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Sachsen trauen sich Aktiensparen nicht zu

Die Commerzbank hat das Anlageverhalten ihrer sächsischen Kunden unter die Lupe genommen und sieht steigenden Investitionsbedarf im Mittelstand.

Von Nora Miethke
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Die Commerzbank hat 26 Filialen in Sachsen, eine davon ist jene am am Dr.-Külz-Ring in Dresden.
Die Commerzbank hat 26 Filialen in Sachsen, eine davon ist jene am am Dr.-Külz-Ring in Dresden. © Archivfoto: Sven Ellger

"Man braucht uns wieder mit qualifizierter Beratung", sagt Alice Neumann. Die Gebietsleiterin für das Privatkundengeschäft und Vermögensmanagement der Commerzbank Dresden hat im vergangenen Jahr erlebt, wie die rasante Zinswende die Kunden stark verunsichert hat. Hieß es in den letzten zehn bin 15 Jahren, wer mit seinen Ersparnissen etwas verdienen will, muss in Aktien oder Steine, also Immobilien investieren, gibt es jetzt weitaus mehr Möglichkeiten.

Viele wissen nicht, wie sie ihr Geld bei steigenden Zinsen und anhaltender Inflation am besten sparen sollen. Neumann und ihr Team verzeichneten einen großen Beratungsbedarf. Das Einlagevolumen stieg entsprechend im vergangenen Jahr um 12,6 Prozent auf 512 Millionen Euro an in der Region Dresden.

Anlagestudie zeigt Sicherheitsbedürfnis

Die meisten Kunden lassen ihr Geld einfach auf dem Tageskonto liegen. Die Commerzbank hat erstmalig für eine Studie das Anlageverhalten ihrer Kunden und Kundinnen durch das Meinungsforschungsinstitut Ipsos untersuchen lassen. Befragt wurden bundesweit 3.200 Menschen, davon 200 in Sachsen. Die Ergebnisse stellte das Geldinstitut am Donnerstag in Dresden vor. Danach sparen 62 Prozent der Befragten in Sachsen mehr oder weniger regelmäßig. Davon wiederum legen 42 Prozent monatlich 150 Euro und mehr zurück. Zwei von drei Sparern in Sachsen wollen den Sparbetrag in den kommenden Monaten erhöhen. Dirk Wetzig, Alice Neumann und Beate Sopart.

Mehr als jeder dritte Befragte (36 Prozent) jedoch kann gar nicht sparen. Der Hauptgrund: "Kein Geld". Dieser Anteil liegt erheblich über dem bundesweiten Schnitt von 28 Prozent. Von denjenigen, die Geld am Monatsende beiseite legen können, tut das fast jeder Zweite im Freistaat auf Tages- oder Festgeldkonten und dem Sparbuch. Diese sei auf das wichtigste Bedürfnis der Befragten - Sicherheit - zurückzuführen, hieß es. "Der Notgroschen ist viel zu hoch", so Neumann. Pro Kopf würden die Sachsen über einen "Notgroschen" verfügen, der umgerechnet für den Kauf von 50 Waschmaschinen reichen würde für den Fall, das die alte kaputt geht. "Das ist keine gute Anlageoption. Sinnvoll wäre es, diesen Notgroschen zu reduzieren", betont die Bankerin.

Den Grund für dieses sehr konservative Sparverhalten sehen die Commerzbanker in fehlendem Wissen. Die Studie zeige, dass sich nicht mal jeder Zehnte gut mit Finanz- und Anlageprodukten auskennt, viele hielten Aktienanlagen zu komplex, die sie nicht verstehen würden. Auch wenn in Sachsen 38 Prozent angeben, Aktien, Fonds, ETFs oder andere Wertpapieranlagen zu besitzen, gibt nur jeder Fünfte an, eine Anlagestrategie zu haben. Daraus zieht Neumann den Beratungsauftrag, aus Sparern "kompetente Anleger" zu machen. Denn wer langfristig in Aktien oder Aktienfonds anlege, habe nach 20 Jahren doppelt so viel angespart als jene, die ihr Geld auf dem Konto lassen, betont die Gebietsleiterin.

Beteiligungen an Windparks in Polen

2023 war ein richtig gutes Aktienjahr. Der Deutsche Aktienindex (DAX) erreichte ein Plus von mehr als 20 Prozent. Das Wertpapiervolumen der Dresdner Niederlassung kletterte um 7,8 Prozent auf 712 Millionen Euro. Die vermögenden Kunden würden vor allem in Mischfonds anlegen. Aber auch die Nachfrage nach Sachwertanlagen wie in erneuerbare Energien und nachhaltige Infrastrukturprojekte nehme zu. Diesen Trend konnte Beate Sopart, Standortleiterin Firmenkunden, bestätigen. "Auch sächsische Unternehmen beteiligen sich an Windparks in Polen mangels Projekten in Sachsen", so Sopart. Sie betreut Unternehmen mit mehr als 15 Millionen Jahresumsatz.

Im Firmenkundengeschäft betrug das Kreditvolumen im vergangenen 1,2 Milliarden Euro. Zwei von drei Mittelständlern würden im Fachkräftemangel und den hohen Energiepreisen die größten Risiken für ihr Geschäft sehen. Die Folge sei eine starke Investitionszurückhaltung. Im Landkreis Görlitz stellt Sopart eine Verlagerung von Investitionen nach Polen fest. Jedes dritte Unternehmen, das sie dort betreut, gibt an, "wenn, dann im nahen Ausland zu investieren." Jeder dritte Unternehmenskunde - also Freiberufler und Gewerbetreibende mit weniger als 15 Millionen Euro Umsatz - will auch die Firma aufgeben, wenn kein Nachfolger gefunden wird.

Das Führungsteam der Commerzbank Dresden: Dirk Wetzig, Alice Neumann und Beate Sopart.
Das Führungsteam der Commerzbank Dresden: Dirk Wetzig, Alice Neumann und Beate Sopart. © Commerzbank AG

Sopart sieht die angezogene Handbremse bei Investitionen kritisch, denn die Umstellung der Geschäftsmodelle auf grüne Technologien und nachhaltige Produktionsprozesse lasse sich nicht wegschieben. Zudem fallen ab diesem Jahr auch Unternehmen ab 250 Beschäftigten unter neue Nachhaltigkeitsberichtspflichten bei der Bilanzerstellung. Wer das ignoriert, erhält ab 2026 kein Testat vom Wirtschaftsprüfer. Laut Sopart ist davon die Hälfte ihrer 650 Firmenkunden betroffen. Sie und ihr Team bieten Nachhaltigkeitsdialoge an, um den Transformationsstand des Kunden zu ermitteln und entsprechende Förderkredite der KfW anbieten zu können.

Cyberattacken nehmen zu

Eine weitere Herausforderung für die Unternehmenskunden ist das Thema Cybersicherheit. Nicht mehr nur große, zahlungskräftige Firmen würden Opfer von Cyberattacken werden, sondern zunehmend auch kleine und mittlere, betont Dirk Wetzig, Gebietsleiter Unternehmenskunden. Die Bank biete spezielle Sicherheitsschulungen an, aber auch Cyberversicherungen. Partner ist dabei die Allianz AG.

Die Commerzbank hat bundesweit 400 Filialen, davon noch 26 in Sachsen. "Mit diesem Filialnetz fühlen wir uns wohl", hieß es. Das Geschäftsvolumen im Raum Dresden ist vergangenes Jahr um 9,9 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro gewachsen.