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Warum die Energiewende in Sachsen schwer in Gang kommt

Robert Habecks Staatssekretär Michael Kellner wirbt bei Solarwatt in Dresden für bestimmte Wege zu niedrigeren Stromkosten. Doch er stößt auf Widerstände - auch bei Michael Kretschmer.

Von Nora Miethke
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Der Dresdner Solarmodulhersteller hat derzeit mit einer verschärften Konkurrenzsituation zu kämpfen. Das für dieses Jahr gesetzte Umsatzziel wird wohl nicht erreicht.
Der Dresdner Solarmodulhersteller hat derzeit mit einer verschärften Konkurrenzsituation zu kämpfen. Das für dieses Jahr gesetzte Umsatzziel wird wohl nicht erreicht. © Jürgen Lösel

Dresden. Wie komme ich an die sächsischen Mittelständler heran?" Das ist die erste Frage, die Michael Kellner, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, stellt, als Solarwatt-Chef Detlef Neuhaus seine kurze Unternehmenspräsentation beendet hat. Der Grünen-Politiker war am Dienstag in der Dresdner Region unterwegs, auch um offensiv für das sogenannte "Betriebsstättenprivileg" zu werben. Dahinter verbirgt sich die Regelung für Unternehmen, dass sie bei Ökostrom, den sie selbst erzeugen und selbst verwenden für die Produktion, von Abgaben und Mehrwertsteuer befreit sind.

In Süddeutschland habe das einen enormen Zubau an Fotovoltaikanlagen unter Firmen ausgelöst, ein Metallbauer in Bayern hätte so seine Stromkosten auf ein Drittel reduzieren können, erzählt Kellner. Aber in Ostdeutschland lasse die mittelständische Wirtschaft diese Chance liegen. "Mir als Ostdeutscher ist es ein Anliegen, dass die Möglichkeiten, die wir geschaffen haben, um eigene Stromkosten zu senken, auch hier genutzt werden. Da sind andere schneller unterwegs", sagt Kellner.

Amerikaner verschärfen Wettbewerb

Doch Neuhaus kann ihm nicht weiterhelfen. Sein Unternehmen mit 820 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen produziert und verkauft Fotovoltaikanlagen für Eigenheime und Gewerbekunden. "Die Industrie wurde zwar hier geboren, aber der niedrigste Zuwachs ist in Sachsen", sagt der Solarwatt-Manager.

Ihn drücken ganz andere Sorgen. Der Marktführer für PV-Module mit Glas-Glas-Technologie wird sein Umsatzziel von 500 Millionen Euro in diesem Jahr vermutlich nicht erreichen. Grund ist ein massiver Preisverfall, seit die Amerikaner ihren Markt für chinesische Solarmodule beschränkt haben. Nun überschwemmen die chinesischen Importe den europäischen Markt, das Überangebot hat die Preise seit vergangenem März um 40 Prozent fallen lassen.

Die Dumpingsituation sei schlimmer als vor 13 Jahren, als die Chinesen schon einmal die deutsche Solarindustrie verdrängte. Und nun verschärfen noch die Amerikaner den Wettbewerb durch ihren Inflation Reduction Act, das Milliardenförderprogramm für grüne Technologien. Solarwatt habe seinen Umsatz in den letzten fünf Jahren verfünffacht, "aber am Ende zu wenig für eine langfristige Existenzberechtigung", so Neuhaus. Er erwartet von der Bundesregierung, dass sie für faire Wettbewerbsbedingungen sorgt und das "dringend kurzfristig und unbürokratisch".

Kellner erlebt in Dresden, wie das von der Ampelregierung versprochene grüne Wirtschaftswunder ausgebremst wird durch den eskalierenden Handelskonflikt zwischen den USA und China.

Werben um Industriestrompreis wohl umsonst

Den Staatssekretär treibt noch eine andere Branche um. Vor Solarwatt besuchte er Wacker Chemie in Nünchritz, die wie andere Chemieunternehmen auch besonders unter den hohen Energiepreisen leiden. Sein Bestreben ist es nach eigenen Worten, das mitteldeutsche Chemiedreieck zu stärken. Jetzt geht es jedoch mehr darum, es vor Abwanderung zu schützen.

"Wir brauchen den Brückenstrompreis, um Unternehmen wie Wacker Chemie in Deutschland zu halten", verteidigte Kellner am Abend auf dem Sommerfest der Vereinigung der sächsischen Wirtschaft (VSW) die Idee des subventionierten Strompreises von 6 Cent pro Kilowattstunde für energieintensive Unternehmen. Doch sein Chef Robert Habeck konnte den Industriestrompreis auf der Kabinettsklausur in Meseberg offenbar nicht durchsetzen. Bundeskanzler Olaf Scholz vermied am Mittwoch bei der Abschlusspressekonferenz eine klare Positionierung. Er gilt als skeptisch.

Das ist Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer auch. "Das ist keine Brücke, sondern eine Dauersubvention, über die wir hier reden", lehnte der CDU-Politiker, der nach Kellner auf dem VSW-Empfang sprach, erneut einen Industriestrompreis ab und verwies dabei auf die Energiepreisprognose aus Kellners Ministerium.

Die Bundesregierung hatte auf eine Anfrage der Unionsfraktion im Bundestag kürzlich die Antwort gegeben, dass der Preis für Erdgas von gut 16 Cent in diesem Jahr auf unter 13 Cent im Jahr 2030 fällt. Beim Strom nimmt man einen Rückgang von knapp 42 Cent auf 38 Cent an. Kretschmer wiederholte seine Forderung: "Die Energiewende ist gescheitert, man muss sie neu aufsetzen". Auf diese Diskussion ließ sich Kellner an diesem Abend nicht ein.