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Macht Meyer-Burger die Solar-Produktion in Sachsen dicht?

Der Solartechnik-Konzern Meyer-Burger fordert staatliche Hilfen im Preiswettbewerb mit China. Der Fabrik in Freiberg, ehemals Solarworld, droht erneut die Schließung.

Von Georg Moeritz
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Die größte Solarmodulfabrik Europas steht in Freiberg - doch der Konzern Meyer-Burger kündigt die Schließung an für den Fall, dass nicht rasch Staatshilfe kommt.
Die größte Solarmodulfabrik Europas steht in Freiberg - doch der Konzern Meyer-Burger kündigt die Schließung an für den Fall, dass nicht rasch Staatshilfe kommt. © PR/Meyer Burger

Freiberg. Fünf Wochen Frist für die Bundesregierung: Der Solartechnik-Hersteller Meyer-Burger mit 500 Beschäftigten in seiner größten Fabrik in Freiberg fordert Staatshilfen für die Branche. Falls Berlin nicht bis zur zweiten Februarhälfte die nötige Unterstützung beschließe, werde der sächsische Standort geschlossen. Meyer-Burger hat die ehemalige Fabrik von Solarworld nach deren Pleite erst im Jahr 2021 neu eröffnet.

Konzernchef Gunter Erfurt informierte am Mittwoch Börse, Belegschaft und Presse über sein Ultimatum: „Wir drohen niemandem, wir sagen einfach, was Phase ist.“ Meyer-Burger verliere derzeit Geld in Freiberg. Das Unternehmen rechne nun für dieses Jahr mit Verlust statt des erhofften Gewinns. Die derzeitigen Verluste seien unhaltbar, heißt es in der Mitteilung. Der Aktienkurs des Schweizer Konzerns mit insgesamt 1.500 Beschäftigten ist seit Sommer sehr stark gefallen.

Als Hauptursache für die Schwierigkeiten von Meyer-Burger nannte Erfurt erneut, dass chinesische Module in Europa zu billig angeboten würden. Die asiatische Konkurrenz führte vor zehn Jahren schon einmal zur Pleite vieler Solarmodulfabriken, in Sachsen blieben nur drei bestehen. Voriges Jahr sind laut Meyer-Burger die „Produktionsüberkapazitäten“ in China erneut gestiegen. Weil die USA den Import von China-Ware bremsten, drängte mehr Solartechnik nach Europa.

Bitterfeld-Wolfen und Hohenstein-Ernstthal arbeiten weiter

Zum Konzern Meyer-Burger gehören noch zwei Standorte in Ostdeutschland, die laut Erfurt nicht gefährdet sind: In Hohenstein-Ernstthal, ehemals Sitz der Vorgängerfirma Roth & Rau, arbeiten rund 130 Menschen in Entwicklung und Maschinenbau. In Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt werden aus Silizium die Solarzellen produziert, die dann in Freiberg zu Fotovoltaik-Modulen verbunden werden. Diese Solarzellenproduktion soll laut Erfurt sogar verstärkt werden – für den Export in die neue Modulfabrik in Goodyear im US-Staat Arizona. „Wir investieren wie verrückt in den USA“, sagte Erfurt. Die Nachfrage sei hoch.

Die Wirtschaftspolitik der USA fördere die einheimische Produktion, betonte der Konzernchef. Daher lohne sich ein Export der Freiberger Produkte in die USA nicht. Der Lagerbestand in Freiberg sei auf Module mit einer Kapazität von 360 Megawatt gewachsen. Voriges Jahr habe die Fabrik 650 Megawatt produziert. Angekündigt waren allerdings mal 1,35, später noch 1,0 bis 1,2 Gigawatt für das Jahr. Doch Meyer-Burger meldete Schwierigkeiten beim Hochfahren der Produktion, mal wegen Corona, mal wegen Lücken bei Lieferanten.

Keine Kurzarbeit bei Meyer-Burger in Freiberg

Kurzarbeit in Freiberg gebe es dennoch nicht, sie sei auch nicht geplant. „Wir arbeiten entweder Vollgas oder gar nicht“, sagte Erfurt auf Nachfrage. In drei Schichten an sieben Tagen pro Woche werde in Freiberg Solartechnik montiert.

Falls die Entscheidung über die gewünschten staatlichen Hilfen falle, werde sich der Konzern „mit Freude der Erschließung neuer Kapazitäten widmen“. Meyer-Burger hatte schon einmal von 3.500 Arbeitsplätzen im Konzern im Jahr 2027 gesprochen. Jetzt sind es 1.500, davon 1.000 in der Produktion in Ostdeutschland. In Arizona sind 500 Stellen geplant, in einer neuen Solarzellenfabrik im US-Staat Colorado mehr als 350. Erfurt sagte, der Konzern sei auf der Suche nach neuen Industriepartnern und habe eine Investmentbank zur Unterstützung seiner Strategie beauftragt.

Gunter Erfurt, Vorstandschef von Meyer Burger, erwartet Staatshilfen für die europäische Solarbranche - sonst schließe er das Werk Freiberg und konzentriere sich auf die USA.
Gunter Erfurt, Vorstandschef von Meyer Burger, erwartet Staatshilfen für die europäische Solarbranche - sonst schließe er das Werk Freiberg und konzentriere sich auf die USA. © Archivfoto: Arvid Müller

Von der deutschen Bundesregierung und der EU verlangt der Schweizer Konzern „Maßnahmen zur Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen in Europa“. Derzeit werde die Branche „chinesischem Handeln zum Fraß vorgeworfen“, sagte Erfurt. Allerdings seien Zölle oder Handelsschranken gegen China der falsche Weg. Die Branche ist auf Zusammenarbeit mit China angewiesen. Der sächsische Hersteller Solarwatt GmbH beispielsweise produziert nur einen Teil seiner Module in Dresden, den größeren Teil importiert er aus China. Solarwatt hat Ende vorigen Jahres 85 Stellen in Dresden gestrichen. Geschäftsführer Detlef Neuhaus beklagte damals ebenfalls Nachteile gegenüber China und den USA.

Forderung: Mehr Geld für Strom aus heimischer Technik

Die Hersteller haben über ihren Verband in Berlin gefordert, Solarmodule aus europäischer Produktion mit einem „Resilienzkonzept“ zu fördern. Wer diese zertifizierten Module kaufe, solle mit mehr Geld für den erzeugten Strom belohnt werden. Die Einspeisevergütung solle je nach Art der Anlage um 2,5 bis 3,5 Cent je Kilowattstunde Strom erhöht werden.

Dann kämen weiterhin das nötige Glas aus Brandenburg, Silizium aus Bayern und die zusammengesetzten Module aus Sachsen. Im ersten Jahr koste diese Förderung rund 50 Millionen Euro, sagte Erfurt. Das sei wenig im Vergleich mit anderen Subventionen.

Sachsens Landesregierung reagierte mit einer gemeinsamen Erklärung von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), Energieminister Wolfram Günther (Grüne) und Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD). Kretschmer erinnerte daran, dass die Landesregierung sich seit Monaten bei Bund und Land für eine Rettung der Branche einsetze, auch mit einem Solargipfel. Doch das angekündigte Solarpaket der Bundesregierung gebe es bis heute nicht.

Wirtschaftsminister Dulig sagte: „Ohne staatliche Hilfen wird die Solarindustrie in Deutschland endgültig eingestellt.“ Die Bundesregierung müsse sich jetzt unverzüglich einigen. Eine strategische Unterstützung durch die Politik sei nötig, um nicht "in eine komplette Abhängigkeit von China" zu geraten.

Grüne fordern Bundesfinanzminister auf, Geld freizugeben

Günther und der Grünen-Bundestagsabgeordnete Bernhard Herrmann forderten das FDP-geführte Bundesfinanzministerium auf, das Geld freizugeben. "Die Instrumente sind bekannt, es braucht deren Finanzierung", schrieb Günther. Auch die EU müsse handeln. Die sächsische und mitteldeutsche Solarindustrie sei ein entscheidender Baustein für das Hochfahren der Produktion in der EU.

Der Linken-Landtagsabgeordnete Nico Brünler forderte ebenfalls, die "vom Bundeswirtschaftsministerium vorgeschlagenen Bonuszahlungen" zum Schutz vor chinesischer Billigkonkurrenz müssten kommen. Brünler schrieb, Deutschland habe früher eine weltweit führende Solarindustrie gehabt. Doch CDU-geführte Regierungen hätten die Förderungen gekippt und die Branche geschwächt. In Deutschland würden vor allem chinesische Solarpanels verbaut. Sachsens CDU-Generalsekretär Alexander Dierks dagegen schrieb, es sei die Ampel-Regierung, die mit falschen Prioritäten und falschen Entscheidungen der Wettbewerbsfähigkeit schade. Es sei "schlichtweg attraktiver für Unternehmen, aus Deutschland abzuwandern".

Die Europäische Union möchte mit einem "Net-Zero Industry Act" (NZIA) auf das US-Wirtschaftsförderprogramm reagieren. Nach den EU-Plänen soll im Jahr 2030 der europäische Anteil an der Produktion von Fotovoltaikanlagen bei 45 Prozent liegen. Der Plan nennt auch Ziele für andere "Schlüsseltechnologien", darunter Herstellung von Wärmepumpen, Batteriezellen und Elektrolyseuren. Meyer-Burger-Chef Erfurt allerdings befürchtet, dass China die EU bei weiteren Branchen übertrumpfen wird: bei Windenergieanlagen und auch bei der Automobilproduktion.