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Ukrainer in Sachsen: Wir, die Stahlwerker aus Riesa

Drei Männer flohen aus dem zerstörten Mariupol nach Sachsen. In den Elbe-Stahlwerken Feralpi sind sie nun eine feste Bank.

Von Olaf Kittel
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Die Stahlarbeiter aus Mariupol wollen mit ihren Familien in
Riesa bleiben.
Die Stahlarbeiter aus Mariupol wollen mit ihren Familien in Riesa bleiben. © SZ/Veit Hengst

Riesa. Die drei Stahlwerker aus Mariupol standen noch stark unter dem Eindruck der Kriegserlebnisse und ihrer abenteuerlichen Flucht über mehrere Grenzen bis nach Deutschland, als die SZ im Juni 2023 zum ersten Mal über sie berichtete. Überschrift damals: „Wir, die Stahlwerker aus Mariupol“. Aber ganz so selbstbewusst, wie die Zeile klingt, waren sie nicht. Sie saßen da in ihren feuerroten Schutzanzügen, und das Reden fiel ihnen schwer. Und das lag nicht nur an den Sprachkenntnissen.

Valeri Kotlovoi, heute 53, war mit seiner erwachsenen Tochter im Bombenhagel aus der Wohnung im Zentrum von Mariupol geflohen, sie fanden Aufnahme im Haus der Schwester am Stadtrand. Dort erfuhren sie, dass ihre Wohnung zerstört wurde. Als auch das Haus der Schwester ausbrannte, flohen sie über Russland und Polen nach Deutschland.

Andrii Butenko, 44, hatte vor zwei Jahren in Mariupol mit Frau und zwei kleinen Söhnen zunächst nächtelang im Etagenflur ihres Hochhauses übernachtet, um sicherer zu sein vor den Bomben. Sie hielten aus, bis die Kämpfe vorbei waren. Dann floh die Familie über Rostow, Minsk und Warschau.

Mit den Herzen in der Heimat, mit den Familien in Riesa

Sein jüngerer Bruder Anton (39) ging mit Frau und Tochter gleich nach Kriegsausbruch nach Odessa. Sie kehrten zurück, der Eltern wegen. Aber in Mariupol hielten sie es nicht lange aus. Ihr Stahlwerk, eines der größten in Europa, war vollkommen zerstört, die Stadt eine Trümmerwüste.

Alle drei hatten in Deutschland von guten Jobs in Riesa gehört, Feralpi suchte händeringend Stahlwerker. Alle drei bekamen befristete Jobs, begannen Sprachkurse, fanden Hilfe bei ihrer Integration.

Heute sind sie mit dem Herzen noch immer in der Heimat, aber mit ihren Familien in Riesa angekommen. Andrii Butenko arbeitet als 3. Walzwerker und kann sich zum 1. Walzwerker hocharbeiten. Er wird im Sommer die B1-Sprachprüfung ablegen. Bruder Anton, auch er ausgebildeter Ingenieur, wurde in ein „Technical Graduate“- Programm für Fach- und Führungskräfte aufgenommen. Er wird in allen Bereichen des Werkes eingesetzt und soll dort Projekte übernehmen. Valeri Kotlovoi tut sich mit der deutschen Sprache schwerer. Er arbeitet auf dem Schrottplatz, der gesamte Stahl aus Riesa wird aus Schrott hergestellt.

"Wir haben schon 21 Ukrainer eingestellt"

Uwe Reinecke, der General Manager der Elbe-Stahlwerke Feralpi in Riesa, ist sehr froh über seine neuen Mitarbeiter. Gerade werden 220 Millionen Euro in ein emissionsfreies Walzwerk investiert. Dafür werden noch 100 Fachleute gebraucht. „Wir haben schon 21 Ukrainer eingestellt und nutzen inzwischen ihre Netzwerke, um weitere zu interessieren. Die laden wir zum Probearbeiten ein, die Besten nehmen wir“, sagt Reinecke. Allerdings nervt ihn die Bürokratie. Sein Appell an die Behörden: Lasst euch was einfallen, damit nicht dauernd die Aufenthaltstitel verlängert werden müssen!

Und wie denken die drei Ukrainer über ihre Zukunft? Heute sind sie sich einig: Wir wollen in Riesa bleiben! Die Arbeit passt, die Familien leben sich ein, die Brüder Butenko haben ihre Eltern nachgeholt. Und alle drei bekamen bereits unbefristete Arbeitsverträge.

Sie, die Stahlwerker aus Riesa.