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Haribo in Sachsen stellt die Produktion ein

Für die Haribo-Beschäftigten in Sachsen wird dieser Freitag ein schwarzer Tag. Doch das Aus der Gummibären-Produktion ist kein Einzelfall im Osten.

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Bei Haribo in Sachsen gehen die Lichter aus
Bei Haribo in Sachsen gehen die Lichter aus © dpa

Von Andreas Hummel

Wilkau-Haßlau. Seit Haribo die Schließung seines einzigen Werkes in Ostdeutschland bekannt gegeben hat, rollt eine Welle des Protests. Mit einer Lichterkette, Demos, Online-Petition und einer Luftballonaktion haben es die rund 150 Beschäftigten in Wilkau-Haßlau bei Zwickau und ihre Unterstützer bis in den Bundestag gebracht. Doch das Ende der Goldbären-Produktion konnten sie nicht abwenden – diesen Freitag soll sie auslaufen. Nicht nur Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) sieht in der Entscheidung des Süßwarenherstellers einen für Ostdeutschland besorgniserregenden Trend.

„Die Einschläge nehmen zu“, sagt der SPD-Ostbeauftragte und zählt jüngste Beispiele auf, in denen Unternehmen Ost-Standorte schließen wollen: MAN in Plauen etwa, der Autozulieferer Mahle in Freiberg und die Callcenter von Majorel in Stralsund, Neubrandenburg, Schwerin und Chemnitz. „Das ist eine Entwicklung, die mich fatal an die 90er-Jahre erinnert“, bekennt Dulig.

Der Protest schäumt

Der Goldbären-Hersteller feiert dieses Jahr 100. Firmenjubiläum. Doch den Beschäftigten in Sachsen ist seit November nicht mehr zum Feiern zumute. Da gab das Familienunternehmen mit Sitz in Rheinland-Pfalz die Schließung ihres Werkes bekannt. Begründet wurde der Schritt mit „unverhältnismäßig hohen“ Investitionen, die an dem Standort nötig seien. Seither schäumt der Protest. Mehr als 16.000 Menschen haben eine Petition im Internet unterzeichnet, das Land Sachsen eine Werbekooperation mit Haribo aufgekündigt. Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und das langjährige Haribo-Werbegesicht Thomas Gottschalk haben sich zu Wort gemeldet. Am Donnerstag war Haribo Thema einer Aktuellen Stunde im Bundestag. Dort musste die Firma über Parteigrenzen hinweg heftige Kritik dafür einstecken, das Werk mitten in der Corona-Krise und kurz vor Weihnachten zu schließen. Er habe Verständnis dafür, dass sich die Beschäftigten „verschaukelt“ fühlten, sagte der FDP-Abgeordnete Jürgen Martens.

Ein Sozialplan samt Beschäftigungsgarantien bis ins neue Jahr konnte inzwischen erreicht werden, doch von der Schließung des Werkes, wo jährlich rund 10.000 Tonnen Naschereien hergestellt werden, rückt Haribo nicht ab. Hoffnungen setzen die Beschäftigten nun darauf, dass ein neuer Eigentümer für den Traditionsstandort gefunden wird. Denn schon zu DDR-Zeiten wurden hier Gummibären & Co. hergestellt und zu großen Teilen in den Westen geliefert; 1990 übernahm Haribo das Werk. Seither wurde ein zweistelliger Millionenbetrag investiert.

Arbeitsmarktexpertin der Linken, Sabine Zimmermann, warf dem Unternehmen eine Hinhaltetaktik bei der Suche nach einem neuen Investor vor. Es werde verschwiegen, dass es das Werk keinesfalls an einen Konkurrenten verkaufen wolle. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten verlangte deswegen eine Klarstellung. Sollte dies stimmen, dann wären die bisherigen Ankündigungen des Konzerns „ein arglistiges Täuschungsmanöver“, erklärte Landesbezirkssekretär Olaf Klenke. Wie viele Interessenten es gibt, will das Unternehmen nicht sagen. Nur so viel: „Es liegt kein Angebot des Wettbewerbs vor“, betont ein Sprecher. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Körber hatte jüngst von vier Interessenten gesprochen.

So bleibt für die Beschäftigten über die Weihnachtstage Unsicherheit darüber, wie es längerfristig weitergeht. Und der Weg zur Arbeit wird an diesem Freitag für viele ein schwerer Gang werden. Am Abend ende mit der letzten Schicht die Produktion, erklärt Betriebsratschef Maik Pörschmann: „Es werden Tränen fließen.“ (dpa)