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Neun Irrtümer über Winterreifen

Für den Radwechsel werden in Sachsen nun zwischen 80 und 100 Euro fällig. Aber der Ganzjahresreifen ist trotzdem nicht für jeden eine gute Alternative. Worauf Sie bei Radwechsel achten sollten.

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Winterreifen haben auf Schnee wegen ihrer weicheren Mischung, dem Profil und kleinen Lamellen im Gummi mehr Grip.
Winterreifen haben auf Schnee wegen ihrer weicheren Mischung, dem Profil und kleinen Lamellen im Gummi mehr Grip. © Symbolfoto: kairospress

Die ersten Nachtfröste in Sachsen waren schon da – höchste Zeit für alle Autofahrer, die Winterreifen aufzuziehen. „Wie überall sind auch dafür die Preise gestiegen“, sagt eine Mitarbeiterin von Pneuhage in Chemnitz. Der Radwechsel mit Auswuchten kostet dort für kleine 16-Zoll-Reifen aktuell 58,80 Euro – ohne weiteren Service wie Reinigen oder Einlagern. Vergölst in Zwickau verlangt dafür 70,44 Euro, ATU in Dresden 59,96 Euro.

„Mit Einlagern und Auswuchten muss man für den Radwechsel jetzt zwischen 80 bis 100 Euro pro Saison einplanen“, sagt Florian Heuzeroth vom ADAC in Sachsen. Sein Kollege Ruprecht Müller und Constantin Hack vom Auto Club Europa (ACE) erklären, worauf beim Radwechsel außerdem zu achten ist.

Irrtum 1: Spätestens im Oktober müssen die Winterreifen drauf

Als grobe Faustformel kann „O bis O“ (Oktober bis Ostern) für das Aufziehen der Winterreifen immer noch herhalten. Doch rechtlich hat das keine Relevanz. Denn in Deutschland gilt eine situative Winterreifenpflicht. Das heißt: Unabhängig von einem bestimmten Zeitraum sind Winterreifen immer dann Pflicht, wenn es die Wetterverhältnisse mit Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte erfordern. Ansonsten können Bußgelder ab 60 Euro und ein Punkt in Flensburg folgen.

Irrtum 2: Baue ich mit Sommerreifen einen Unfall, zahlt die Versicherung

Nach einem Unfall mit Sommerreifen auf winterlichen Straßen kann es wegen grober Fahrlässigkeit zu Kürzungen oder Regressforderungen bei der Autoversicherung kommen. Darauf weist der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft hin. Die Kfz-Haftpflichtversicherung übernimmt zwar den Schaden des Unfallopfers, kann aber den Verursacher mit bis zu 5000 Euro in Regress nehmen. Unter Umständen muss er mit 100 Prozent Leistungskürzung rechnen.

Irrtum 3: Für Winterreifen ist es noch viel zu warm

Winterreifen könnten schon bei Tageshöchsttemperaturen von 15 bis 20 Grad Celsius an das Auto. „Die Reifen nehmen dadurch keinen Schaden“, sagt Ruprecht Müller vom ADAC-Technikzentrum, da die Fahrbahntemperaturen meist unter den höchsten Lufttemperaturen lägen. Winterreifen haben eine weichere Mischung als Sommerreifen. „Somit bleiben sie auch bei kälteren Temperaturen geschmeidig und haften besser auf der Fahrbahn“, erklärt Constantin Hack vom ACE. Das Mischungsverhältnis sei so gewählt, dass sie bei Temperaturen unter 10 Grad Celsius gegenüber Sommerreifen ihre Vorteile ausspielen.

Irrtum 4: Bei der Profiltiefe reichen 1,6 Millimeter aus

Gesetzlich vorgeschrieben ist eine Mindestprofiltiefe von 1,6 Millimetern. Beide Verkehrsclubs raten allerdings zu mindestens vier Millimetern. Die Profiltiefe sei vor allem bei Aquaplaning entscheidend, also bei stehendem Wasser. „Je größer das Restprofil, desto mehr Wasser kann der Reifen verdrängen und findet wieder Halt“, erläutert Constantin Hack. Und auf Schnee und Schneematsch kann mehr Profil den Grip für Vortrieb und fürs Bremsen sicherstellen. Um den Wert zu ermitteln, gibt es Profiltiefenmesser für wenige Euro. Wer keinen hat, behilft sich mit einer 2-Euro-Münze: Ihr silberner Außenring um das Motiv herum ist vier Millimeter breit.

Irrtum 5: Ganzjahresreifen sind eine gute Alternative

Ganzjahresreifen sind eine Mischung aus Winter- und Sommerreifen. Diese Allwetterreifen genannten Pneus sind ein Kompromiss. Die Gummimischung müsste zumindest theoretisch so ausgelegt sein, dass sie zwischen minus 30 und plus 40 Grad funktioniert, wenn der Ganzjahresreifen die volle Einsatzbreite der Spezialisten abdecken soll. In der Praxis schaffe er dies nicht, so Müller. Wer aber in einer klimatisch gemäßigten Region lebt und weder Skiurlaub noch Sommerferien im heißen Süden plant, kann darin eine Alternative sehen. Auch für Zweit- und Kleinwagen mit geringen, vor allem innerstädtischen Laufleistungen können Ganzjahresreifen infrage kommen.

Irrtum 6: Nicht alle Reifen müssen Winterreifen sein

„Juristisch können Sie Winterreifen, Sommerreifen und Ganzjahresreifen bunt mischen, und selbst an jeder Position einen Reifen eines anderen Herstellers aufziehen“, sagt Hack. Aber bei winterlichen Straßen muss sich an jeder Position ein zugelassener Winter- oder Ganzjahresreifen drehen. Hack empfiehlt, paarweise auf der Achse das gleiche Modell desselben Herstellers zu haben.

Zudem sollten beide Reifen gewechselt werden, auch wenn nur einer von beiden defekt ist. Denn es kann vorkommen, dass etwa das ESP durcheinander kommt, wenn sich der Umfang der Reifen etwa durch verschieden stark abgefahrene Profile unterscheidet, so Hack. Zudem kann sich das allgemein schlecht aufs Fahrverhalten auswirken.

Das Reifenpaar mit dem besseren Profil sollte auf die Hinterachse kommen. Denn ihr Seitenführungspotenzial stabilisiert das Fahrzeug besonders bei der Kurvenfahrt, erklärt ADAC-Experte Ruprecht Müller. Laufrichtungsgebundene Reifen, die durch einen Pfeil in Laufrichtung und „Rotation“ beschriftet sind, sollten nicht von links nach rechts getauscht werden. Sonst verschleißen sie schneller.

Irrtum 7: Ich kann Winterreifen so lange fahren, bis das Profil runter ist

Neue Winterreifen sind etwa nach sechs Jahren fällig. Zu dieser Faustformel rät der ADAC. Zeigen sie keine äußerlichen Alterungserscheinungen, dürften sie länger genutzt werden, so Müller. Meist sei aber ein regelmäßig gefahrener Reifen in dem Alter schon so verschlissen, dass er allein wegen der geringen Restprofiltiefe ersetzt werden sollte. Produktionswoche und Jahr lassen sich in der Regel an einer vierstelligen Ziffernfolge, der DOT-Nummer, an der Reifenflanke erkennen. Lautet die etwa „1022“, wurde der Reifen in der zehnten Produktionswoche im Jahr 2022 hergestellt.

Irrtum 8: Je teurer der Winterreifen, desto besser die Qualität

Den absolut besten Reifen gibt es nicht, da er immer ein Kompromiss aus Haftung, Haltbarkeit und Verbrauch sei, so Constantin Hack. Die Hersteller müssen einen Kompromiss finden, der zum Auto, dem Fahrstil, der Region und dem vorherrschenden Wetter passt. Auch am Preis lässt sich die Qualität nicht immer festmachen. Beide Verkehrsclubs führen regelmäßig aufwendige Reifentests durch, die Käufern Orientierung bieten.

„Es gibt tatsächlich Reifen, die in einigen Disziplinen, besonders auf Nässe, regelrecht versagen“, sagt Müller. Da helfe auch eine defensive Fahrweise nicht. Auch ein Händler kann fahrzeugspezifisch beraten, wenn man etwa mit den Infos im Fahrzeugschein nicht klarkommt oder nicht weiß, welche Reifen überhaupt aufgezogen werden dürfen.

Irrtum 9: Gute Reifen ermöglichen immer kurze Bremswege

Wer sich neue Winterreifen kaufen möchte, sollte bei den Tests darauf achten, dass sie kurze Bremswege haben. Doch es gibt Unterschiede auf trockener als auch auf nasser Fahrbahn. Die Reifen sollten zudem in Kurven stabil sein, eine hohe Aquaplaning-Sicherheit bieten, leise laufen und eine geringe Geräuschentwicklung haben. Wichtig sind zudem ein hoher Abrollkomfort, ein niedriger Rollwiderstand und ein geringer Verschleiß. (dpa/rnw/sp)