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Solarzellenhersteller Meyer Burger: „Europa ist momentan kein guter Ort, um zu investieren“

Meyer Burger ist der einzige Solarzellenhersteller, der noch in Europa produziert. Doch auch dessen CEO Gunter Erfurt denkt darüber nach, das Geschäft verstärkt in die USA zu verlagern.

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Gunter Erfurt leitet seit 2020  den Schweizer Technologiekonzern als Vorstandschef.
Gunter Erfurt leitet seit 2020 den Schweizer Technologiekonzern als Vorstandschef. © Arvid Müller

Von Kevin Knitterscheidt

Als Vorstandschef von Meyer Burger verfügt Gunter Erfurt in Europa über ein Alleinstellungsmerkmal: Der Schweizer Solarzellenhersteller ist das einzig verbliebene Unternehmen der Branche, das noch nennenswerte Produktionskapazitäten in Europa unterhält.

Ob das so bleibt, ist derzeit die Frage. Denn aus Erfurts Sicht droht die EU den Standortwettbewerb mit Ländern wie den USA, China und Indien zu verlieren. „Europa ist momentan kein guter Ort, um in die Solarindustrie zu investieren“, sagte der Manager im Gespräch mit Handelsblatt Today. Er fordert mehr Unterstützung für die Wirtschaft – in Form von Subventionen, wie sie beispielsweise im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) in den USA gezahlt werden.

Ein Brief, den Erfurt zu diesem Thema an Finanzminister Christian Lindner (FDP) schrieb, blieb bislang allerdings unbeantwortet. „Wir werden dort, ich sage es einfach mal ganz krass, zum größten Teil ignoriert“, fasst der Meyer-Burger-Chef zusammen. „Man will mit uns da nicht sprechen.“

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Herr Erfurt, Sie haben vor einigen Tagen einen Brief an Finanzminister Christian Lindner geschrieben, in dem Sie drohen, aus Europa abzuwandern und stattdessen in den USA zu expandieren. Was ist der Grund dafür?

Zunächst einmal haben wir nicht gedroht – wir reflektieren einfach die derzeitigen industriepolitischen Realitäten. Wir sehen im Moment viele Initiativen in vielen Regionen, die den dort ansässigen Unternehmen viel Förderung und industriepolitische Unterstützung anbieten, wenn sie Technologien für die Energiewende produzieren.

Das sind Länder wie China, Indien und die Vereinigten Staaten. Europa hingegen tut bislang gar nichts, um diese Industrie wirklich zu befördern. Das heißt also, die Hersteller und auch wir überlegen uns natürlich, ob wir nicht einen stärkeren Fokus auf die USA legen sollten.

Mit dem Brief haben Sie ein öffentliches Echo ausgelöst. Wie sind die Reaktionen ausgefallen?

Das Telefon hat in den vergangenen Tagen schon etwas öfter geklingelt, wir haben natürlich für Reaktionen gesorgt. Aber ich bleibe da ganz nüchtern. Im Endeffekt zählt vor allem, dass sowohl die Europäische Kommission als auch die Regierungen der Mitgliedstaaten und ganz besonders Deutschland den vielen Ankündigungen, die es seit circa 15 Monaten gibt, jetzt auch Taten folgen lassen.

Da spreche ich auch nicht nur über unser Unternehmen, sondern über die gesamte Branche, die ja in den Startlöchern steht: von Polysilizium bis zum Solarmodul inklusive Glasproduktion. Es würden sehr viele Unternehmen gern hier wieder loslegen, aber dann muss industriepolitisch etwas passieren.

  • Zur Person: Gunter Erfurt trat nach mehreren leitenden Positionen in der Solarindustrie, unter anderem als Technologiechef bei Solarworld, im Jahr 2015 zunächst bei der Deutschlandtochter von Meyer Burger in die Geschäftsleitung ein. Anschließend war er als COO und CTO bei der Konzernmutter tätig. Seit 2020 leitet er den Schweizer Technologiekonzern als Vorstandschef.

Warum produzieren Sie überhaupt in Deutschland, wenn die Konkurrenz schon länger von den günstigeren Herstellungskosten in beispielsweise Asien profitiert?

Die Logik, wegen derer wir uns überhaupt in das Geschäft begeben haben, sieht so aus: Wir haben Technologieführerschaft, das bedeutet, unser Produkt ist besser als das des Wettbewerbs. Deshalb haben wir uns getraut, mit tiefer Überzeugung in Deutschland zu produzieren.

Lassen Sie mich ein Wort zu den höheren Kosten sagen: Wenn es den aktuellen Subventionswettlauf nicht gäbe, dann wären die Herstellungskosten überall ungefähr gleich. Der Anteil der Personalkosten ist so gering, dass man eine Produktion mit hoher Automatisierung praktisch überall darstellen kann. China kann Solarmodule also nicht einfach günstiger produzieren, sondern der Staat subventioniert die Produktion massiv. Und jetzt geht das Ganze auch in den USA los.

Was können wir uns da abschauen?

Die USA haben grundsätzlich erkannt, dass man die Solarindustrie zumindest für eine temporäre Phase unterstützen muss – und zwar in der Flächenproduktion. Wenn man in den USA produziert, egal ob mit bestehenden Anlagen oder mit neu gebauten, dann erhält man bestimmte Fördersätze, die auch in bar ausgezahlt werden. Das sind bei Solarzellen und -modulen zusammengenommen pro Jahr und Gigawatt rund 110 Millionen Euro – und das bis 2029. Ab dann wird die Förderung jährlich um 25 Prozent reduziert, und ab 2033 läuft die Förderung komplett aus.

Wenn Sie heute als europäisches Technologieunternehmen in den USA vorsprechen, dann öffnen sich innerhalb weniger Tage die Türen – selbst ins Weiße Haus. Bei der Finanzierung von Fabrikprojekten haben die Amerikaner erkannt, dass sie es den Chinesen gleichtun müssen.

  • Das Unternehmen: Meyer Burger wurde ursprünglich als Ausrüster für die Uhren- und Chipindustrie gegründet, bevor das Unternehmen ab 1999 zunehmend auch für die Solarindustrie produzierte. Seit 2019 hat der Konzern sein Geschäftsmodell als Zulieferer für die Solarbranche beendet und produziert unter anderem am Standort in Sachsen seither Solarmodule und -zellen mit seinen selbstentwickelten Maschinen. Damit ist Meyer Burger der letzte verbliebene Hersteller von Solarzellen in Europa.