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Balkonkraftwerk soll für jeden erschwinglich sein

Mehr Solarstrom, weniger Bürokratie verspricht ein Gesetzespaket der Bundesregierung. Sachsen legt zudem ein Förderprogramm auf. Die Anträge können ab 29. August gestellt werden.

Von Sven Heitkamp
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Solarmodule sollen so einfach wie ein Haushaltsgerät zu installieren sein.
Solarmodule sollen so einfach wie ein Haushaltsgerät zu installieren sein. © dpa

Wenn es um Balkonkraftwerke geht, redet Andreas Eichhorst mit wachsender Begeisterung. Montagabend steht der Chef der Verbraucherzentrale Sachsen im fast vollen Saal der Leipziger Stadtbibliothek und schwärmt von den Chancen für Privatleute, auf ihrem Balkon aus Sonne eigenen Strom zu machen, damit Geld zu sparen und das Klima zu schonen. „Wir können etwas tun, und es macht Spaß“, sagt Eichhorst. „Fotovoltaik-Anlagen auf der Terrasse oder auf dem Balkon sind der richtige Weg.“ Es brauche nur die richtigen Förderungen und verlässliche Regelungen.

Beides ist jetzt auf dem Weg: Die Berliner Ampel-Koalition hat vor wenigen Tagen das sogenannte Solarpaket I auf den Weg gebracht, um den Zubau von Fotovoltaikanlagen zu entbürokratisieren und zu beschleunigen. Der Gesetzentwurf soll ab Anfang 2024 gelten. Der Freistaat Sachsen hat dazu ein Förderpaket aufgelegt, um Privatleuten mit jeweils 300 Euro bei der Anschaffung und Installation von Balkonkraftwerken, die einfach in die Steckdose gestöpselt werden, zu unterstützen.

Ab 29. August können Anträge digital gestellt werden. Der einmalige Festbetrag wird nach der Bezahlung, Installation und Inbetriebnahme der Stecker-Fotovoltaikanlage ausgezahlt, wenn man sich anmeldet und Rechnungen und Fotos von seinem neuen Solarkraftwerk vorlegt. 6,5 Millionen Euro Fördergelder stehen aus dem sächsischen Klimafonds bereit. Damit können mehr als 20.000 Mieter und Eigenheimbesitzer in einem reinen Online-Verfahren gefördert werden. Es ist ein Kraftakt auch für die SAB, der wohl nur dank heutiger Software-Lösungen und künstlicher Intelligenz möglich ist.

In dreieinhalb Jahren amortisiert

Tatsächlich ist der Weg zum kleinen Hauskraftwerk inzwischen denkbar einfach: Stecker-Solarpanels mit 400 Watt Leistung gibt es laut Denis Schneiderheinze, Energieexperte der Verbraucherzentrale, für 500 bis 750 Euro bei Fachhändlern und im Internet. Hinzu komme ein kleiner Wechselrichter, um den Gleichstrom in Wechselstrom umzuwandeln, sowie Befestigungen und bei Bedarf noch eine Einspeisesteckdose, die Elektriker installieren sollten. Im Gegenzug bekommt man jetzt von der SAB 300 Euro Förderung.

Rechtlich möglich sind ab Anfang 2024 zwei solcher Module mit insgesamt 800 Watt Leistung. Der erzeugte Strom wird über die Steckdose direkt im Haushalt verbraucht. Er dient vor allem für die Grundlast von ständig laufenden Geräten wie dem Kühlschrank samt Eisfach, Telefon, Internetroutern und anderen Geräten im Standby-Modus. Ein Batteriespeicher sei überflüssig, auch eine Einspeisung ins öffentliche Netz samt Abrechnung beim Netzbetreiber entfällt. „Das Solarmodul, das Privatleute ohne technische Kenntnisse in die Lage versetzt, selbst Strom zu erzeugen, ist so einfach zu installieren wie ein Haushaltsgerät“, sagt Schneiderheize. „Das ist kein Hexenwerk.“ Allerdings müsse die Zustimmung des Vermieters eingeholt werden.

Möglich sei mit dem Balkonkraftwerk bei heutigen Strompreisen eine durchschnittliche Kostenersparnis von etwa 200 Euro im Jahr. Eine geförderte Anschaffung für 700 Euro hat sich dann nach gut dreieinhalb Jahren amortisiert. Die nächsten etwa 20 Jahre, die eine Anlage hält, spart der Nutzer bares Geld auf seiner Stromrechnung. Außerdem könnten binnen 20 Jahren etwa 2,5 Tonnen CO2 eingespart werden, sagt Elektroingenieur Lutz Unbekannt vom Verein für ökologisches Bauen.

Das Solarpaket der Bundesregierung sieht dabei ab nächstem Jahr deutliche Vereinfachungen vor. Eine vorherige Anmeldung beim Netzbetreiber soll entfallen und die Anmeldung im Marktstammdatenregister für Stromerzeugungsanlagen auf wenige, einfache Daten reduziert werden. Auch die Pflicht für einen digitalen Stromzähler soll wegfallen – bisherige Stromzähler sollen einfach rückwärts laufen, wenn Strom eingespeist wird. Außerdem dürfen Balkonsolaranlagen künftig leistungsfähiger sein und sollen mit einem herkömmlichen Schuko-Stecker auskommen – eine Einspeisesteckdose ist nicht mehr nötig.

"Fotovoltaik muss ein Selbstläufer werden"

Für Gerd Lippold, Grünen-Staatssekretär im Umweltministerium, bedeuten die vereinfachten Regeln und das neue sächsische Förderprogramm die logische Fortsetzung einer langen Geschichte. „Vor 20 Jahren waren solche Solaranlagen ein Thema für echte Freaks“, sagt der studierte Physiker und Firmengründer. Die ersten Nutzer galten als „Fotovoltaik-Guerilla“. Doch durch die gigantische Technologie-Entwicklung und die deutsche Förderpolitik wie die EEG-Umlage und die Einspeisevergütung zur Unterstützung erneuerbarer Energien im großen Stil sei die kostengünstige Solarstromproduktion möglich geworden.

„Die Deutschen haben der Welt die kostengünstige Solarenergie geschenkt“, sagt Lippold. Europa werde allein dieses Jahr nur aus China Solarmodule mit 100 Gigawatt Leistung beziehen. „Fotovoltaik muss ein Selbstläufer werden, weil sie sich rechnet“, sagt Lippold. Das sächsische Förderprogramm für Balkonkraftwerke solle nun dazu beitragen, die Eintrittshürde für die Menschen im Freistaat so niedrig wie möglich zu setzen und damit umso Nutzer und mehr freie Flächen zu erschließen. Lippold: „Wir wollen in Sachsen den persönlichen Zugang zur Solaranlage ermöglichen.“