubt werden, sagt Wioletta Smul. Deshalb nahm sie an der Protest-Aktion teil.

"Wasser ist mehr als Kohle"

PGE will den Bergbau bis 2044 verlängern, obwohl Einwohner von Hrádek (Grottau) und Frýdlant (Friedland), Vertreter der Region Liberec und der tschechischen Regierung dagegen sind. Sie haben Angst um ihr Grundwasser. Selbst Zittau fürchtet Schäden - und hat inzwischen Beschwerde bei der EU eingereicht. Tschechien klagt sogar vor dem Europäischen Gerichtshof und fordert bis zum Urteil einen Kohle-Abbaustopp. Daher hatten die Aktivisten in Turow auch ein Banner in dessen Sprache mit der Aufschrift "Wasser ist mehr als Kohle" aufgehängt. Tschechen waren nach Auskunft von Joanna Flisowska aber nicht unter den Teilnehmern.

Bisher hat PGE eine Bergbaugenehmigung bis 2026 erhalten - und damit gegen EU-Regeln verstoßen. Laut Greenpeace ist das Unternehmen der größte Verursacher von Treibhausgasen im Land und der drittgrößte in der EU. Joanna Flisowska spricht bei PGE von einem Klimazerstörer. "Das Unternehmen lehnt jedoch jegliche Verantwortung ab und blockiert sogar die Möglichkeiten für die lokale Bevölkerung, einen fairen Übergang von Kohle zu einer saubereren Wirtschaft zu vollziehen", sagt Joanna Flisowska. Im Gegenteil: PGE plant nach Angaben von Greenpeace, sein Kohlegeschäft loszuwerden und alle Belastungen und Kosten für die Umgestaltung der Regionen auf die polnischen Steuerzahler zu übertragen.

"Fossilfreie Revolution"
"Fossilfreie Revolution" © Greenpeace
"Polen ohne Kohle 2030"
"Polen ohne Kohle 2030" © Greenpeace

Durch die Protest-Aktion bestand keine Gefahr für die Stromversorgung von rund 2,3 Millionen polnischen Haushalten, teilt Betreiber PGE mit. Das Unternehmen bezeichnet die Forderungen von Greenpeace in einer Mitteilung als unrealistisch. Nach seinen Angaben führen diese dazu, dass Polen auf Energie aus dem Ausland angewiesen ist, der lokale Arbeitsmarkt zusammenbricht, Hunderte Unternehmen Pleite gehen, Tausende Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren - sofern der über Jahre dauernde Verwandlungsprozess nicht gewährleistet wird. Wie die Energiewende ablaufen soll, hat PGE bereits in einem Strategiepapier umfassend dargestellt. Turow ist dabei laut dem Betreiber die einzige Grube, die Umweltorganisationen derart angreifen. Dabei liegen in Tschechien und Deutschland viel größere Braunkohlebergwerke.

Der Gouverneur der Region Liberec (Reichenberg) Martin Puta war nicht begeistert von der Aktion der Umwelt-Aktivisten. Es trage nicht gerade zur bereits verschärften Situation bei, sagt er einem tschechischen Nachrichtenportal. Hradeks (Grottaus) Bürgermeister Josef Horinka sah die Situation ähnlich. Er würde weder Bagger noch Schornsteine besteigen oder sich an Bäume befestigen. Wer der Meinung sei, dass dies der richtige Weg sei, müsse es tun. "Aber die Stadt nutzt einen legalen Weg", sagt Josef Horinka.

Die Aktivisten beendeten den Protest, nachdem weitere von ihnen mit Vertretern von Greenpeace und Experten des Instituts für Kunst und Entwicklung vor dem Ministerium für Staatsbeteiligungen in Warschau erschienen. Dort wollten sie Jacek Sasin den Preis als Mann des Jahres für die "wirksame Umsetzung der Klimastrategie" übergeben. Unter seiner Führung würden polnische Energie- und Bergbauunternehmen auf eine Klima- sowie eine soziale und wirtschaftliche Katastrophe zusteuern, sagt Karol Mikos, Instituts-Direktor und Vorsitzender der Wettbewerbsjury. Unternehmen des Jahres ist PGE, das "in seinen Aktivitäten mutig eine Erklärung der Klimaneutralität mit der Planung eines weiteren Ausbaus bestehender Minen, dem Versuch, neue zu bauen, und dem Fehlen eines Zeitplans für die Stilllegung von Kohlekraftwerken kombiniert." (mit kpl)

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