Update Wirtschaft
Merken

Habeck sieht "angespannte, ernste Lage" bei Gasversorgung

Wirtschaftsminister Robert Habeck ist trotz aller Probleme zuversichtlich für die Gasversorgung im Winter. RWE-Chef Krebber warnt unterdessen vor langanhaltend hohen Preisen.

 2 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) © Bernd von Jutrczenka/dpa

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat angesichts schrumpfender Gasströme aus Russland erneut die schwierige Situation für Deutschland hervorgehoben. "Da will ich nicht drumherumreden: Es ist eine angespannte, ernste Lage", sagte der Grünen-Politiker am Sonntagabend im ZDF-"heute journal". "Es war immer klar, dass wir bei Gas in einer großen Abhängigkeit sind."

Habeck zeigte sich aber auch zuversichtlich, dass die Versorgung für den kommenden Winter sichergestellt werden könne. "Entscheidend ist, dass die Gasspeicher zum Winter hin gefüllt sind - und zwar bei 90 Prozent liegen". Derzeit seien es 57 Prozent - durch Einkäufe und Sparsamkeit müsse die Differenz ausgeglichen werden. Wenn die Speicher voll seien, reiche dies für etwa zweieinhalb Monate - ohne weitere Quellen. Allerdings sei geplant, dass Deutschland auch im Winter weiter Gas beziehe aus dem Ausland - selbst wenn aus Russland keins mehr fließe.

Es sei "eine Art Armdrücken", bei dem Kremlchef Wladimir Putin zunächst den längeren Arm habe. "Aber das heißt nicht, dass wir nicht durch Kraftanstrengung den stärkeren Arm bekommen könnten", meinte Habeck.

Der Vizekanzler will den Einsatz von Gas für Stromerzeugung und Industrie senken und es sollen mehr Kohlekraftwerke zum Einsatz kommen. Sie sollen die Stromerzeugung in mit Erdgas befeuerten Kraftwerken soweit wie möglich ersetzen, um Erdgas einzusparen. Der russische Staatskonzern Gazprom hatte den Gasfluss durch die Ostseepipeline Nord Stream in den vergangenen Tagen deutlich verringert.

Industrie unterstützt Pläne für weniger Gasverbrauch

Die Industrie unterstützt unterdessen die Pläne von Wirtschaftsminister Habeck, den Gasverbrauch angesichts gedrosselter russischer Lieferungen zu senken. "Wir müssen den Verbrauch von Gas so stark wie möglich reduzieren, jede Kilowattstunde zählt", sagte Industriepräsident Siegfried Russwurm der Deutschen Presse-Agentur: "Priorität muss sein, die Gasspeicher zu füllen für den kommenden Winter."

Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sagte dem "Tagesspiegel" zum Plan, übergangsweise verstärkt auf Kohlekraftwerke zu setzen, dies sei klimapolitisch keine leichte Entscheidung: "Um den Gasverbrauch bei der Stromerzeugung zu reduzieren, ist das aber notwendig."

Unionsfraktionsvize Spahn kritisiert Habeck scharf

Unionsfraktionsvize Jens Spahn kritisierte Habecks Pläne indes als zu spät und unzureichend. "Hätten wir im März schon begonnen, mehr Kohlekraftwerke, weniger Gaskraftwerke laufen zu lassen, dann wären die Speicher jetzt vielleicht schon zehn Prozent voller", sagte der CDU-Politiker am Montag im ARD-Morgenmagazin.

Habeck gehe zudem nur den halben Weg, da er Kernkraftwerke nicht länger laufen lasse. Mit Blick auf Widerstand auch von Betreibern der Kernkraftwerke sagte der Fraktionsvize im Bundestag, Energieversorger hätten daran keine Freude, weil es zusätzlichen Aufwand bedeute. "Aber wir sind in einer echten Notlage", sagte Spahn. Bevor Bürger zum Frieren aufgefordert würden, sollte Politik alle anderen Alternativen prüfen.

Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie, Wolfgang Große Entrup, sagte, "Deutschland muss jetzt zügig und pragmatisch alle Möglichkeiten nutzen, Gas da einzusparen, wo es ersetzbar ist". Vor allem beim Umstieg der Stromgewinnung von Gas auf Kohle müssten umgehend alle Kapazitäten unterschiedslos genutzt werden können. Das von Habeck angekündigte Gasauktionsmodell zur Einsparung von Industriegas begrüßte Große Entrup als marktwirtschaftliches Instrument.

Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Stadtwerkeverbands VKU, nannte es richtig, zügig zu reagieren und wenn nötig auch Notfallmaßnahmen zu ergreifen. "Vor allem eine Rückkehr von Kohlekraftwerken an den Strommarkt ist zielführend." Der VKU warne aber vor einer "pauschalen Untersagung" von Gasverstromung oder Strafzahlungen. Für den Maschinenbauverband VDMA sagte Präsident Karl Haeusgen, die Branche unterstütze vor allem das Vorhaben, einen reduzierten Gasverbrauch in der Industrie durch Ausschreibungen zu erreichen. "Dies steuert die Reduzierung dorthin, wo der geringste Schaden entsteht." Wirkungsvoll, aber sehr sensibel sei dagegen der mögliche Eingriff in die Stromerzeugung. "Kurzfristig kann mehr Kohlestrom aus Reservekraftwerken zwar helfen, dabei dürfen aber die Klima-Transformationsziele nicht aus den Augen verloren werden."

Kritisch sieht der Mittelstand die Pläne. "Angesichts der reduzierten russischen Gaslieferungen macht sich im Mittelstand zunehmend die Sorge breit, bei der Energieversorgung zwischen den warmen Wohnzimmern von Privatverbrauchern und dem Rohstoffbedarf der Großindustrie den Kürzeren zu ziehen", sagte Markus Jerger, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Mittelständischen Wirtschaft (BVMW), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Montag). Habecks Vorhaben, Gas über Auktionen zu verteilen, könne bedeuten, dass kleine und mittlere Unternehmen beim Bieten nicht mehr mithalten.

RWE-Chef rechnet noch jahrelang mit hohen Gas- und Strompreisen

Der Vorstandschef des Essener Energiekonzerns RWE, Markus Krebber, rechnet unterdessen noch jahrelang mit hohen Gas- und Strompreisen. "Es wird vermutlich drei bis fünf Jahre dauern", sagte der Manager der "Süddeutschen Zeitung" zu den Energie-Engpässen in Deutschland. "Denn es braucht Zeit, bis neue Kapazitäten geschaffen sind und andere Staaten zusätzliche Energie liefern können." Auch Krebber begrüßte Habecks Pläne: "Überall, wo man auf andere Energieträger umstellen kann, sollte das erfolgen."

Die Drosselung von Gaslieferungen aus Russland wirke sich bereits aus. "Auch wir bekommen deutlich weniger als die vereinbarten Mengen", sagt der RWE-Chef. Der Konzern, der Gas- und Kohlekraftwerke in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden betreibt, müsse den Brennstoff nun "zu deutlich höheren und weiter steigenden Preisen kaufen".

Ein Weiterbetrieb der letzten Atomkraftwerke in Deutschland über Ende 2022 hinaus schloss Krebber aus. Allerdings setze RWE wie geplant auf die Erweiterung des Braunkohle-Tagebaus Garzweiler II im Rheinland. "Der planmäßige Tagebaufortschritt ist wichtig - vor allem, wenn wir uns auf Szenarien vorbereiten, in denen Gas gespart werden soll." (dpa)