Bio-Landwirtin aus dem Kreis Bautzen: "Wir Bauern waren lange die Sündenböcke"
Dresden. Wann immer ein Daumen am Straßenrand nach oben geht, drückt Isabell Krahl auf die Hupe. Ein ohrenbetäubendes Signal ertönt, das eigentlich jeden Umstehenden warnen müsste: Mit dem Case IH Puma 240 CVX – die Zahl steht für die Pferdestärken des Traktors – ist nicht zu scherzen. Doch die meisten Passanten lächeln oder halten das Handy zum Filmen hoch. Die 33-jährige Bio-Landwirtin drückt an diesem Tag noch oft auf die Hupe. Die Zustimmung für den Bauernprotest, der am Mittwochmorgen einmal mehr die Landeshauptstadt lahmlegt, ist groß.
Wenn die Fußgänger in ihren dicken Jacken, Schals und Mützen wüssten, wie gemütlich warm es in dem roten Traktor ist, wären sie zumindest ein wenig neidisch. Während Dresden unter einer Eisdecke liegt, hält man es im "Puma" kaum in der Jacke aus.
Agrardiesel und Kfz-Steuer machen Landwirtin zur Protestierenden
Doch Isabell Krahl hat auch schon ein gutes Stück Fahrt hinter sich, als sie um kurz nach 10 Uhr Dresden-Weißig erreicht. Sie ist am Morgen in Goldbach bei Bischofswerda mit rund 25 Kollegen der Großdrebnitzer Agrarbetriebsgesellschaft gestartet, als eine von wenigen Frauen. 2020 hat der Betrieb mit fast 3.000 Hektar vollständig auf Bio umgestellt. Gerade ist Winterpause, da sollte es ruhiger zugehen. Krahl lacht. "Aber seit den Demos nicht mehr so richtig."
Es ist nicht der erste Protest, an dem die Landwirtin teilnimmt. Mitte Dezember war sie in Leipzig, am Montag hat sie mit ihrem Trecker die Auffahrt zur A4 bei Ohorn blockiert. Warum, das erzählt sie, während ihr Traktor hinter einem Radlader Richtung Innenstadt zuckelt. Vom Stadtrand bis zum Theaterplatz, auf dem ab 11 Uhr die Bauernkundgebung stattfindet, wird sie eine knappe Stunde brauchen.
Wie bei so vielen Landwirten haben Agrardiesel und Kfz-Steuer die junge Frau zur Protestierenden gemacht, doch der Frust sitzt tiefer: "Wir waren lange für vieles die Sündenböcke", sagt Krahl. Obwohl es bei den Protesten gerade große Zustimmung in der Bevölkerung gäbe, hätten viele Bürger kein Verständnis mehr für die Landwirte. Zum Beispiel, wenn es um die Stilllegung von vier Prozent der Ackerfläche gehe. Die ja eigentlich von den Menschen gewünscht sei. "Trotzdem rufen dann manche Leute an, was das für Hundeecken sind, die wir stehenlassen."
Landwirtschaftsbetrieb wartet auf 750.000 Euro Fördergelder
"Aus dem Ausland wird Getreide nach Deutschland gebracht, obwohl man es eigentlich selbst produzieren könnte", sagt die Landwirtin und fragt, warum es im Restaurant argentinisches Rumpsteak geben müsse. "Das ist für mich Massentierhaltung." In Deutschland gelten dagegen strenge Regeln wie die Düngeverordnung. Auf dem Schild vorne an ihrem Traktor steht: "Sind die Milliarden verschenkt in alle Welt, holt man sich des Bauern letztes Geld."
Was Isabell Krahl sich von der Politik wünschen würde? Außer der Rücknahme sämtlicher Subventionskürzungen, wie sie auch der Bauernverband fordert. "Mitspracherecht!" Die Politik müsse endlich auf die Leute hören, die die Erfahrung hätten. Agrarminister Wolfram Günther (Grüne) hatte die Landwirte zu einem Austausch am Dienstag eingeladen, doch der Landesbauernverband war nicht gekommen. Es sei einfach zu kurzfristig gewesen.
Als Isabell Krahl die Waldschlößchenbrücke passiert, fällt ihr das mit den EU-Fördergeldern wieder ein, die Sachsen seinen Bauern noch nicht auszahlen konnte. Sie lacht traurig. "Das ist sehr schlecht zum Jahresende, da wartet man drauf." Konkret geht es um rund 750.000 Euro, die dem Betrieb nun fehlen.
Hupkonzert der Traktoren in Dresden
Auf dem Terrassenufer wird der Verkehr zäh, der Theaterplatz ist um kurz vor 11 schon voller Traktoren, viele wurden bereits umgeleitet ins Ostragehege. Die letzten hundert Meter geht es deshalb zu Fuß weiter. Doch um 11.05 Uhr gibt es erst ein dreiminütiges Hupkonzert aller Maschinen. Davon erfährt Krahl per Whatsapp. Sie hupt immer nur ein paar Sekunden am Stück, dann warnt ein Signalton, weil die Hupe am Luftkompressor angeschlossen ist. "Sonst fehlt dann die Luft zum Bremsen."
Auf dem Theaterplatz fordern Bauernvertreter vor Tausenden Menschen, darunter vielen Handwerkern, unter anderem fairen Wettbewerb, mehr unternehmerische Freiheiten und die Rücknahme aller Subventionsstreichungen. Man lasse sich nicht in eine rechte Ecke drängen, heißt es – die Freien Sachsen, die vor allem beim Auftritt Michael Kretschmers stören wollten, erhielten einen von der Menge getrennten Platz an der Schinkelwache.
Was heute hier gesagt wird, ist nicht neu für Isabell Krahl, die oft zustimmend klatscht. Sie ist vor allem hier, um Präsenz zu zeigen. Wie bei der großen Demo in Berlin am kommenden Montag. Dann darf der Puma zu Hause bleiben – in die Hauptstadt geht es mit dem Bus. Das ist doch ein wenig schneller.