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Weg von Öl und Gas: Wozu Sachsens Wärmepumpenpapst jetzt rät

Gutachter Hans-Jürgen Seifert über die steigende Nachfrage und die sinkende Förderung, teure Erdwärme-Bohrungen und die Tücken des Alltagsbetriebs.

Von Andreas Rentsch
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© Bundesverband Wärmepumpe

Der Verkauf von Heizungswärmepumpen hat 2022 um mehr als die Hälfte zugelegt. Viele Hausbesitzer setzen auf die strombetriebenen Anlagen, um unabhängig von Gas und Öl zu werden. Doch wie effizient sind Wärmepumpen? Rechnen sie sich in jedem Fall? Und gibt es noch genug Fördermittel, um steigende Kosten zu stemmen? Einer, der sich bei dem Thema auskennt, ist Hans-Jürgen Seifert aus Lößnitz im Erzgebirge. Der Ingenieur ist bundesweit als Gutachter gefragt und hat zwei Bücher zu Wärmepumpen veröffentlicht - eines davon für die Stiftung Warentest, das sich auch an technische Laien richtet.

Hans-Jürgen Seifert ist Diplomingenieur für Luft- und Kältetechnik, Wärmepumpen-Gutachter und Autor von Fach- und Ratgeberbüchern zum Thema Wärmepumpe.
Hans-Jürgen Seifert ist Diplomingenieur für Luft- und Kältetechnik, Wärmepumpen-Gutachter und Autor von Fach- und Ratgeberbüchern zum Thema Wärmepumpe. © C. Lobert

Herr Seifert, es heißt, Wärmepumpen funktionierten im Prinzip wie Kühlschränke, nur umgekehrt. Wie erklären Sie einem Laien diese Technik?

Nehmen wir die Sole-Wärmepumpe für die Erdwärmenutzung: Bei dieser Anlage gibt es drei Kreisläufe. In der Erdsonde zirkuliert ein Mix aus Wasser und Frostschutzmittel. Kreislauf zwei ist das Heizungswasser, Nummer drei der Wärmepumpenkreislauf selbst. In dem gibt es zwei Wärmeübertrager, einen Verdampfer und einen Verflüssiger. Im Verdampfer wird der Sole aus dem Erdreich auf einem niedrigen Niveau Wärme entzogen. Kommt die Flüssigkeit mit null Grad aus der Erde, geht sie mit drei Grad weniger wieder runter. Diese geringe Differenz reicht aus, um das Kältemittel in der Wärmepumpe zu verdampfen.

Der Dampf wird unter Zuführung elektrischer Energie verdichtet und auf ein höheres Temperaturniveau gebracht. Diese Wärme wird per Verflüssiger entzogen und der Fußboden-, Wand- oder Deckenheizung zugeführt. Im letzten Schritt wird der Druck des flüssigen Kältemittels über ein Entspannungsventil wieder herabgesetzt. Das Geheimnis der Wärmepumpe liegt also im niedrigeren Verdampfungspunkt des Kältemittels im Vergleich zu Wasser. Im Kühlschrank haben Sie das genauso, es gibt dort die gleichen Bauteile. Nur dass dort Lebensmitteln Wärme entzogen und an die Umgebung abgegeben wird.

© SZ Grafik

Die meisten 2022 in Deutschland verkauften Wärmepumpen waren Maschinen, die Umgebungsluft Energie entziehen. Erdwärme lag nur auf Rang zwei. Ihre Erklärung dafür?

In den Anfangsjahren hat Erdwärme dominiert. Luftwärmepumpen waren wenig verbreitet. Es herrschte Skepsis, was den Betrieb bei Kälte angeht. In gemäßigten Klimazonen ist die Luftwärmepumpe sicherlich okay. Im Oberen Erzgebirge dagegen halte ich sie nach wie vor für gewagt.

Warum?

Wenn Sie sich Leistungskennlinien von Luftwärmepumpen anschauen, sehen Sie: Bis null oder minus fünf Grad sind es noch akzeptable Leistungszahlen. Aber bei minus 10 bis 15 Grad Außentemperatur und Vorlauftemperaturen der Heizung über 50 Grad Celsius kommt nicht mehr viel raus. Die Industrie sieht die Lösung in Hochtemperatur-Wärmepumpen. Diese Anlagen schaffen zwar die erforderlichen Werte, auch bei minus zehn Grad. Doch das geht zulasten der Effizienz.

Sind die Anschaffungskosten der Hauptgrund für die Luft- und gegen die Erdwärmepumpe?

Hauptgründe für das langsamere Wachstum der Erdwärmepumpe sind erschwerte Genehmigungen für Bohrungen und die Kosten. Die Bohrfirmen haben ihre Preise über die Jahre deutlich erhöht. Wir lagen mal inklusive Nebenkosten bei 70 Euro pro Meter Bohrtiefe. Jetzt ist es manchmal doppelt so viel. Wenn ein Projekt dadurch 40.000 statt 30.000 Euro kostet, entscheiden sich viele eben für die Luftmaschine. Die Firma meines Sohnes realisiert aber nach wie vor mehr Erdwärmeprojekte. Der Vorteil liegt in der Effizienz: Eine Erdwärmepumpe verbraucht in strengen Wintern locker 30 Prozent weniger Strom als eine Luftmaschine.

Aber wie oft hat es denn in Sachsen noch strenge Frostperioden?

Klar, die letzten drei Winter waren Luftwärmepumpenwinter. Aber das muss ja in Zukunft nicht immer so sein.

Wann arbeitet denn eine Wärmepumpenheizung wirtschaftlich?

Die Wirtschaftlichkeit hängt vorrangig ab vom Unterschied zwischen der Temperatur der Wärmequelle – etwa der Sole – und der Wärmesenke. Als Wärmesenke bezeichnet man die Heizflächen. Je geringer die Spreizung zwischen der Vorlauf- und der Quellentemperatur, desto effizienter die Wärmepumpe. Maßeinheit dafür ist die Leistungszahl. Am effizientesten arbeiten Wasser-Wasser-Wärmepumpen.

Den Begriff Vorlauftemperatur müssten Sie bitte noch erklären.

Die Temperatur des Heizwassers, das der Fußbodenheizung oder den Heizkörpern zugeführt wird. Hier ist der Punkt, den ich oft anprangere: Den Leuten wird erzählt, auch bei Vorlauftemperaturen von 60, 70 Grad sei problemlos noch gute Effizienz zu erzielen. Das ist nicht so. Bei null Grad Soletemperatur und 55 Grad im Vorlauf liegt die Leistungszahl bei etwa 2,5, bei 35 Grad dagegen bei etwa 4,5. Je höher die Zahl, desto besser.

Bei Wärmepumpen ist doch immer von der Arbeitszahl die Rede...

Die beiden Begriffe werden oft verwechselt. Die Leistungszahl ist eine Momentaufnahme bei einem Prüfstandslauf mit konstanten Temperaturen. In der Praxis ändern sich diese Werte aber ständig. Ich erkläre den Unterschied zwischen Leistungs- und Arbeitszahl immer so: Die Leistung erkennt man an der Maßeinheit kW, die Arbeit an der Einheit kWh. Wonach Sie fragen, ist die Jahresarbeitszahl. Umso höher die Arbeitszahl, desto geringer der Stromverbrauch der Wärmepumpe.

Und welche Arbeitszahlen sind gut?

Die per Norm definierten Mindestarbeitszahlen liegen bei den Luftwärmepumpen im Bestand bei 2,5, gute Anlagen haben 3,5 bis 4. Bei Erdwärme müssen es mindestens 3,3 sein, gute Anlagen schaffen 4 oder 4,5, Wasser-Wasser-Wärmepumpen um die 5.

© SZ Grafik

Wie viel Fördergeld gibt es derzeit für die Anschaffung einer Wärmepumpe?

Bis zum vergangenen Jahr gab es den Höchstfördersatz von 45 Prozent bei Erdwärme, bei Luft 35 Prozent. Das ist ab 2023 auf Quoten zwischen 25 und 40 Prozent gekürzt worden. Es ist davon auszugehen, dass die staatlichen Förderbedingungen weiter verschärft werden.

2021 war Sachsen das Bundesland mit dem höchsten Anteil von Erdwärmepumpen am Gesamtmarkt, zumindest in Neubauten. Wieso?

Wir haben eine unkomplizierte, recht gute Geologie. Der Freiberger Raum etwa erreicht bei den Entzugsleistungen einen bundesweiten Spitzenwert. Dazu kommt das Klima, gerade im Erzgebirgsraum. Bei Erdwärme ist egal, welche Außentemperatur gerade herrscht. Luftmaschinen steigen irgendwann aus. Solche Beispiele gibt es: Wir hatten einen Kunden in der Nähe von Dresden, der hat ein großes Haus gebaut. Meiner Meinung nach hätte der Bauherr auch die Mittel gehabt, Erdwärme zu finanzieren, hat sich aber für Luftwärme entschieden. Die ersten drei Jahre lief es gut, im vierten Jahr gab es aber im Winter minus 22 Grad in dem Ort. Da rief der Mann hektisch an: „Sie müssen sofort jemanden schicken!“ Ich habe ihm dann erklärt, dass die Einschaltgrenze für seine Anlage bei minus 20 Grad liegt und wir ihn seinerzeit auch darauf hingewiesen hätten. Tatsächlich hat sich die Wärmepumpe wie im Prospekt beschrieben bei minus 20 Grad wieder automatisch zugeschaltet.

Härtetest im künstlichen Frost: Firmen wie Bosch Thermotechnik simulieren in einer Klimakammer, wie sich Wärmepumpen im Alltagsbetrieb bei kalter Witterung verhalten.
Härtetest im künstlichen Frost: Firmen wie Bosch Thermotechnik simulieren in einer Klimakammer, wie sich Wärmepumpen im Alltagsbetrieb bei kalter Witterung verhalten. © Marijan Murat/dpa

Gibt es neben der Kälterobustheit noch andere Vorteile der Erdwärmepumpe?

Ja, weniger Geräusche. Ich habe öfter Anfragen für Gutachten zur Schallbelästigung. Luftmaschinen sind zwar leiser geworden, ganz wegdiskutieren lässt sich das Problem aber nicht. Bei fünf Grad und normalen Bedingungen läuft die Wärmepumpe leise. Bereitet sie aber gerade Warmwasser oder läuft auf voller Leistung, wird es lauter. Gleiches gilt, wenn um null Grad herum der Wärmeübertrager vereist.

Worauf muss man sich als Betreiber einer Wärmepumpe noch einstellen?

Neben der stetigen Kontrolle der Parameter ist wichtig, sich in der Betriebsweise der Heizung umzustellen. Gas- und Ölheizungen werden in der Regel mit einer Nachtabsenkung betrieben. 22 Uhr vier, fünf Grad runter, am Morgen wieder hoch: Das ist bei der Wärmepumpe kontraproduktiv. Wer doch absenkt, muss das Temperaturdefizit mit einer höheren Vorlauftemperatur ausgleichen und bekommt so einen schlechteren Wirkungsgrad.

Seiferts Fachbuch "Effizienter Betrieb von Wärmepumpenanlagen" (VDE-Verlag, 40 Euro) richtet sich vorrangig an Profis, der von der Stiftung Warentest herausgegebene Ratgeber "Wärmepumpen für Heizung und Warmwasser" (39,90 Euro) dagegen eher an technische
Seiferts Fachbuch "Effizienter Betrieb von Wärmepumpenanlagen" (VDE-Verlag, 40 Euro) richtet sich vorrangig an Profis, der von der Stiftung Warentest herausgegebene Ratgeber "Wärmepumpen für Heizung und Warmwasser" (39,90 Euro) dagegen eher an technische © Bildstelle

Mit welchen Problemen sind Sie als Gutachter am häufigsten konfrontiert?

In neun von zehn Fällen geht es um zu hohe Stromkosten – höhere Kosten als vorher für die Gas- und Ölheizung. Ich prüfe dann die Anlagen vor Ort. Auch, ob sie richtig geplant worden sind. Wenn ich aber in einem Mehrfamilienhaus mit zentraler Warmwasserbereitung stehe und eine Vorlauftemperatur von 60 Grad sehe, weiß ich schon, wo der Fehler liegt. Oft ist es aber eine Summe von Faktoren. Dann schreibe ich eine lange Optimierungsliste. Es gibt auch den Extremfall, dass eine schlecht geplante und installierte Anlage wieder ausgebaut werden muss.