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Im Kampf um Holz und Kohlen

Holz und Kohle sind derzeit knapp. Viele Kunden gehen leer aus. Die Stimmung der Händler im Elbsandstein und im Osterzgebirge pendelt zwischen Stress und Existenzangst.

Von Jörg Stock
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"Leute enttäuschen macht keinen Spaß." Alexandra Kind, Chefin von Ehrhardt Freude Brennstoffe in Ebersbach, führt auch das Pirnaer Geschäft "Heizprofi". Briketts kann sie derzeit nur an Stammkunden liefern, wenn überhaupt.
"Leute enttäuschen macht keinen Spaß." Alexandra Kind, Chefin von Ehrhardt Freude Brennstoffe in Ebersbach, führt auch das Pirnaer Geschäft "Heizprofi". Briketts kann sie derzeit nur an Stammkunden liefern, wenn überhaupt. © Foto: Rafael Sampedro

Es sind gute Tage, an denen nur sechzig Kunden anrufen wegen der Kohle. An schlechten sind es 150. "Die E-Mails beantworten wir schon gar nicht mehr." Es klingt verrückt, was die Brennstoffhändlerin Alexandra Kind erzählt, dass es ihr lieber wäre, das Telefon mit den Kohlekäufern am anderen Ende würde schweigen. Doch die allermeisten kann sie eh nur enttäuschen. "Und Leute enttäuschen macht keinen Spaß."

Bestellte Kohle: Mit Glück kommt ein Bruchteil an

Die Firma Ehrhardt Freude Brennstoffe & Transporte aus Ebersbach ist eine der drei größten Kohlehändler in Südostsachsen, die nach eigenen Angaben zusammen etwa 10.000 Haushalte versorgen. Alexandra Kind hat die Firma vom Vater übernommen, die auch ein Standbein in Pirna hat, den "Heizprofi". Von hier aus werden Briketts ins Elbland geliefert, aber auch ins Osterzgebirge, bis hinauf nach Geising und Altenberg.

Zurzeit aber geht in Sachen Kohle praktisch nichts. "Briketts werden derzeit so gut wie gar nicht hergestellt", sagt Alexandra Kind. "Es fehlen erhebliche Tonnagen." Wenn doch was kommt, sind es Reste, die irgendwo lagerten, und die nicht lange vorhalten, ein oder zwei Sattelzüge vielleicht. "Das ist nichts", sagt die Chefin. "Das verkaufen wir an einem Tag."

Arbeit am Limit: Die Braunkohleveredelung der Leag in Schwarze Pumpe kann die hohe Nachfrage an Briketts nicht mehr stillen.
Arbeit am Limit: Die Braunkohleveredelung der Leag in Schwarze Pumpe kann die hohe Nachfrage an Briketts nicht mehr stillen. © Copyright: LEAG / Andreas Franke

Auch andere Verkäufer trifft die Kohlennot. "Briketts gibt's keine", heißt es bei Gotthelf Böhme in Rathmannsdorf. Im Toom-Baumarkt Freital wartet Geschäftsführer Mirko Lessing seit zwei Wochen auf die nächste Lieferung. "Wir kriegen nur einen Bruchteil dessen, was bestellt ist", sagt er, "und das nur mit gut Glück." Kohle-Anfragen gibt es auch bei Toom massig, Antworten nicht. "Weil wir selbst von den Lieferungen überrascht werden", sagt der Chef. Kommt mal Nachschub, ist er zwei Tage später alle.

Lausitzer Brikettpresse läuft auf Volllast

Für Alexandra Kind hat die Misere nur teilweise mit dem Ukrainekrieg zu tun. Energiesorgen treffen auf Kohleausstieg - das ist für sie der Kern des Übels. Wegen des beschlossenen Endes für die Braunkohle gibt Rheinbraun aus Köln die Brikettproduktion bis Ende 2022 auf. Faktisch ist die Lausitz Energie Bergbau AG in Cottbus, kurz Leag, schon jetzt die einzige verbliebene Brikettfabrik Deutschlands.

"Dieses Jahr ist es extrem." Brennholzproduzent Kai Ziegenbalg auf seinem Forsthof in Leupoldishain. Sein Lieferkalender ist voll bis Ende Februar.
"Dieses Jahr ist es extrem." Brennholzproduzent Kai Ziegenbalg auf seinem Forsthof in Leupoldishain. Sein Lieferkalender ist voll bis Ende Februar. © Steffen Unger

Die Leag beliefert Alexandra Kind, auch Gotthelf Böhme und Toom. Und produziert längst am Limit, wie Sprecherin Kathi Gerstner meldet. Drei- bis viertausend Tonnen Briketts liefen täglich vom Band. "Seit Januar ist die Produktion im Vergleich zum Vorjahr um vierzig Prozent gestiegen." Eine derart starke, auch über den Sommer anhaltende Nachfrage sei seit dreißig Jahren nicht mehr vorgekommen.

Reaktivierte Kraftwerke schlucken Brennstoff

Nicht nur die Kunden, auch die Leag selbst braucht mehr Kohle. In Jänschwalde werden zwei Kraftwerksblöcke aus der Reserve geholt, um die Stromversorgung zu sichern. Auch die anderen Kraftwerksanlagen des Unternehmens, davon gehe man aus, würden den Winter über mit voller Leistung gefordert, sagt Sprecherin Gerstner. Mehr Kohle aus dem Tagebau zu holen, gehe aber nicht, aus Kapazitätsgründen. Ergo: Für die Brikettpresse bleibt weniger übrig.

Kontingent für dieses Jahr schon erschöpft: Um Futter für seinen Spalter zu kriegen, muss Kai Ziegenbalg alle Quellen nutzen.
Kontingent für dieses Jahr schon erschöpft: Um Futter für seinen Spalter zu kriegen, muss Kai Ziegenbalg alle Quellen nutzen. © Steffen Unger

Alexandra Kind, die Kohle-Lady, hat ihren Geschäftsbetrieb stark einschränken müssen. Beliefert würden jetzt ausschließlich Stammkunden. "Für alle anderen können wir derzeit keine Lieferung sicherstellen." Kind bezeichnet die Lage als existenzbedrohend. Ein neuer Job wäre für die ausgebildete Juristin wohl kein Problem. Aber sie will weiter kämpfen, auch für ihre zehn Angestellten. "Ich betrachte meine Leute als Familienmitglieder."


Hinter Pirna, im Gewerbegebiet von Leupoldishain, bugsiert Kai Ziegenbalg mit dem Radlader Fichtenstämme in den Schlund seines Säge- und Spaltapparats. Der wird daraus zehn Raummeter Scheitholz für einen Kunden am Lilienstein machen. Ziegenbalg ist Brennholzproduzent und so beschäftigt wie nie. Sein Telefon steht nicht mehr still, E-Mails ohne Ende. Da geht auch mal was unter und die Kunden meckern. "Man lässt schon Nerven", sagt er, "aber wir können auch nicht mehr als arbeiten."

Die Brennholzfabrik läuft: Nachdem die Kettensäge ein Stammstück abgetrennt hat, wird es vom sternförmigen Spaltmesser in Scheite zerlegt.
Die Brennholzfabrik läuft: Nachdem die Kettensäge ein Stammstück abgetrennt hat, wird es vom sternförmigen Spaltmesser in Scheite zerlegt. © Steffen Unger

Bislang gab es Zeiten im Jahr, da konnte Ziegenbalg auch mal Luft holen. Doch dieses Jahr war alles anders. Die Nachfrage sei von Beginn an extrem gewesen, sagt er. Sein Holzkontingent, das er von Sachsenforst bezieht, und das stets zweieinhalb- bis dreitausend Kubikmeter jährlich betrug, hatte er schon im September verbraucht. Jetzt muss er beim Forst nachverhandeln, hangelt sich mit dem Vorrat von Woche zu Woche. Diese Woche hat es wieder geklappt. "Aber ob es nächste Woche noch klappt?"

Staatsforst verdoppelt Feuerholzverkauf

Ziegenbalg setzte Brille und Gehörschutz auf, greift den Joystick und lässt den ersten Stamm in den "Tajfun" einfahren, seine kleine Feuerholzfabrik, hergestellt in Slowenien. Ein Ruck am Steuerknauf befördert die Rolle zum Anschlag. Ein zweiter, die Hochgeschwindigkeitssäge kreischt. Ein dritter, und 25 Tonnen drücken den abgesägten Klotz gegen das sternförmige Spaltmesser und produzieren auf einen Schlag acht Scheite Feuerholz, die auf dem Förderband Richtung Anhänger rumpeln.

Fertig für die Fahrt zum Kunden: Kai Ziegenbalg zieht Scheite von der Förderbandmündung auf den Anhänger.
Fertig für die Fahrt zum Kunden: Kai Ziegenbalg zieht Scheite von der Förderbandmündung auf den Anhänger. © SZ/Jörg Stock

Der Staatsforst reagiert auf den steigenden Bedarf seiner Brennholz-Abnehmer. Im Osterzgebirge etwa, im Forstbezirk Bärenfels, wurden dieses Jahr schon 13.500 Raummeter Brennholz verkauft, sagt Sprecherin Kristina Funke. "Das ist mehr als das Doppelte der Vorjahre." Nicht alle Wünsche könnten befriedigt werden, insbesondere nicht die nach Laubholz, etwa Buche, da die Nadelbäume den Forstbezirk dominieren. "Nachfragen nach Nadelholz werden aber gern bedient."

Preis fürs Scheitholz klettert um zwanzig Euro

Kai Ziegenbalg hat noch einiges an Buchen, Eichen und Birken auf Lager. Die Laubholzknappheit sei aber Fakt und habe sich durch den ungebremsten Absatz das Jahr hindurch noch verstärkt. Teurer geworden sind alle Sortimente bei ihm, im Schnitt um zwanzig Euro. Ein Kubikmeter lose aufgeschütteter Buchenscheite von gut dreißig Zentimetern Länge kostet jetzt zum Beispiel 80 Euro, der Kubikmeter Nadelholz 70 Euro.

Sind es goldene Zeiten für einen Brennholzhändler? Kai Ziegenbalg schaut etwas gequält. Weniger Stress wäre ihm lieber. Denn die höheren Preise, sagt er, bringen ihm nicht mehr Gewinn. Er gibt nur das weiter, was er im Einkauf drauflegen muss, und an der Tanke und bei der Wartung der Technik. Und was, wenn nächstes Jahr keiner mehr Holz will, weil alle satt sind? Davor fürchtet sich Kai Ziegenbalg nicht. Über tausend Stammkunden hat er schon in der Kartei. "Und wenn die Qualität stimmt, bleiben die auch."