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Rente plus volles Gehalt beziehen – dank Pandemie

Angesichts der Personalnot steigen auch dieses Jahr die Hinzuverdienstgrenzen. Immer mehr Sachsen nutzen das.

Von Kornelia Noack
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Viele Sachsen beziehen Gehalt und Rente gleichzeitig – und das völlig legitim.
Viele Sachsen beziehen Gehalt und Rente gleichzeitig – und das völlig legitim. © Symbolfoto: dpa

Rentenberater Christian Lindner aus Dresden hat derzeit viel zu tun. Denn zahlreiche ältere Menschen erhoffen sich wegen einer pandemiebedingten Gesetzesänderung Rat von ihm. "Wer in absehbarer Zeit geplant hat, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen, kann in diesem Jahr Gehalt und Rente gleichzeitig beziehen – und das völlig legitim, meist ohne Abzüge", sagt Lindner. "Die Sachsen nutzen das rege und wollen sich dazu beraten lassen." Denn die Rechnung sei nicht ganz einfach.

Laut Bundesagentur für Arbeit haben im Freistaat Ende 2020 knapp 11.000 Rentner über 65 Jahren nebenbei noch gearbeitet. Viele Menschen, die kurz vor der Rente stehen, wünschen sich inzwischen aber einen gleitenden Übergang. Sie möchten weiter ihrem Beruf nachgehen und trotzdem mehr Zeit für Freizeit oder Familie haben. Das geht mit der Flexirente: Versicherte ziehen ihren Renteneintritt vor und gehen gleichzeitig einige Monate arbeiten.

Über 46.000 Euro zusätzlich

"In diesem Zeitraum erhalten sie die Rente und parallel dazu Gehalt. Früher hat sich das allerdings kaum gelohnt, weil ein Großteil des Gehalts auf die Rente angerechnet wurde", sagt Lindner. So lag die Hinzuverdienstgrenze für Frührentner vor der Pandemie bei 6.300 Euro pro Jahr. Von dem Verdienst, der darüber lag, wurden 40 Prozent von der Rente abgezogen – wodurch diese geringer ausfiel.

Im ersten Pandemiejahr war die Hinzuverdienstgrenze auf 44.590 Euro erhöht worden, 2021 stieg sie auf 46.060 Euro. Dies gilt nun noch einmal für 2022. "In welchem Zeitraum des Jahres das Geld verdient wird, spielt dabei keine Rolle", sagt Lindner. Auch eine Tätigkeit über nur wenige Monate verteilt sei also denkbar. Profitieren kann, wer bereits eine Frührente bezieht oder in den kommenden Wochen erst einen Antrag stellen will. Die Regelung gilt für Menschen, die das reguläre Rentenalter noch nicht erreicht haben. Altersrentner dagegen dürfen weiterhin ihre Rente beliebig aufbessern, ohne eine Kürzung befürchten zu müssen. Das Eintrittsalter wird aber schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Alle, die ab 1964 geboren sind, bekommen erst mit 67 ungekürzte Altersrente.

Grund für die höhere Zuverdienstgrenze ist der durch die Corona-Pandemie gestiegene Bedarf an medizinischem Personal. Auch Engpässe wegen Erkrankungen oder Quarantäne-Anordnungen in anderen Bereichen sollen ausgeglichen werden. Laut der Deutschen Rentenversicherung soll auch eine Weiterarbeit oder Wiederaufnahme einer Beschäftigung nach dem Renteneintritt erleichtert werden.

Für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und bei der Anrechnung von Einkommen auf Hinterbliebenenrenten gibt es keine Änderungen hinsichtlich des Hinzuverdienstes.

Wie groß am Ende der Geldsegen für Frührentner ausfällt, hängt insbesondere von den Wartezeiten ab, die sie erfüllen und dem Zeitpunkt der Antragstellung auf Rente. "Laut Rentenrecht wirkt sich ein Renteneintritt nicht auf ein Beschäftigungsverhältnis aus", sagt Lindner. Bevor Arbeitnehmer einen Rentenantrag stellen, sollten sie sich jedoch in einer Beratungsstelle der Deutschen Rentenversicherung oder bei einem unabhängigen Rentenberater beraten lassen. Angestellte sollten außerdem die Tarifverträge prüfen. In einigen könnte geregelt sein, dass Angestellte ausscheiden, sobald sie Rente beziehen, wie die Stiftung Warentest erklärt.

Noch ein Tipp: Frührentner, die die Flexirente nutzen möchten, sollten keine volle Rente beantragen, sondern nur eine Teilrente in Höhe von 99 Prozent. "Eine Rente, die zu 100 Prozent ausgezahlt wird, gilt als Vollrente. In dem Fall besteht bei gleichzeitiger Berufstätigkeit kein Anspruch auf Krankengeld, sollte man einmal länger als die Lohnfortzahlung krank sein", sagt Lindner. "Eine 99,99-Prozent-Rente dagegen gilt als Teilrente, hier besteht ein Anspruch."

Steuern fallen immer an

Unabhängig von der Höhe des Hinzuverdienstes muss dieser in jedem Fall versteuert werden. Jedoch können auch bei einer Arbeit neben der Rente Werbungskosten, wie beispielsweise Fahrtkosten oder Kosten für Berufskleidung sowie Arbeitsmittel, abgesetzt werden. "Es lohnt sich also, die Belege zu sammeln und am Jahresende zusammenzurechnen", sagt Daniela Karbe-Geßler vom Bund der Steuerzahler.

Um seine Steuerlast prüfen zu lassen, ist der Gang zu einem Steuerberater empfehlenswert. Grundsätzlich gilt: Auf das Arbeitseinkommen fallen Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung an. Auf die gesamten Einkünfte, also Rente plus Arbeitseinkommen, werden Krankenkassenbeiträge und Steuern fällig. Der Arbeitgeber führt nur die Lohnsteuer auf den Verdienst ab. Der Rest läuft über die Steuererklärung. "Am Ende bleibt den Frührentnern trotzdem ein deutliches Einkommensplus", sagt Lindner. Das zeigt das Beispiel unten.

Wer von der Regel profitieren möchte, sollte sich zügig entscheiden. Allerdings zeichnet sich ab, dass die hohen Hinzuverdienstgrenzen auch über das Jahr 2022 hinaus gelten könnten. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grüne und FDP heißt es: Die Flexirente wollen wir durch bessere Beratung in ihrer Bekanntheit verbreitern und die Regelung zum Hinzuverdienst bei vorzeitigem Rentenbezug entfristen. "Das klingt für mich ganz so, als wenn die Regel beibehalten wird", sagt Christian Lindner. Angesichts des steigenden Interesses mache das für ihn auch Sinn.

So wird gerechnet: Die neue Regel am Beispiel

Die Annahmen: Versicherte S. ist im Januar 1958 geboren. Ihre Lehre hatte sie im Herbst 1974 begonnen. Seitdem ist sie beschäftigt, nur für die Erziehung der Kinder legte sie Pausen ein. S. erfüllt die Wartezeit von 45 Versicherungsjahren und kann die "Altersrente für besonders langjährig Versicherte" erhalten, vorzeitig und ohne Abschläge. Der Bruttoverdienst liegt im ostdeutschen Durchschnitt bei monatlich etwa 3.100 Euro, das sind jährlich 37.200 Euro. Die Rentenprognose beträgt rund 1.300 Euro.

Rechnung: S. kann mit 64 Jahren, also ab 1.2.2022, die "Altersrente für besonders langjährig Versicherte" in Anspruch nehmen. Sie möchte aber noch ein Jahr länger arbeiten – bis 1.2.2023. Da ihr Bruttojahresverdienst von 37.200 Euro unter der neuen Hinzuverdienstgrenze von 46.060 Euro liegt, kann sie die neue Regel nutzen. Sie stellt ihren Rentenantrag und arbeitet parallel bis 1.2.2023.

Fazit: Ein Jahr lang erhält S. ihre volle Altersrente plus das volle Gehalt. In dieser Zeit kommt sie dann auf ein Gesamteinkommen pro Monat von 4.400 Euro.

Nebeneffekt: Während der Tätigkeit zahlt S. weiter Beiträge in die Rentenkasse ein. Bei einem Jahr mit Durchschnittsverdienst macht das etwa einen Rentenpunkt aus – das entspricht rund 33,50 Euro. Wenn S. mit 66 Jahren ihre Regelaltersgrenze erreicht, am 1.2.2024, kommen die auf die Monatsrente obendrauf.

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